Busse und Bahnen: Das passiert, wenn Sie bei Streik nicht pünktlich zur Arbeit kommen
Es drohen Gehaltskürzungen oder sogar Abmahnungen. Das müssen Pendler wissen.
Hinter Gittern Streik im öffentlichen Nahverkehr: Hier bei den Berliner Verkehrsbetrieben. © Karriere Foto: imago images / Müller-Stauffenberg
Durch den bundesweiten Warnstreik im Öffentlichen Nahverkehr drohen massive Beeinträchtigungen.
Muss ich trotz Streiks rechtzeitig zur Arbeit kommen? Welche Konsequenzen drohen mir? Und muss ich meinen Chef informieren? Karriere.de gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Darf ich wegen eines Streiks zu spät zur Arbeit kommen?
Nein. Ein Streik ist keine Ausrede; der Arbeitnehmer muss zur Arbeit kommen – und das pünktlich. Grundsätzlich gilt: Allein der Arbeitnehmer ist dafür verantwortlich, rechtzeitig am Arbeitsplatz zu sein. Arbeitsrechtler sprechen vom Wegerisiko.
Das Wegerisiko gilt nicht nur an Streiktagen. Auch bei Naturereignissen wie Schnee, Glatteis, Hochwasser oder Vulkanausbrüchen ist es die Pflicht des Arbeitsnehmers, pünktlich zu sein.
Bin ich verpflichtet auf andere Verkehrsmittel auszuweichen?
Ja. „Arbeitnehmer müssen sich grundsätzlich um eine alternative und zumutbare Reisemöglichkeit bemühen“, sagt Marino Loy, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Düsseldorfer Kanzlei Kapellmann und Partner. Was zumutbar ist, hängt vom Einzelfall ab. Wer sonst mit dem ICE zwischen Frankfurt und Düsseldorf pendelt, also anderthalb Stunden benötigt, dem ist auch eine zweieinhalbstündige Autofahrt zwischen den beiden Städten zumutbar – nicht aber eine Taxifahrt.
Der Umstieg aufs Auto schützt nicht vorm Zuspätkommen. Arbeitnehmer müssen einkalkulieren, dass mehrere Pendler diese Idee haben und es zu Staus kommt. Ihnen bleibt deshalb nicht erspart, zeitiger loszufahren – und früher aufzustehen. Das ist zumutbar.
Der Arbeitnehmer muss übrigens die zusätzlichen Kosten selbst tragen, sofern er mit dem Unternehmen nicht vertraglich etwas anderes festgehalten hat.
Welche Konsequenzen drohen mir, wenn ich zu spät bin?
„Hier gilt der Grundsatz: Ohne Arbeit, kein Lohn“, sagt Arbeitsrechtler Loy. Wer wegen eines Streiks zu spät zur Arbeit kommt, riskiert für die ausgefallene Zeit eine anteilige Kürzung des Gehalts – egal welche Anstrengungen er unternommen hat. Der Arbeitnehmer hat auch keinen gesetzlichen Anspruch darauf, diese Arbeitszeit einfach nachzuholen. In Tarif- oder Betriebsvereinbarungen kann das anders geregelt sein; dann könnte er die verpassten Stunden nacharbeiten.
Bei Angestellten, die nicht im Schichtbetrieb arbeiten, ist die Verspätung weniger problematisch. Wer etwa Gleitzeit hat, kann die Zeit einfach nachholen.
Sollte ich meinen Chef über die Verspätung informieren?
Unbedingt. „Arbeitnehmer haben die Pflicht, ihren Chef rechtzeitig zu unterrichten“, sagt Loy.
Und wenn ich das nicht mache?
Drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen. Im schlimmsten Fall riskieren Arbeitnehmer eine Abmahnung. Kommt ein Arbeitnehmer regelmäßig zu spät, ist auch eine fristlose Kündigung denkbar. In der Praxis dürfte bei einer einmaligen und streikbedingten Verspätung allerdings kaum ein Chef zu harten Rechtsmitteln greifen – es sei denn, es ist für ihn eine willkommene Gelegenheit, langjährige Querulanten loszuwerden.
Macht es einen Unterschied, ob ich wegen eines angekündigten Streiks zu spät komme oder wegen einer plötzlich ausgefallenen Signalanlage?
Bei der Bezahlung nicht. Auch bei unvorhersehbaren Ereignissen gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit, kein Lohn.“ Bei den arbeitsrechtlichen Konsequenzen gibt es allerdings Unterschiede: Wer wegen einer Signalanlage, die unvorhersehbar ausgefallen ist, zu spät kommt und seinen Chef rechtzeitig informiert, wird in der Regel nicht abgemahnt, weil es unverhältnismäßig wäre – schließlich hat er die Verspätung nicht selbst zu verschulden. Bei einem angekündigten Streik hingegen muss sich der Arbeitnehmer, wie beschrieben, rechtzeitig um Alternativen bemühen. Falls nicht, drohen ihm arbeitsrechtliche Probleme.
Kann ich an Streiktagen nicht einfach von zu Hause arbeiten?
„Wenn Arbeitnehmer ohnehin eine Home-Office-Vereinbarung haben, ist das kein Problem, sofern sie ihren Arbeitgeber informieren“, sagt Loy. Bei Streiks sei das auch spontan möglich, zumindest wenn das abgesprochen wird. Schließlich liegt es im eigenen Interesse des Chefs, dass seine Angestellten auch an Streiktagen für ihn arbeiten.
Wie sieht es mit dem Heimweg aus?
Dafür gelten dieselben Regelungen – das Risiko liegt beim Arbeitnehmer. Auch wenn sich die Fahrt nach Hause streikbedingt verlängert, muss der Angestellte am anderen Tag wieder pünktlich da sein.
Durch einen Streik ist mein Geschäftstermin geplatzt. Kann ich die Bahn dafür in Regress nehmen?
Nein, ein Schadenersatzanspruch besteht nicht. Bahnfahrer können sich immerhin die Kosten für ihr Bahnticket erstatten lassen – etwa im DB-Reisezentrum. Die Bahn kann sich, im Gegensatz zu Airlines, nicht auf höhere Gewalt berufen. Das entschied der Europäische Gerichtshof im Herbst 2013.