Corona und Lampenfieber: Nervös oder ängstlich vor der Webcam? So beruhigen Sie Ihren Körper

Auf Online-Präsentationen überwältigt viele das Lampenfieber. Dagegen gibt es ein Mittel, was auch in anderen Angstsituationen hilft.

Anne Koschik | 26.03.2020
Plötzlich fühlen wir uns alle wie ein unsicheres Kind. Dabei hilft gezieltes Training für den großen Auftritt.

Lampenfieber und Aufregung Plötzlich fühlen wir uns alle wie ein unsicheres Kind. Dabei hilft gezieltes Training für den großen Auftritt. Foto: Caleb Woods/ Unsplash © Karriere

Ganz egal, ob Sie auf der echten oder virtuellen Bühne stehen, vor großem Podium auf höchstem Niveau eine Rede halten oder in kleiner Runde die Vertragsverhandlung zu einem erfolgreichen Ergebnis bringen müssen: Solche Momente versetzen Menschen in Stress. Einige beginnen zu zittern, andere verlieren den roten Faden oder ihnen bricht die Stimme weg, wieder andere werden rot im Gesicht. Vielen ist diese Reaktion so unangenehm, dass sie vor lauter Angst gar den großen Auftritt meiden.

Das muss nicht sein. „Ich kann mich selbst positiv konditionieren“, weiß Rhetorikcoach Jane Bormeister aus Berlin. Für die promovierte Komplementärmedizinerin und Psycholinguistin gibt es einen entscheidenden Hebel, um die eigenen Ängste unter Kontrolle zu bringen: die Atmung.

Ihre Tipps helfen auch all denjenigen, die beim Thema Corona zusammenzucken, im Homeoffice unter Druck geraten und angesichts der Nachrichtenlage drohen in Panik zu verfallen.

Und jetzt: Vorhang auf – und Ruhe bitte!

Lampenfieber verstehen

In guter Gesellschaft: Lampenfieber kennt fast jeder
Auf jeden Fall sind mehr Menschen von Lampenfieber betroffen, als man denkt. „Nur wenige sind da begünstigt, für die ist das höchstens ein freundlicher Adrenalinschub“, erklärt Jane Bormeister. Schauspieler nutzen diesen Adrenalinschub gerne, um zu voller Leistung aufzudrehen. Und so mancher Manager sicherlich auch.

Doch genaue Zahlen darüber, wie viele Menschen Lampenfieber haben, gibt es kaum, sagt die Rhetoriktrainerin. Sie forscht schon seit Jahren an dem Thema.

Untersucht sei aber, dass beispielsweise „rund 50 Prozent aller Berufsmusiker unter Lampenfieber leiden“, sagt sie. Auch Sportler seien oft betroffen. „Sie fühlen sich ständig wie in einer Prüfungssituation.“

Diese Anspannung mache sich unmittelbar bemerkbar, „etwa dadurch, dass ihre Motivation rapide abnimmt, wenn sie ausgebuht werden“.

Bekannte Symptome: So zeigt sich Lampenfieber
Von den Managern, die Jane Bormeister coacht, haben nach ihren Erfahrungen rund 65 Prozent Herzklopfen und 50 Prozent feuchte Hände. „Die meisten haben ja nicht gelernt, vor großem Publikum zu reden“, erklärt sie.

Der Stress zeige sich auch im Vorfeld durch schlechten Schlaf, Probleme beim Essen und Trinken und unmittelbar vor oder während der Präsentation oder Rede durch ein rotes Gesicht, Zittern oder indem die Stimme wegbricht. „Zudem offenbart er sich auf mentaler Ebene in Form von kurzen Blackouts, fehlenden Wörtern oder weil der rote Faden reißt.“

„Nur“ eine Reaktion: Wie der Körper sich selbst schützt
Und woher kommt das alles? „Der Körper reagiert auf die Signale, die man ihm gedanklich sendet“, sagt Bormeister. Grundsätzlich meine es der Körper ja gut mit einem, wolle einen schützen. Aber wir Menschen führen ihn manchmal in die Irre: Atmen wir also unbewusst vor Aufregung schneller, wird auch der Herzschlag schneller und signalisiert dem Gehirn: Achtung, Stress!

Daraus folgt: „Das Gehirn pumpt mächtig Adrenalin und Cortisol in den Körper“, erklärt die Medizinerin. „Das erleben gerade auch viele in der Coronakrise, weil sie sich ohnmächtig dagegen fühlen.“ Auch hier sei Angst im Spiel. „Das macht nervös.“

Diese vier Tipps helfen gegen Angst und Lampenfieber

Mit diesen vier wertvollen Tipps von Rhetorikcoach Bormeister lernen Sie, sich dem Lampenfieber zu widersetzen:

1. Die Körperfunktion verstehen
„Ob beim Thema Corona oder vor wichtigen Präsentationen: Es gilt jetzt, den Körper zu beruhigen. Wir müssen unsere innere unbewusste Kommunikation von Gehirn und Organen verstehen lernen. Wenn wir das verstehen, können wir bewusst handeln, reagieren, uns beruhigen.

