Zielvorgaben: Top-Headhunter: Das sollten Sie mit 35 im Job erreicht haben
Mit diesen fünf Profilstärken jenseits der klassischen Karriereleiter sind Sie auf der sicheren Seite.
Karriere dank Profilstärke Jenseits der klassischen Karriereleiter gewinnen Fach- und Führungskräfte an Profiltiefe. © Karriere Foto: Johan Godinez on Unsplash
Wer heute ins Berufsleben startet, stellt sich vielleicht die Frage: Was sollte ich bis 35 erreicht haben? Was muss ich können, damit es mit meiner Karriere voran geht? Gary Burnison, Chef der weltgrößten Personalberatung Korn Ferry, weiß die Antworten – und wie sie sich von denen früherer Generationen unterscheiden.
Lange wurde Karriere als Leiter beschrieben, die es Sprosse für Sprosse zu erklimmen gilt. Doch das ist vorbei.
Karrieren verlaufen heute nicht mehr so linear, dass man genau planen könnte: Mit 30 muss mein Job-Titel so lauten, mit 35 mindestens ein ‚Senior‘ davorstehen, damit ich mit spätestens 50 zu den Spitzenmanagern zähle.
Korn-Ferry-Chef Gary Burnison sagt: „Wer weiterhin so vorgeht, wird vermutlich scheitern.“ Denn die Job-Welt werde immer agiler und flexibler. Gerade bauen Unternehmen ihre Hierarchien ab, verteilen Macht und Verantwortung auf Teams und flexibilisieren ihre Abläufe immer stärker. „Das wird deutliche Effekte auf alle Mitarbeiter und eben auch auf ihre Karrieren haben“, ist sich der Top-Headhunter sicher.
Er rät daher, „sich nicht mehr die Sprossen vorzustellen, sondern bis zum 35. Lebensjahr lieber ein relevantes berufliches Profil zu entwickeln, das in der – wie auch immer aussehenden – Job-Welt der Zukunft flexibel einsetzbar ist.“ Die folgenden fünf Punkte sind dafür ausschlaggebend:
1. Entscheiden, ob man führen will oder nicht
Ob jemand Führung mag, lässt sich häufig schon früh feststellen. Wer Klassensprecher wird, einen Verein leitet, in der Hochschule Initiative übernimmt – der könnte auch eine Führungskraft der Zukunft sein. Aber dennoch weiß niemand, wie sich Führung im Kontext eines Unternehmens anfühlt, der das nicht schon einmal gemacht hat. Wie es ist, ein Team zu managen. Wie man damit umgeht, Interessen zwischen Management und Mitarbeiterschaft zu moderieren.
Darum rate ich denjenigen, die sich für eine Führungsposition interessieren:
Probieren Sie es frühzeitig aus. Melden Sie sich: Zunächst für die Koordination einer Aufgabe, dann vielleicht eines Teams, dann vielleicht schon mehr. Wer feststellt, dass ein solcher Job erfüllt, sollte sich weiterentwickeln und das Führungshandwerk weiter lernen. Wer aber für sich feststellt, dass er viel lieber komplexe Aufgaben im Alleingang löst, gern berät oder sich als Teil eines Teams deutlich wohler fühlt als an dessen Spitze: Das ist überhaupt nichts Schlechtes.
Mit 35 sollten Sie unbedingt wissen, welchen Weg Sie wählen wollen: Den als Führungskraft oder den als Spezialist. Bis dahin haben Sie Zeit, beides intensiv auszutesten.
2. Ein robustes Netzwerk aufgebaut haben
Viele Menschen denken, sie hätten kein Netzwerk. Das ist Unsinn: Jeder Nachbar, jeder Mensch in unmittelbarer Umgebung, kann schnell Teil des eigenen Netzwerks werden.
Ich empfehle jungen Menschen heute: Fangen Sie mit dem Knüpfen von Kontakten in alle Richtungen so früh wie möglich an. Beschränken Sie sich auch an der Universität nicht nur auf Kommilitonen. Was ist mit Ihren Professorinnen und Professoren, Ihren Chefs im Praktikum, den Kolleginnen und Kollegen in den oberen Hierarchieebenen, die Sie in Ihren ersten Berufsjahren kennenlernen?
Seien Sie offen, hören Sie zu, denken Sie darüber nach: Wie können Sie anderen Menschen helfen? Und fragen Sie an der richtigen Stelle auch für sich selbst um Hilfe. Sie werden sehen, viele helfen Ihnen gern. Entscheidend ist, dass Ihr Netzwerk mit 35 Jahren nicht ein- sondern mehrdimensional ist: Kontakte in Ihrem Unternehmen, außerhalb. In Ihrer Branche, außerhalb. Auf Ihrer Hierarchieebene, außerhalb. Berücksichtigen Sie gerade auch Dienstleister, die Sie kennenlernen.
