Kein Fortkommen: Kind und Karriere schließen sich bei Medizinerinnen fast immer aus
Ganz nach oben zu kommen, scheint für Frauen in der Medizin eher die Ausnahme zu sein. Ein Problem ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Ärztinnen Wenn Kinder und Job unter einen Hut gebracht werden müssen, dauert es meist länger, um Fachärztin zu werden. © Artur Tumasjan Unsplash
Wer heutzutage einen Blick in die Hörsäle medizinischer Fakultäten wirft, wird tendenziell mehr Frauen sehen als Männer. Etwa zwei Drittel der Studierenden sind weiblich, wie Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen.
In den Chefetagen der Krankenhäuser aber oder an Lehrstühlen der Unis sieht es anders aus. Ganz nach oben zu kommen, scheint für Frauen in der Medizin noch immer eher die Ausnahme als die Regel zu sein. Ein Problem ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Nach dem Studium folgen in der Regel fünf oder sechs Jahre Weiterbildung zur Fachärztin.
Die Zeit verlängere sich prozentual, wenn man in Teilzeit arbeitet, sagt Christiane Groß, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB). „Damit ist der Karriereknick bei Frauen mit Kindern schon programmiert.” Trotz Familie einen Fuß in der Tür zu behalten, ist oft eine Herausforderung.
Beruf und Familie oft schlecht vereinbar
Die Geburt von Kindern sei häufig ein markanter Einschnitt, bestätigt Christine Kurmeyer, zentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Charité in Berlin. „Es kommen viele Frauen mit Anfragen, die mit einer Schwangerschaft zu tun haben.”
Häufig gehe es um das Problem, dass befristete Verträge in der Forschung während des Mutterschutzes oder in der Elternzeit auslaufen. „Das ist eine drastische Benachteiligung von Frauen.” An der Charité sei deshalb vereinbart worden, dass diese Zeiten nachgeholt werden können.
Kurmeyer rät Frauen in solchen Fällen, möglichst schriftlich einen übersichtlichen Zeitplan zu erstellen. Wichtig sei, Kontakte zu pflegen und zu signalisieren, dass mit der Geburt des Kindes der Wunsch, Fachärztin zu werden, nicht verflogen ist.
Traditionelle Rollenvorstellungen bestehen bis heute
Während niedergelassene Ärztinnen in der Regel selbstbestimmt und gleichberechtigt arbeiten, sei der Alltag in Kliniken noch von Rollenstereotypen geprägt. Bis vor hundert Jahren durften Frauen nicht als Ärztinnen, sondern ausschließlich in der Pflege arbeiten. „Es bleibt auch heute noch ein Rest der Vorstellung vom männlichen Halbgott in Weiß und der Krankenschwester als Dienerin für Gotteslohn”, sagt Kurmeyer. Da reicht es als Frau oft nicht aus, gute Arbeit zu leisten.
Die Benachteiligungen sind aber nicht automatisch Schikane. Viele Probleme sind strukturell angelegt. Zum Beispiel lässt sich Halbtagsarbeit häufig nicht mit den Dienstplänen an den Krankenhäusern vereinbaren. Auf 40 Stunden beschränkte Vollzeitstellen wären schon ein Fortschritt, so Groß.
Und: Um Gleichberechtigung zu erreichen, müssten Männer ermutigt werden, Elternzeit zu nehmen – und andererseits Frauen bestärkt werden, Führungspositionen zu besetzen, ergänzt Kurmeyer.
Auf die Suche nach Gleichgesinnten begeben
Vielerorts existieren Mentorinnen-Programme, die junge Frauen unterstützen. So auch an der Charité. Engagierte Nachwuchswissenschaftlerinnen werden ein Jahr lang etwa durch ein Seminarprogramm gezielt gefördert und dabei von Mentoren begleitet.
„Der Effekt solcher Programme besteht vielfach auch darin, zu erkennen, dass es anderen Frauen in der Medizin ganz genauso geht”, sagt Christine Kurmeyer. Sie rät: „Begeben Sie sich aktiv auf die Suche nach Gleichgesinnten!” Dafür könne man auch andere Zusammenschlüsse wie Fachgesellschaften nutzen. Es sei für alle wichtig, sich auszutauschen – von der Studentin bis zur Professorin. „Als Einzelkämpferin funktioniert das nicht.”