Demonstrierte Macht: Wie Sie sich gegen sexuelle Belästigung wehren
Jede Entwürdigung kann angezeigt werden – egal, ob es sich um sexuelles Interesse oder Machtspielchen handelt.
Nichts gefallen lassen Anfassen geht nicht. Sexuelle Belästigung und Entwürdigungen im Job sind durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geregelt. © Karriere Foto: imago images / Panthermedia
Frau Müller hat ihren ersten Tag im neuen Job. Schon das erste Teammeeting läuft anders als geplant. Ihr neuer Kollege Herr Meier hilft ihr aus dem Mantel und sagt grinsend: „Frauen auszuziehen war schon immer mein Hobby.” Die Kollegen lachen, Frau Müller fühlt sich unwohl und sagt nichts.
Von Fällen wie diesen hört Anette Diehl vom Frauennotruf Mainz immer wieder. Sie ist auf Fälle sexueller Belästigung am Arbeitsplatz spezialisiert und berät Betroffene, Betriebsräte oder Führungskräfte. „Den Frauen ist Unterschiedliches passiert. Manche berichten von aufdringlichen Blicken und Anstarren bis hin zu sexistischen Sprüchen oder sogar körperlichen Übergriffen”, sagt Diehl.
Für Betroffene sei es schwer, die Situation anzusprechen. Oft verharmlosten Kollegen und Vorgesetzte die Vorfälle. „Herr Meier ist ein ganz Lieber, der meint das nicht so“ ist eine Reaktion, die viele hören”, so Diehl.
Dabei ist das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) in seiner Definition von sexueller Belästigung eindeutig: Darunter fallen alle unerwünschten Verhaltensweisen, die einen sexualisierten oder geschlechtsbezogenen Hintergrund haben.
„Es kommt also nicht darauf an, wie Herr Meier den Spruch gemeint hat. Wenn Frau Müller diesen als Entwürdigung erlebt, ist es qua Definition AGG eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz”, so Diehl.
Beschwerde beim Unternehmen
Auch wenn der Begriff es suggeriert, muss hinter sexueller Belästigung nicht unbedingt individuelles sexuelles Interesse stehen. „Es geht meist um Machtausübung und die Herabwürdigung der anderen Person in ihrer Autorität”, sagt Dunja Langer vom Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
Betroffene müssen sich das verletzende Verhalten nicht gefallen lassen. Arbeitnehmer haben laut Paragraf 13 AGG das Recht, bei der zuständigen Stelle ihres Betriebes Beschwerde einzulegen und müssen von dieser ernstgenommen werden.
Da jeder Vorfall einzigartig ist, gibt es nach einem Leitfaden der Antidiskriminierungsstelle keine Verhaltenstipps, die immer anwendbar sind. In der akuten Situation bietet es sich etwa an, die Belästigung sofort anzusprechen. „Man sollte das nicht ignorieren oder auf die lange Bank schieben, sondern gleich deutlich machen: Ich möchte das nicht!”, sagt Langer vom DGB.
Klare Ansagen in drei Schritten
Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) empfiehlt, eine klare Ansage in drei Schritten zu machen:
- Zunächst sollte man laut aussprechen, was gerade passiert ist.
- Dann gilt es zu erklären, was das mit einem macht.
- In einem letzten Schritt sollten sie das Gegenüber auffordern, das Verhalten künftig zu unterlassen. Also etwa so: „Sie haben gerade eine sexuelle Anspielung gemacht. Das verletzt mich. Unterlassen Sie das!”
Arbeitgeber in der Pflicht
Spontan zu reagieren, fällt jedoch nicht allen Betroffenen leicht, weiß Diehl aus Erfahrung. Sie würden von den Belästigungen kalt erwischt und fühlten sich zunächst oft wie gelähmt.
Wer in der akuten Situation nicht reagieren kann, hat auch später das Recht, die Belästigung abzusprechen oder zu melden. Mögliche Kontaktpersonen im Unternehmen sind etwa Gleichstellungsbeauftragte, Betriebs- und Personalräte oder vertrauenswürdige Kollegen.
Insbesondere direkte Vorgesetzte sollten sich laut Diehl um Vorkommnisse kümmern. Viele seien jedoch überfordert und wüssten nicht, wie sie vorgehen sollen.
Übergeordnete Beschwerdestellen
Wer das erlebt, kann sich etwa an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes oder regionale Beratungsstellen wenden. Auch das bundesweite „Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen” bietet Beratung an. Letzteres ist rund um die Uhr unter der Rufnummer 08000 116 016 zu erreichen.
Kommt es immer wieder zu Belästigungen, sollten Betroffene die Vorfälle einzeln und genau protokollieren. Wenn sie mit ihren Beschwerden im Unternehmen nichts erreichen, haben sie nach Paragraf 14 AGG ein Leistungsverweigerungsrecht.
Demnach dürfen sie „als letztes Mittel” der Arbeit fernbleiben und weiterhin das volle Gehalt verlangen, um der Belästigung zu entgehen. Im Zweifelsfall müssen sie aber nachweisen, dass die Leistungsverweigerung gerechtfertigt war und ihr Arbeitgeber nicht angemessen gegen die Belästigung vorgegangen ist. Daher sollte man sich rechtlich beraten lassen.