So mancher Berater könnte schon wenige Monate später Ihr Chef sein: Behandeln Sie Menschen so, wie Sie behandelt werden möchten. Dann bildet sich Ihr Netzwerk wie von selbst. Und ist genauso wertvoll wie ein finanzielles Polster, wenn Sie mal in Schwierigkeiten geraten – oder sich pro-aktiv verändern wollen.
3. Den eigenen Elevator Pitch draufhaben
Mit 35 Jahren sollten Sie ein Gefühl dafür bekommen haben, was Sie ausmacht. Was Sie interessiert. Was Sie können. Was Sie nicht so gut können. Was Sie bereits gelernt haben. Was Sie noch lernen müssen. Kurzum: Wo Sie beruflich stehen – fachlich wie überfachlich. Und wo Sie gern mit 40 stehen würden.
Diese Positionsbestimmung wird Ihnen helfen, den eigenen ‚Elevator Pitch‘ zu festigen: also die Fähigkeit zu erwerben, sich innerhalb einer Aufzugfahrt (Elevator) überzeugend einem anderen Menschen vorzustellen (Pitch).
Sagen Sie nicht: „Ich bin Vice President bei einem Maschinenbauer und suche einen neuen Job“. Sondern sagen Sie: „Ich bin Führungskraft bei einem Maschinenbauunternehmen, wo ich in den letzten zwei Jahren Produktionsprozesse international angeglichen und digitalisiert habe. Das kam mir sehr zugute, denn fremde Kulturen und damit das Reisen waren schon immer mein Hobby und meine erste Programmierstunde hatte ich mit fünf Jahren mit einem Bausteine-Roboter für Kleinkinder. Ich würde mich freuen, wenn ich vor allem mein Engagement in Südostasien in den nächsten fünf Jahren noch ausbauen könnte.“
Das verrät deutlich mehr über Sie und Ihre Persönlichkeit. Die erste Aussage dagegen ist komplett austauschbar.
4. Mit Stress und Druck umgehen können
Die 30er werden oft auch als die ‚Rush Hour‘ des Lebens bezeichnet – weil alles gleichzeitig passiert und die Zeit zu verfliegen scheint. Karriere, Familie, Haus, Vermögensbildung – es kommt alles zusammen. Und wer nach fünf karriereorientierten Berufsjahren dachte, mehr Stress geht nicht mehr, findet sich plötzlich neben dem Handling von Telefonkonferenzen und Deadlines noch mit der Milchflasche und dem Baby auf dem Schoss nachts um vier Uhr wieder.
Dazu gibt es eigentlich nur zwei Sachen zu sagen. Erstens: Fokussieren. Lernen Sie frühzeitig, Ihre Energie auf die Dinge zu lenken, die wirklich relevant sind. Das wird Ihnen helfen, wenn Sie plötzlich mehr To-Dos haben, als Sie noch selbst übersehen können.
Und zweitens: Halten Sie es aus, indem Sie innerlich ruhig werden. Sie kennen das? Es wächst einem alles über den Kopf, Panik breitet sich aus? Atmen Sie durch, machen Sie eine Pause, sortieren Sie neu. Es gibt viele verschiedene Techniken – physisch wie psychisch – wie Sie lernen können, mit Stress und Druck umzugehen.
Ohne hier eine eigene Methode zu entwickeln, können Sie mit 35 nicht weiter an Ihrer Karriere feilen.
5. Feedback geben und annehmen können
Wie viele Dinge im Leben muss man lernen, Feedback zu geben und annehmen zu können. Ansonsten wird es Ihnen nicht gelingen, all die oben erwähnten Punkte erfolgreich zu bewältigen. Sie brauchen die Meinung anderer, um daran wachsen zu können. Genauso wie Sie fähig sein müssen, auch anderen Menschen Ihre Meinung mitzuteilen – um konstruktive Veränderungen zu bewirken, ohne die falschen Emotionen zu schüren.
In Kürze: Bekommen Sie Feedback, gilt es nicht zu rechtfertigen, sondern auszuhalten. Es ist irrelevant, was Sie eigentlich meinten und wollten. Entscheidend ist, wie es beim anderen angekommen ist. Hören Sie aufmerksam zu, argumentieren Sie nicht, sondern versuchen Sie die Punkte des anderen zu verstehen.
Und nehmen Sie nach reiflicher Abwägung das auf, von dem Sie denken, dass es Ihnen helfen könnte, besser zu werden.
Beim Feedback-Geben achten Sie darauf, niemanden in seiner Persönlichkeit zu beleidigen und damit zu beschädigen. Sie werden damit nur ein Verhalten hervorrufen: Dass jemand – vielleicht sein ganzes Leben – schlecht auf Sie zu sprechen ist. Und er dennoch nicht das macht, was Sie eigentlich wollten.
Wertschätzen Sie Dritte bei Feedback, sprechen Sie kritische Punkte aus der Ich-Perspektive („Ich habe das Gefühl, dass…“) an, vermeiden Sie Vorwürfe, nutzen Sie konstruktive Verbesserungsvorschläge. Und Sie werden sehen: Sie genauso wie Ihr Netzwerk werden daran wachsen.
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