Pandemiepläne: Coronavirus – Wie Firmen mit der Krisensituation umgehen

Die Angst vor der Ausbreitung des Coronavirus treibt Unternehmen um. Ein Überblick der Maßnahmen.

Angelika Ivanov | 17.11.2021
Das Coronavirus hat Deutschland erfasst. Nun geht es darum, die Ausbreitung zu bremsen. Unternehmen können hier viel tun.

Auf die Hygiene kommt es an Das Coronavirus hat Deutschland erfasst. Nun geht es darum, die Ausbreitung zu bremsen. Unternehmen können hier viel tun. (Foto: dpa)

Es war eine echte Überraschung für die Mitarbeiter der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY in Düsseldorf und Essen: Am vergangenen Donnerstagabend forderte die Geschäftsführung sie auf, am Freitag doch bitte zu Hause zu bleiben. Der Grund war keineswegs der Wunsch, allen ein langes Wochenende zu bescheren. Vielmehr wurde bei einem Mitarbeiter das Coronavirus Sars-CoV-2 nachgewiesen. Das erforderte diese Sicherheitsmaßnahme.

1500 Beschäftigte an den beiden NRW-Standorten sind von Freitag bis Dienstag zu Hause geblieben. „Die Büros wurden großflächig desinfiziert“, berichtete ein Unternehmenssprecher am Montag. Der infizierte Mitarbeiter soll aus dem Kreis Heinsberg stammen, wo die Infektionen in NRW geballt auftraten. EY wollte sich zu der Entwicklung nicht äußern.

Auf den ersten Blick erscheint es als drastische Maßnahme, einen so großen Standort wie den in Düsseldorf mit allein 1400 Beschäftigten vorübergehend dicht zu machen. Tatsächlich habe das Unternehmen aber umsichtig gehandelt, heiß es in Behörden-Kreisen. Das Handelsblatt hatte zuerst darüber berichtet.

Andere Unternehmen folgten dem Vorbild auf das Virus zu reagieren. Dienstreisen sind vielerorts abgesagt, genau wie Meetings. Was möglich ist, wird ins Internet verlagert: Mit Videokonferenzen, Telcos und Heimarbeit halten sich die Firmen über Wasser. 85 Prozent der deutschen Unternehmen haben laut Geschäftsreiseverband (VDR) inzwischen Dienstreisen nach China untersagt, 60 Prozent nach Italien. Selbst Dienstreisen nach Österreich sind für sieben Prozent der befragten Firmen tabu.

Laut Robert-Koch-Institut sind mittlerweile nahezu 1700 Infizierte in Deutschland gemeldet. Drei Todesfälle sind bekannt. Weltweit sind über 120.000 Infizierte gemeldet. 4300 Menschen sind bereits an dem Virus gestorben. Um den Ausbruch abzumildern, werden nun drastische Maßnahmen eingeführt: Flüge werden gestrichen, Messen und Fußballspiele abgesagt. Unternehmen senden ihre Mitarbeiter ins Homeoffice oder schließen ganze Standorte.

Susanne Herold, Leiterin der Abteilung Infektiologie am Uniklinikum Gießen, hält die Vorsorgemaßnahmen für berechtigt und richtig. Zwar müssten die Firmen letztlich selbst den Nutzen und das Risiko etwa von Dienstreisen abwägen. „Ich würde aber auf jeden Fall empfehlen, vor jeder Reise zu prüfen, ob die Reise notwendig ist und wie die aktuelle Gefährdungslage am Zielort ist.“ Großveranstaltungen solle man in jedem Fall meiden.

Diese Maßnahmen sind bisher bekannt:

Folgende Unternehmen haben infizierte Mitarbeiter gemeldet:

Webasto: Ende Januar meldete der Autozulieferer in Stockdorf bei München die ersten Fälle von Corona-Infektionen in Deutschland. Mehrere Mitarbeiter hatten sich bei einer chinesischen Seminarleiterin angesteckt. Der Hersteller von Cabriodächern und Sitzheizungen schloss daraufhin seine Firmenzentrale südwestlich von München für rund zwei Wochen. Mehr als 1000 Beschäftigte arbeiteten von zuhause, 180 Beschäftigte wurden getestet. Insgesamt infizierten sich acht Mitarbeiter und vier Familienmitglieder, alle haben das Krankenhaus inzwischen verlassen.