Die Grundregel lautet: je mehr Stress ich habe, desto schneller atme ich. Und durch dieses Signal werden im Gehirn alle entsprechenden Aktionen in Gang gesetzt – angespannte Muskulatur und Nerven, veränderter Stoffwechsel, emotionale und kognitive Beeinträchtigung.“

2. Einen Leitgedanken formulieren
„Ich kann mich selbst positiv konditionieren, indem ich einen Leitgedanken mit einer positiven Erwartungshaltung für mich festlege, etwa: Ich kann das! Oder: Ich schaffe das! Oder: Ich erzähle doch nur etwas!

Wenn ich meine Gedanken und meine Atmung bewusst steuere, also die Atmung vertiefe und verlangsame, dann ist diese Kombination am wirksamsten.“

3. Die Atmung steuern
„Und so können Sie die Atmung beeinflussen: Indem Sie nur sechs bis siebenmal pro Minute Luft holen. Das sollte man mindestens zwei bis zu fünf Minuten vor einem Auftritt beginnen. Es entspannt. Hundertprozentig. Das kann jeder über eine Pulsuhr beobachten.

Das schlechte Gefühl, den eigenen Körper nicht in den Griff zu bekommen, ist dadurch korrigierbar. Ich habe das in meiner Dissertation bewiesen: Die Probanden haben fünf Minuten vor einer Rede die Atmung runtergefahren. Die Beruhigung hat anschließend 15 Minuten angehalten.

Das ist auch eine prima Technik, um sich vor einer Videokonferenz zu beruhigen oder wenn es im Homeoffice turbulent zugeht. Die Atmung ist ein unterschätzter und hochwirksamer Hebel.“

4. Richtig trainieren
„Eine lange Vorbereitung ist hilfreich. Das ist wie beim Sport. Je öfter ich trainiere, desto besser bin ich im Wettkampf. Der Wettkampf ist nur so gut, wie mein Training war. Wem leicht die Stimme wegbricht, der sollte ein Sprechtraining absolvieren und lernen, seine Stimme aus dem Bauch zu holen. Wer ein Blackout bekommt oder wem die richtigen Worte fehlen, der sollte Sprech-Denk-Übungen trainieren. Und körperliche Präsenz ist sowieso trainierbar.

Doch das beste generelle SOS-Tool ist tatsächlich die Atmung. Sie ist ein biologischer Hebel, mit der sich Gefühle verändern lassen. Und sie lässt sich sehr gut trainieren, zum Beispiel in der langen Schlange vor der Kasse im Supermarkt, im Stau, in einer aufregenden Besprechung oder im Streit mit dem Partner.

Egal, wo und welchen Stress Sie haben – Sie haben die Wahl: Regen Sie sich auf (auch das kann gut sein!) oder atmen Sie sich runter und beruhigen sich. Aber je mehr Stress Sie haben, desto mehr freuen sich Körper und Gehirn, wenn sie mal auf Reset geschaltet werden. Machen Sie das! Ganz bewusst.

Spontane Hilfe bei Angst und Stress

 

Wenn aber keine Zeit für eine lange Vorbereitung und ausreichendes Training bleibt, gibt es noch ein paar schnell umsetzbare Tricks:

1. Haltung zeigen
„Die einfachste Regel lautet: Erstmal gut aussehen! Treten Sie also selbstbewusst und souverän nach außen hin auf: Stellen Sie sich vor, sie haben eine Krone auf dem Kopf, einen Diamanten auf dem Brustbein – und jetzt atmen und lächeln sie! Das beweist Haltung. Das Schöne dabei ist: Auch der Körper glaubt es uns.“

2. Ins Wasserglas atmen
„Wer leicht rot wird oder Angst spürt, kann zu einem kleinen Trick greifen: Er nimmt ein Glas Wasser, setzt an, ohne aber zu trinken und macht seine Atemübung. Selbst kurze Augenblicke reichen, um die größte Anspannung rauszunehmen.“

3. Dem Spickzettel vertrauen
„Um in der Rede oder Präsentation nicht den Faden zu verlieren, hilft immer noch der altbekannte Spickzettel. Es nützt aber auch, mit dem Publikum zu sprechen, die ganze Sache etwas lockerer zu nehmen. Die meisten Zuhörer mögen diese direkte Ansprache sogar.“

4. Schwächen übertünchen
„Manchmal ist es möglich, eine kurze Pause anzubieten, um sich zu sammeln. Oder Sie retten sich, indem Sie Ihrem Gegenüber eine Gegenfrage stellen, zum Beispiel: Was meinen Sie denn zu dieser Sache?“

5. Den Kontrahenten wertschätzen
„Befinden Sie sich in einer Konfrontation, versuchen Sie am besten, den anderen durch irgendetwas wertzuschätzen, um keine Krawallstimmung aufkommen zu lassen. Selbst wenn sie sich in einer Knebelsituation befinden und wissen, dass der andere Sie schachmatt gesetzt hat, lassen sie sich nicht zu Gefühlsausbrüchen provozieren.

Gehen Sie immer so aus einer Verhandlung heraus, dass Sie notfalls mit Ihrem Kontrahenten wieder an einem Tisch Platz nehmen könnten.“

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