Corona: Krisenmanagement : So bekommen Unternehmer ihre fünf größten Ängste in den Griff
Existenzangst macht sich breit: Ein Krisenmanager sagt, wie Sie als Führungskraft in der Coronakrise Sicherheit gewinnen und vermitteln.
Krisenmanager David Rölleke hilft Managern, sich in der aktuellen Coronakrise zurechtzufinden. © Karriere Foto: SBS Media
Das Telefon von David Rölleke steht nicht still. Vom verängstigten Handwerksmeister bis hin zum Chef einer bundesweiten Fitness-Kette rufen Geschäftsführer von kleinen und mittelständischen Unternehmen bei SBS Media in Hamburg. an, um nach Rat zu fragen. Die meisten Telefonate des Hamburger Krisenmanagers kommen einem Gespräch mit dem Psychologen gleich.
Nicht nur lähmende Existenzangst greift im Mittelstand um sich. Viele Unternehmer fühlen sich von der Bundesregierung, aber auch von ihren Berufsverbänden, nicht ausreichend informiert.
Gestern haben sich allein vier Unternehmer bei Rölleke erkundigt, ob es auch in Deutschland „Helikoptergeld“ gibt. So werden Schecks der US-Regierung genannt, die sie an ihre Bürger verschicken will, um den Konsum anzukurbeln. Der ehemalige Beamte, der sich vor Jahren als PR- und Krisenberater selbstständig machte, musste verneinen.
Rölleke hat die fünf größten Sorgen der deutschen Unternehmer in der akuten Krisensituation zusammengestellt und liefert Tipps, wie sie sich am besten in den Griff bekommen lassen.
1. Druck durch Mitarbeiter
Jeden Tag gibt es neue Krisenmeldungen, Unternehmen müssen schließen, die Grenzen werden dicht gemacht. Rölleke: „Der Druck, den die eigenen Mitarbeiter aktuell aufbauen, weil sie wissen wollen, was das alles für jeden einzelnen bedeutet und welche Folgen das für den Arbeitgeber hat, ist immens.“
Nicht nur die Frage, wie aus dem Stand Homeoffice und Kinderbetreuung zu bewerkstelligen sind, sondern auch die Sorge, wie sich unter Quarantäne-Vorschriften überhaupt noch der Betrieb aufrechterhalten lässt, sorgt die Beschäftigten. Vom Chef bis zum Azubi, fast alle im Betrieb haben Existenzängste.
Rölleke berichtet: „In manchen Fällen wurde sogar verlangt, dass der Geschäftsführer die Bilanzen sowie den Geschäftskontostand offen legt. Geschäftsführer können sich kaum erwehren.“
Röllekes Rat:
„Schaffen Sie als Chef unbedingt Distanz zu den Mitarbeitern, um Handlungsspielraum zu gewinnen. Das geht so: Sagen Sie freundlich, aber bestimmt, dass Sie die Sorge der Kollegen verstehen und ernst nehmen. Weisen Sie darauf hin, dass Sie selbst als Geschäftsführer oder Familienunternehmer ebenfalls betroffen sind. Und dass Sie alles tun, um den Betrieb vor der Pleite zu bewahren.
Erklären Sie, dass Sie Zeit und Kreativität benötigen, um dazu Lösungen zu finden. Und dass zu viel Druck zu Schockstarre führt. Die Sie nun gar nicht brauchen können. Bitten Sie Ihre Mitarbeiter um die Chance, den Betrieb zu retten – und um nützliche Vorschläge. Versprechen Sie, sich umgehend zu melden, wenn Sie neue Informationen haben, egal, ob positiv oder negativ.“
2. Unbezahlte Rechnungen
Die unbezahlten Rechnungen häufen sich und Unternehmer haben große Angst, nicht mehr an ihr Geld zu kommen. Rölleke beobachtet: „Schwarze Schafe unter Auftraggebern tauchen einfach ab.“
Gerade erst hat der Krisenberater mit einem Bauunternehmen zu tun gehabt, dem ein Kunde eine fünfstellige Summe schuldete. Auf die Zahlungserinnerung kam eine automatische Antwort-Mail: „Lieber Geschäftspartner, aufgrund der aktuellen Ereignisse haben wir unseren Betrieb vorerst bis zum 19.04.2020 geschlossen. Wir bitten Sie um Verständnis.“
Röllekes Rat:
„Lassen Sie sich nicht ausnutzen. Werden Rechnungen nicht bezahlt, ziehen Sie Mahnverfahren und Vollstreckung gnadenlos durch. Es sei denn, es handelt sich um Stammkunden. Dann suchen Sie zunächst das Gespräch, ob sich andere einvernehmliche Lösungen finden lassen.“