Bundeskriminalamt (BKA): Am Standort Berlin ist eine Coronavirus-Infektion bestätigt worden. Der Beamte sei zu diesem Zeitpunkt bereits eine Woche nicht mehr im Dienst gewesen, teilte das BKA am Mittwoch in Wiesbaden mit. Die Kontaktpersonen seien identifiziert worden und arbeiten vorsorglich von zu Hause aus. Weitere Infektionen seien durch unverzüglich veranlasste Tests mittlerweile ausgeschlossen worden.

DekaBank: Eine Mitarbeiterin der DekaBank in Frankfurt ist mit dem Coronavirus infiziert. Das geht aus einem internen Rundschreiben hervor, das die Bank dem Nachrichtendienst Bloomberg bestätigte. Die Mitarbeiterin habe sich mutmaßlich während des Ski-Urlaubs infiziert. Die Bank hat ihre direkten Kollegen nach Hause geschickt und die Büroräume versiegelt.

EY: Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft hatte ihre Büros in Düsseldorf und Essen vorübergehend geschlossen. 1500 Mitarbeiter sollten von Freitag bis Dienstag zu Hause bleiben. Nun gibt es eine zusätzliche Regel: Interne Meetings mit Mitarbeitern aus verschiedenen Büros sind auf maximal 25 Teilnehmer begrenzt. Alle größeren und auch internationalen Veranstaltungen und Management-Meetings werden auf Videokonferenz umgestellt, verschoben oder abgesagt.

Wirecard: Bei dem Dax-Konzern ist ein Beschäftigter positiv auf das Covid-19-Virus getestet worden. Zudem ist ein Mitarbeiter eines externen Dienstleisters daran erkrankt. Beide Personen würden derzeit in Krankenhäusern behandelt, teilte das Unternehmen aus Aschheim bei München mit. 20 Mitarbeiter, die in den vergangenen 14 Tagen Kontakt mit den Infizierten hatten, bleiben bis auf weiteres zu Hause. Sämtliche Angestellte könnten auf freiwilliger Basis im Homeoffice arbeiten. Wirecard betonte, die Aktionen hätten keine Auswirkungen auf den laufenden Betrieb, da dieser durchgängig digitalisiert sei. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Viruserkrankung nachhaltig negativ das Geschäft belaste.

BMW: Ein Mitarbeiter des Forschungs- und Entwicklungszentrums (FIZ) von BMW in München wurde positiv auf das Coronavirus getestet. Nach Angaben eines Unternehmenssprechers befinden sich nun rund 150 seiner Kollegen für zwei Wochen zu Hause in Quarantäne.

DMG Mori: Der Werkzeugmaschinenbauer hat am Montag nach einer Corona-Erkrankung eines Mitarbeiters am Standort Pfronten das Werk für zunächst zwei Werktage geschlossen. Alle Mitarbeiter sollen bis einschließlich Dienstag zu Hause bleiben. Der Konzern beschäftigt 1600 Menschen an dem bayerischen Standort.

ProsiebenSat1: Beim dem Fernsehsender wurde am Düsseldorfer Standort ein Mitarbeiter positiv getestet. Nach Angaben einer Sprecherin wurden die Kontaktpersonen ausgemacht und daraufhin deutschlandweit 200 Mitarbeiter vorsorglich ins Homeoffice geschickt.

Aixtron: Ende Februar wurde ein Beschäftigter des Chipanlagenbauers am Hauptsitz bei Aachen positiv auf Corona getestet. Das Management schickte die Mitarbeiter, die mit ihm Kontakt hatten, ins Homeoffice. Der Fachbereich wurde desinfiziert. Der Geschäftsbetrieb ging Firmenangaben zufolge ohne Einschränkung weiter.

Google: Auch Google empfiehlt seinen Mitarbeitern in Deutschland, angesichts der Coronavirus-Ansteckungsgefahr von zuhause aus zu arbeiten. In Deutschland gibt es größere Standorte in Berlin, Hamburg und München. In Nordamerika wurden die Google-Beschäftigten bereits aufgerufen, zunächst bis zum 10. April auf Heimarbeit umzusteigen. Interne Besprechungen und wichtige Aufgaben sollen verstärkt über das Internet erledigt werden. In der Niederlassung in Dublin zeigte ein Mitarbeiter des US-Unternehmens grippeähnliche Symptome, woraufhin alle einen Tag zu Hause bleiben sollten. Vorstellungsgespräche laufen bereits über den Videokonferenzdienst „Google Hangouts“, teilt der Konzern mit.

