Gladiatorenkampf statt Vorlesung
Studenten aus Regensburg lassen sich in der Nähe von Wien zu Gladiatoren ausbilden. Das kuriose Training dient wissenschaftlichen Zwecken. Mit Lanzen, Schwertern und Lendenschurz wollen sie die Antike wiederbeleben.
Sie sind jung, braungebrannt, tragen einen Lendenschurz und haben Holzschwerter in der Hand. Ein ganz klein bisschen verrückt sind die 20 Studenten der Universität Regensburg, die sich gerade in der altrömischen Stadt Carnuntum bei Wien zu Gladiatoren ausbilden lassen, wohl auch. Da stehen sie im sandigen Rund vor dem Amphitheater und dreschen unter sengender Augustsonne mit antiken Waffen aufeinander ein. „Brot und Spiele“? Nein, eher nicht, denn bei diesem einzigartigen Projekt geht es um harte wissenschaftliche Fakten – eine Wiederbelebung der Antike.
Die kernigen Jungs aus Bayern sind Teil eines Experiments, das die Frage klären soll: „Kann man aus einem Menschen der Neuzeit einen Gladiator der Antike machen?“ Um dem auf die Spur zu kommen, nehmen die 20- bis 30-Jährigen, die in den Fakultäten Archäologie, Alte Geschichte, Latein und Sportwissenschaft eingeschrieben sind, so einiges auf sich: Sie schlafen in einem originalgetreuen Riesenzelt auf Stroh, waschen sich mit Kernseife, tragen die „Subligaculum“ genannte römische Unterhose und essen – wie einst die Gladiatoren – hauptsächlich Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse.
Mit Wurfnetz und Dreizack
„Untersuchungen am Knochenmark auf den Gladiatorenfriedhöfen in Ephesos und York haben gezeigt, dass die Kampfsportler damals kein Fleisch gegessen haben, sondern Linsen, Bohnen und Brot“, sagt Josef Löffl vom Lehrstuhl für Alte Geschichte in Regensburg, der das Projekt initiiert hat. „Deshalb wurden sie ja auch Getreidefresser genannt“, fügt der 20-jährige Florian Gartner hinzu. Der studiert im dritten Semester Latein, Geschichte und Alt-Griechisch und macht die altrömische Diät schon seit März. Florian lässt sich in Carnuntum zum „Secutor“ ausbilden, der in den alten Kaiserzeiten meist gegen den mit Wurfnetz und Dreizack ausgebildeten „Retiarius“ kämpfte.
Daneben gibt es unter den Teilnehmern auch mehrere schwergewichtige „Murmillos“, die mit dem Gladius genannten Kurzschwert in die Arena gingen, sowie mit Rundschild und Lanze bewaffnete „Hoplomachus“. Auch ein flinker „Provocator“ samt Brustblech darf nicht fehlen, ebenso wie der „Thraex“ mit seiner gekrümmten Klinge. In der Antike dauerte die Ausbildung der todgeweihten Muskelmänner vier bis fünf Jahre. Die Deutschen trainieren erst seit März, zunächst fünfmal die Woche jeweils eine Stunde in Regensburg und nun insgesamt zwei Wochen lang ganztägig in Österreich. „Gegen die Originale sind wir ja nur wie eine Kindergartentruppe“, lacht David Vogelbacher. Der 22 Jahre alte Geschichts- und Archäologie-Student ist mit viel Elan bei der Sache, nur seine langen schwarzen Dreadlocks passen nicht so recht ins Altertum.