Onboarding: Diese Kardinalfehler begehen fast alle Unternehmen in den ersten 100 Tagen
Sechs Onboarding-Tipps, mit denen Sie neuen Mitarbeitern ein gutes Gefühl vermitteln.
Begrüßen und einarbeiten Neue Kollegen sollen sich wohl fühlen: Arbeiten Sie neue Mitarbeiter ein und beantworten Sie seine Fragen. © Amy Hirschi on Unsplash
Die Zahlen sind Sprengstoff für jedes Talentmanagement. Fast ein Drittel aller aktuell neu eingestellten Mitarbeiter kündigt den Job noch vor dem ersten Tag. Das hat eine Umfrage der Unternehmensgruppe Haufe vor Kurzem ergeben, für die der Weiterbildungsanbieter mehr als 600 Personaler befragt hat.
Die Umfrage macht klar: Die Eingliederung neuer Mitarbeiter, das sogenannte Onboarding, muss schon vor dem ersten Arbeitstag beginnen.
Angesichts der hohen Absprungrate wundert es kaum, dass laut Studie drei von vier Personalern erhebliches Verbesserungspotenzial bei den eigenen Onboarding-Prozessen sehen.
Das Problem: Kaum haben Unternehmen endlich ihren Wunsch-Mitarbeiter gefunden, ist er auch schon wieder weg.
„Die Willkommenskultur lässt in vielen Unternehmen maximal zu wünschen übrig“, sagt Jürgen Zirbik, Businesscoach aus Franken. Gerade in Großunternehmen sei der Ablauf oft zu festgefahren.
„Wenn Unternehmen meinen, dass sie gutes Onboarding betreiben, weil sie irgendwann einmal einen Prozess festgelegt und an die Personalabteilung delegiert haben, machen sie gerade in den ersten Tagen Fehler.“
Die häufigsten Fehler, von denen Zirbik berichtet, sind:
• Es geht los – und nichts ist wirklich geregelt
Effekt beim neuen Mitarbeiter: Keiner interessiert sich wirklich für mich
Viele Unternehmen reagieren nachlässig, wenn jemand Neues anfängt – nach dem Motto: „Morgen kommt die Neue, was braucht sie noch gleich? Und wer kann das eben schnell übernehmen?“
Das Problem laut Zirbik: In vielen Unternehmen fehlten individuelle Onboarding-Prozesse für die unterschiedlichen Mitarbeitertypen und Hierarchieebenen. Das signalisiert maximales Desinteresse.
• Schnell, schnell produktiv werden
Effekt beim neuen Mitarbeiter: Sofortiger Frust wegen Überforderung
Auch wenn man neue Mitarbeiter früh einbinden sollte – überfordern darf man sie nicht. Schon gar nicht am Anfang, wo es schon mal länger dauern kann, bis eine Aufgabe abgearbeitet ist.
„Vielen neuen Mitarbeitern wird zu wenig Zeit gelassen anzukommen, Werkzeuge, Arbeitsabläufe, Kollegen und Kultur kennenzulernen“, sagt Zirbik – „falls überhaupt so etwas wie eine Unternehmenskultur vorhanden ist…“
• Kritik des Neulings abtun
Effekt beim neuen Mitarbeiter: Rückzug und noch mehr Frust
„Geht das nicht etwas langsamer?“ „Man könnte doch die Zugänge vorab verschicken…“ Verbesserungsvorschläge und Kritik von Neuankömmlingen registrieren viele Vorgesetzte höchstens nebenbei.
„Die Haltung ist oftmals: Zeit habe ich dafür so oder so nicht“, sagt Coach Zirbik. Und zuständig scheint auch niemand zu sein. Ein Dilemma – auch für alle nachfolgenden Neulinge.
Der erste Eindruck kommt nie wieder – gut so
Was Coach Zirbik in seiner Beratung beobachtet hat, ist keineswegs traurige Ausnahme. Der E-Recruiting-Anbieter Softgarden hat vor einiger Zeit 2700 Bewerber zu ihren ersten 100 Tagen im neuen Job befragt.
Was einige der Befragten berichten, zeigt, woran es bei der Einführungskultur in Unternehmen am stärksten hapert. Hier ein paar Eindrücke und Fakten:
• Ein Bewerber schildert: „Man sitzt vor dem PC und kann selbst noch nichts machen, weil die Personen, die einen einarbeiten sollen, keine Zeit haben oder die Zugänge noch nicht freigeschaltet sind.“
• Ein anderer Befragter berichtet: „Meistens wird gesagt, dass man eine Einarbeitung erhält, doch Zeit dafür und oder Lust dazu hat in der Regel niemand.“
• Und wieder ein anderer Neuankömmling hat diese Erfahrung gemacht: „Man sitzt die ersten drei Tage ohne große Aufgabe rum, die Kollegen sind beschäftigt und niemand wurde für die Einarbeitung ,abgestellt‘. Man wartet zudem auf die IT, dass der E-Mail-Account und das Telefon eingerichtet werden.“
In der Studie berichtet außerdem jeder Zehnte, dass der Chef ihn nicht bei den Kollegen vorgestellt hat. 43 Prozent der neuen Mitarbeiter haben keinen persönlichen Ansprechpartner unter den Kollegen.