Facebook: Auch der Tech-Riese von Mark Zuckerberg hat laut dem US-Magazin The Verge am Montag angekündigt, alle persönliche Bewerbungsgespräche zu streichen.

HSBC: Das Londoner Hauptquartier wurde Donnerstag teilevakuiert, nachdem ein Mitarbeiter der Research-Abteilung positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Die für die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems wichtige Arbeit in den Handelssälen sei von der Erkrankung aber nicht betroffen, heißt es in Finanzkreisen.

BASF: Beim Chemiekonzern BASF ist ein Mitarbeiter am Standort Ludwigshafen positiv auf das Coronavirus Sars-CoV-2 getestet worden. Die unmittelbaren Kollegen des Mannes aus Neustadt würden kontaktiert, teilte das Unternehmen mit. Sie sollen wie der Infizierte selbst zunächst in häuslicher Quarantäne bleiben. „Der werksärztliche Dienst der BASF arbeitet weiter eng mit den zuständigen Behörden zusammen und erwägt in Absprache mit den Behörden im Umfeld des betroffenen Mitarbeiters weitere Maßnahmen“, heißt es in der Mitteilung.

Diese Unternehmen gehen auf Nummer sicher:

Austrian Airlines: Die zur Lufthansa-Gruppe zählende Austrian Airlines wird aufgrund des Coronavirus im März und im April bis zu 50 Prozent ihres gesamten Flugangebots streichen. „Leider sind wir aufgrund der Entwicklung des Coronavirus dazu gezwungen, noch stärker und schmerzhafter in unser Flugprogramm einzugreifen als bisher“, sagte Konzernchef Andreas Otto am Mittwoch.

Twitter: Das Technologieunternehmen Twitter hat seine 4900 Vollzeitbeschäftigten rund um den Globus aufgerufen, von zu Hause aus zu arbeiten.

Deutsche Bahn: Das Unternehmen gibt in einer offiziellen Mitteilung an, „umfassend vorbereitet“ zu sein. Derzeit gebe es für Reisende der Bahn keine Einschränkung. Mit Hygienehinweisen fordert der Konzern zur Mithilfe auf: Richtig Händewaschen, in den Ellbogen niesen, die Symptome des Virus kennen und bei einem Verdachtsfall seine Kontaktdaten zu hinterlegen.

Sollte ein Corona-Verdacht von den Behörden festgestellt werden, „wird der betroffene Bereich im Zug gesperrt und nach der Fahrt professionell gereinigt und desinfiziert“ heißt es.

Bayer: Der Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer beschränkt seine internationalen Meetings seit vergangenem Wochenende auf solche Fälle, die „absolut notwendig sind, um Patienten, Verbrauchern und Kunden gerecht zu werden“, wie es in einem Schreiben des Vorstands an die Belegschaft heißt. Die Teilnahme an größeren externen Zusammenkünften mit internationaler Beteiligung ist auszusetzen. Auch intern sollen Treffen in großen Gruppen vermieden werden.

Wichtige Treffen von Betriebsräten werden ebenfalls Opfer des neuartigen Virus. Die Konferenz der Arbeitnehmer von Bayer etwa, die im März stattfinden sollte, wurde verschoben.

Boston Consulting Group (BCG): „Wir überprüfen kontinuierlich, ob geplante Meetings stattfinden sollten, die viele Menschen aus unterschiedlichen Regionen zusammenbringen. Manche finden virtuell statt, andere werden verschoben oder abgesagt“, sagt ein Sprecher. Die flexible Arbeit über Telefon- und Videokonferenzen seien die Mitarbeiter ohnehin in ihrem Arbeitsalltag gewohnt.

UBS: Die Schweizer Großbank gab bekannt, vorerst alle Veranstaltungen zu streichen, die die physische Präsenz von Mitarbeitern erfordern. Sie wies die Angestellten an, Kundenanlässe und interne Veranstaltungen aufzuschieben oder über Videokonferenzen abzuhalten.