3. Kurzarbeit oder Kündigung?
Zum 1. April soll es neue, arbeitgeberfreundliche Gesetze zum Thema Kurzarbeit geben. Fast alle Unternehmen befassen sich aktuell mit dem Thema. Viele Chefs haben jedoch Angst vor der Umsetzung und davor, die betroffenen Arbeitnehmer damit zu konfrontieren. Die Frage Kündigung oder Kurzarbeit steht im Raum.
Röllekes Rat:
„Um professionell mit der Belegschaft zu kommunizieren, sollten in beiden Fällen Gespräche mit Betroffenen einzeln geführt werden. Machen Sie es kurz, beschränken Sie sich auf die reine Sachinformation. Etwa: „Situationsbedingt kündigen wir Ihnen zum…“ Weil jemand nach einer solchen Nachricht erst mal unter Schock steht, bieten Sie einen zweiten Gesprächstermin mit ein, zwei Tagen Abstand an. In dem können dann die Einzelheiten besprochen werden. Haben Sie dafür alle nötigen Daten des Mitarbeiters, aber auch Infos wie weitere Ansprechpartner und Unterlagen im Fall von Kurzarbeit für ihn parat.“
4. Rettungschancen Corona-Kredit und Steuerstundung
Hunderttausende Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler wollen einen der staatlichen Kredite zur Liquiditätssicherung von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erhalten. Da das Programm gerade erst aufgesetzt wurde, fehlt es aber an Umsetzungspraxis.
Rölleke: „Die kleinen und mittelständischen Unternehmer fürchten, bereits in wenigen Wochen ihre finanziellen Reserven aufgebraucht zu haben“. Gerade bei Unternehmer-Ehepaaren oder Familien-Unternehmen sei der Druck groß, da hier alle Geschäftsführergehälter in Gefahr sind. Der Unmut, der bei ihm anlande, sei groß: „Viele regen sich auf, dass innerhalb von wenigen Stunden beschlossen wird, Deutschlands Grenzen zu schließen, die Kreditbewilligung aber nicht schnell genug koordiniert wird.“
Röllekes Rat:
Sparen Sie sich den Griff zum Hörer, um die Frankfurter Förderbank selbst zu kontaktieren. Es bringt nichts. „Die Corona-Kredit-Anträge werden von Ihrer Hausbank, Ihrem Finanzierungspartner oder einem Finanzvermittler an die KfW gestellt.“ Also, dort Gespräch vereinbaren und den Steuerberater einbinden, damit der zur Not einen Härteantrag beim zuständigen Finanzamt auf Steuerstundung stellen kann.
5. Zukunftsangst
Ob es um die Kunden geht, welche aktuell oder demnächst abspringen oder auch um die Produkte, die im Sommer, Herbst und im Winter geplant waren, alles ist ungewiss. Viele Unternehmer überlegen offenbar schon jetzt, Mietverträge des Unternehmens zu kündigen, um Fixkosten zu sparen.
Laut der Aussage vieler Unternehmen wollen viele betrieblich aufgeben, sobald die Ausnahmesituation bis in den Mai verlängert wird. Andere wollen dann den gesamten Mitarbeiter kündigen und sich krank melden, damit man vorerst vom Krankengeld leben kann.
Röllekes Rat:
„Das Gebot der Stunde lautet ‚Ruhe bewahren‘. Es hilft, sich klar zu machen, dasss man nicht der einzige in dieser Situation ist, und auch wenn es zu Liquiditätsengpässen und Kurzarbeit kommt oder womöglich Kündigungen oder sogar die Unternehmenspleite droht, ist man deshalb als Unternehmer kein Versager.
Ertränken Sie Ihre Sorgen auf keinen Fall in Alkohol, sondern gehen Sie lieber spazieren, um den Kopf frei zu bekommen. Und lesen Sie als Mutmacher: vielleicht eine Biographie von Menschen, die bereits mal gescheitert sind, aber als Unternehmer reüssieren konnten – so, wie der frühere Apple-Chef Steve Jobs.“
Mehr: Wann Arbeitgeber über das Privatleben ihrer Mitarbeiter bestimmen dürfen