Und bei 57 Prozent der Befragten war der Arbeitsplatz am ersten Tag nicht eingerichtet.
Doch wie ginge es besser? Hier sind sechs Tipps vom Businesscoach, wie gutes Onboarding gelingen kann:
1) Fangen Sie mit einer ehrlichen Haltung an!
„Beschreiben Sie den Job realistisch und ködern Sie nicht mit falschen Versprechungen zur Stellenbeschreibung und zum Arbeitsumfeld“, sagt Zirbik. Ehrlich währt am längsten.
Das können Unternehmen tun:
Beziehen Sie Praktiker und Vorgänger auf der jeweiligen Position in die Aufgabenbeschreibung mit ein. „Hier geht es nicht um Personalmarketing, sondern um realistische Klarheit“, sagt Zirbik.
2) Stellen Sie Kontakt her!
Der künftige Vorgesetzte sollte unbedingt vor dem ersten Tag Kontakt zum Neuen aufnehmen und offene Fragen beantworten.
Das können Unternehmen tun:
Der künftige Vorgesetzte erhält einen Onboarding-Zeit- und Aktionsplan – „und zwar frühzeitig“, mahnt Zirbik. Je nach Position – aber insbesondere bei Führungskräften – ist ein Vorabtreffen sinnvoll, weil man so den Einstieg gemeinsam gestalten kann. „Organisieren Sie ein gemeinsames Mittagessen, gern auch in der betriebseigenen Kantine.“ Gutes Onboarding ist schließlich nicht nur für den Neuen, sondern für die ganze Abteilung wichtig.
3) Stimmen Sie Ihr Team ein!
Nichts ist für alle Beteiligten peinlicher als eine Abteilung, die erst am ersten Tag des Neuankömmlings vom Neuzugang erfährt.
Das können Unternehmen tun:
Wenn die Entscheidung getroffen ist, wer wann kommt, informiert der Chef das ganze Team. Drei Ws sind entscheidend: Wer, ab wann, welche Stelle.
Eine Beispielformulierung könnte lauten:
„Liebes Team, die Verstärkung, die wir uns gewünscht haben, haben wir nun gefunden. Zum 1. März wird Herr Freundlich zu uns stoßen. Er übernimmt die Aufgabe XY und arbeitet eng mit Ihnen Frau A und Ihnen Herr B zusammen. Herr Freundlich hat bereits drei Jahre praktische Erfahrung. Wir freuen uns, dass er sich für unser Unternehmen entschieden hat. Wir werden ihn gemeinsam in unserer Mitte aufnehmen und in den ersten vier bis fünf Wochen einarbeiten und unterstützen. So kann er schnell Teil unseres erfolgreichen Teams werden. Das wird in den ersten Wochen etwas Zeit in Anspruch nehmen. Ich bitte Sie, das ab dem 1. März zu berücksichtigen.“
4) Erstellen Sie ein Starterpaket!
Sehr häufig sind neue Mitarbeiter an ihren ersten Tagen damit beschäftigt IT-Zugänge und Ähnliches zu beschaffen. Das muss nicht sein. Sorgen Sie dafür, dass alle Informations- und Arbeitsmittel am ersten Tag zur Verfügung stehen.
Das können Unternehmen tun:
Arbeitsplatz einrichten (Telefon, PC, Software, Visitenkarten), Schulungsplan erstellen (etwa für spezielle Software), Einführung und Vorstellung (mit Kollegen, Schnittstellenkollegen anderer Abteilungen, Vorgesetzten, Mitarbeitern, Geschäftsführung), Onboarding-Booklet (wichtige Ansprechpartner, Organigramm, Infos zu Unternehmen, Regeln, Abläufe wie Reisekosten, Fahrzeuge, etc.). Informieren Sie die Mitarbeiter des ganzen Unternehmens: Intranet, schwarzes Brett… (Ab heute bei uns: Wer, Bild, Stelle, Statement Mitarbeiter, etc.)
5) Begrüßen Sie den neuen Mitarbeiter persönlich!
Und zwar bitte am ersten und nicht erst am zweiten oder dritten Tag, sorgen Sie auch dafür, dass ihn jemand den Kollegen vorstellt. Je nach Position des Neuen und Größe des Unternehmens machen das Geschäftsführer, Personal- oder Abteilungsleiter.
Das können Unternehmen tun:
Es wirklich ernst nehmen!
6) Suchen Sie Buddies!
Benennen Sie unbedingt einen Kollegen als festen Ansprechpartner für den Neuen.
Das können Unternehmen tun:
Bei gehobenen Führungskräften empfiehlt sich ein Mentor, ein Kollege aus der gleichen Ebene, der in das Umfeld und die Kultur einführt. Ansonsten ist das der Vorgesetzte und/oder ein Fachkollege.