Apple: Apple-Chef Tim Cook ruft in einem Memo die Mitarbeiter in den meisten der weltweiten Apple-Büros dazu auf, ab diesen Montag von zuhause aus zu arbeiten. Der Konzern reagiert damit auf die Ansteckungsgefahr durch das Corona-Virus. Konkret richtet sich der Aufruf an Mitarbeiter in den Gebieten mit der höchsten Dichte an Infektionen – wozu Apple auch in Deutschland am Standort München zählt. Auch in am US-Standort Cupertino dürfen die Mitarbeiter zu Hause bleiben. Dort war die Entscheidung von Apple jedoch nicht ganz freiwillig: Die Behörden im Kreis Santa Clara, in dem die Stadt Cupertino und damit auch der von 12.000 Menschen genutzte Konzern-Campus liegt, hatten ansässigen Unternehmen mit größeren Mitarbeiterzahlen um entsprechende Vorkehrungen gebeten.

Diese Unternehmen sagen Hauptversammlungen ab:

Telekom: Am 26. März steht eigentlich das Aktionärstreffen der Deutschen Telekom an. Der Konzern steckt in einer schwierigen Lage. Er muss sich den kritischen Nachfragen der Aktionäre stellen. Gleichzeitig trägt das Unternehmen aber auch eine Verantwortung für die Sicherheit der Teilnehmer.

Wie schon in den Vorjahren will die Telekom ihr Aktionärstreffen im World Conference Center in Bonn ausrichten. Das Konferenzzentrum bietet Platz für bis zu 7000 Teilnehmer. Eigentlich hätte kommende Woche dort die Cybersicherheitstagung des Konzerns stattfinden sollen. Aber die wurde wegen des Coronavirus abgesagt. „Die Gesundheit und Fürsorge für all unsere Gäste und Partner ist für uns oberstes Gebot“, erklärt Telekom-Sicherheitschef Dirk Backofen. Schließlich wären Experten aus der ganzen Welt gekommen.

Bei der Hauptversammlung am 26. März ist das Problem ein anderes. Traditionell nehmen viele Kleinanleger aus Deutschland teil. Einige sind jedoch älteren Semesters und könnten daher zu einer besonders gefährdeten Risikogruppe gehören, wie es aus Konzernkreisen heißt. Die Telekom erwägt daher, die Teilnahme freizustellen und so weit möglich das Einreichen von Fragen über die Website einzurichten.

Beiersdorf: Auch Chef Stefan de Loecker beschäftigt die Frage, wie das Unternehmen mit dem Jahrestreffen der Anteilseigner Ende April umgehen soll. „Wir diskutieren diese Frage, doch zurzeit gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln, dass die Hauptversammlung so stattfindet, wie und wo sie derzeit geplant ist“, sagte er am Dienstag bei der Bilanzpressekonferenz, die wie bei vielen Unternehmen wegen Corona ins Internet verlegt wurde: „Wenn die Situation es erfordert, werden wir kurzfristig, wie jetzt auch, umplanen.“

Eine Hauptversammlung ausschließlich online abzuhalten ist wiederum nicht möglich. Grundsätzlich muss allen Aktionären die Möglichkeit gegeben werden, ihre Abstimmung erst nach Ende der Aussprache festzulegen. Die Aktionäre pauschal zu verpflichten, ihre Stimme vorab an einen Vertreter vor Ort zu übertragen, ist nicht möglich.

ZF Friedrichshafen: Ähnlich wie Bayer agiert der Betriebsrat des Automobilzulieferers. Die für den 10. März angesetzte Betriebsversammlung ist auf unbestimmte Zeit verschoben. „Die Gesundheit unserer Beschäftigten hat absolute Priorität“, erklärt Betriebsratschef Achim Dietrich: „Eine Veranstaltung mit mehreren Tausend Leuten in einer eng bestuhlten Halle wollen wir nicht verantworten.“

Der drittgrößte deutsche Autozulieferer hat zudem Reiseverbote für China, Südkorea sowie die italienischen Regionen Piemont, Lombardei, Venetien und Emilia-Romagna ausgesprochen. Jeder, der aus diesen Regionen von Geschäfts- oder Privatreisen zurückkehrt, darf auch das ZF-Werksgelände nicht betreten und soll in Selbstquarantäne gehen. Wer aus dem Rest Italiens oder aus Japan kommt, ist laut ZF-Sprecher dazu angehalten, sich selbst zu beobachten.

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