Mein Karrierecoach: Wie kann ich ein neues Jobangebot bei meinem Arbeitgeber nutzen, ohne illoyal zu wirken?
Eine Kommunikationsmanagerin liebt ihren Job, doch die Rahmenbedingungen stimmen für sie nicht. Kann ein neues Jobangebot Bewegungen in die Verhandlungen bringen?
Für karriere.de-User im Einsatz Jahrelange Managementerfahrung zeichnet ihn aus: Henryk Lüderitz ist Business Coach und Führungskräftetrainer. © Karriere Foto (M): PR/karriere.de
Anja J. fragt den Karrierecoach:
Eigentlich bin bei meinem jetzigen Arbeitgeber als Kommunikationsmanagerin im Gesundheitssektor recht zufrieden. Die Jobinhalte sind spannend, und gerade vollziehen sich tiefgreifende Veränderungen im Unternehmen, die ich als Chance auch im Hinblick auf meine Karrieregestaltung sehe. Allerdings habe ich an vielen Stellen – etwa beim Thema Gehalt, flexibles Arbeiten und einer Änderung meines Titels – bisher eher verhaltenes Zögern von meinem Vorgesetzten geerntet.
Aus dieser Situation heraus habe ich vor einer Weile eine Handvoll Bewerbungen verschickt – eher aus Frust über die langsamen Mühlen beim alten Arbeitgeber und um meinen „Marktwert“ zu testen. Daraus ergab sich ein Jobangebot, bei dem ich mein Wunschgehalt bekomme und problemlos einen Tag die Woche von zu Hause aus arbeiten könnte. Die Hierarchieebene würde die gleiche bleiben, also kein Karriereschritt in diesem Sinne.
Mein Wunsch ist es, dieses Jobangebot dem alten Arbeitgeber gegenüber so zu nutzen, dass meine Wünsche erfüllt werden. Denn: Ich mag meinen Job inhaltlich sehr gerne und würde ungern woanders hin, nur weil wir uns nicht auf das Gehalt und feste Homeoffice-Tage einigen können. Wie also schaffe ich es, das neue Jobangebot beim Chef zu platzieren, ohne dass ich illoyal oder ungeduldig wirke?
Henryk Lüderitz antwortet:
Liebe Anja, in Deinem Fall lohnt ein Perspektivwechsel. Warum, ist die Frage, zögert Dein Chef? Meine Vermutung ist, dass seine Reaktion in schlechten Erfahrungen begründet liegt. Viele Arbeitgeber denken bei Gehaltserhöhungen oder neuen Titeln für einzelne Mitarbeiter häufig an jene Fälle, die vom restlichen Team als unfair empfunden wurden. Das ist auch nachvollziehbar. Denn was ein Mitarbeiter bekommt, will schnell das gesamte Team.
Gleichzeitig scheint Deinem Arbeitgeber die langfristige Betrachtung der Situation zu fehlen. Dazu zählen eine höhere Bindungskraft und mehr Zufriedenheit auf Mitarbeiterseite.
Genau diesen „blinden Fleck“ empfehle ich im Gespräch mit Deinem Arbeitgeber zu nutzen. So kannst Du Dir, Deinem Arbeitgeber und auch Deinen Kollegen helfen, eine neue Haltung zu dem Thema Mitarbeiterentwicklung zu entwickeln. Wozu auch gehört, das Thema nicht rein aus monetärer Sicht zu sehen, sondern auch weiche Faktoren einzubeziehen, wie zum Beispiel das Homeoffice oder flexible Arbeitszeiten. Beim Vorgehen empfehle ich vier Schritte.
Schritt 1: Den direkten Vorgesetzten um ein Gespräch bitten
Im ersten Schritt steht die Frage an, mit wem Du überhaupt weitersprechen willst. Häufig sind den direkten Vorgesetzten die Hände gebunden, und sie haben durch operative Tätigkeiten nur wenig Zeit. Gleichzeitig ist es sehr ungeschickt, den direkten Vorgesetzten zu übergehen und direkt mit dem Geschäftsführer zu sprechen.
Daher empfehle ich, Deinem direkten Vorgesetzten gegenüber Deine Enttäuschung anzusprechen und ihn um ein Gespräch (gerne auch zu dritt mit einem Entscheider) zu bitten. Selbstverständlich kannst du Deinen direkten Chef schon darüber informieren, dass du über die Themen Gehalt, Homeoffice, Vertrauenskultur und Mitarbeiterbindung sprechen möchtest.
Schritt 2: Eigene Ziele klar ansprechen
Kommt es im zweiten Schritt dann zum Gespräch, gilt es dort klar Dein Ziel anzusprechen: weiter für den Arbeitgeber arbeiten zu wollen, weil Du dort sehr zufrieden bist. Das solltest Du immer wieder im Gespräch aufgreifen.
Allerdings darfst Du dann auch ganz sachlich davon berichten, welche Reaktionen du in den letzten Monaten erfahren hast und wie sich das für Dich angefühlt hat.
Anschließend kannst Du ganz offen davon berichten, dass Dich Dein Ärger dazu getrieben hat, Dich auf dem Markt umzuschauen. An dieser Stelle kannst Du auch darauf hinweisen, dass diese Erfahrungen auch andere im Team frustrieren können und diese Mitarbeiter eventuell auch über einen Wechsel nachdenken, nur nicht so offen mit ihren Gedanken umgehen wie Du. Dein Arbeitgeber wird sicher froh sein, dass Du zu ihm gekommen bist, statt einfach weiterzuziehen.
Schritt 3: Den Arbeitgeber um seine Perspektive bitten
Betone im Gespräch ruhig mehrfach, dass Du sehr zufrieden und loyal bist und gerne an Deinem Arbeitgeber festhalten möchtest. Danach kommt ein wichtiger Knackpunkt im Gespräch. Es kann taktisch sehr klug sein, den Chef zu fragen, wie er den Sachverhalt sieht. Gib ihm ruhig die Gelegenheit, seinen Standpunkt zu erklären. Vielleicht bekommst Du dadurch noch weitere Hintergründe, die seine Entscheidungen etwa gegen das Homeoffice erklären.
Mit etwas Offenheit, Ehrlichkeit und Überzeugungskraft schaffst Du es vielleicht, Deine Chefs zum Nachdenken zu bewegen. Und im besten Falle entstehen sogar konkrete positive Veränderungen für Dich und andere.
Schritt 4: Sich selbst eine zeitliche Grenze setzen
Schlussendlich musst Du für Dich aber eine zeitliche Grenze definieren, die du Deinem Arbeitgeber gibst, um bei Deinen Wünschen eine Lösung zu schaffen. Behalte diese Grenze aber lieber für Dich, sonst wirkt es schnell wie ein Erpressungsversuch.
Dennoch: Loyalität bei Karrierefragen sollte dort eine Grenze haben, wo die persönliche Zufriedenheit deutlich leidet. Und wie Du richtig sagst, kann es ja auch nicht sein, dass bei Themen, die andere Arbeitgeber beherrschen, kein Fortschritt beim jetzigen Arbeitgeber möglich ist.
Von diesem Karrierecoach kam diesmal die Antwort
Henryk Lüderitz arbeitet als Führungskräftetrainer in Düsseldorf. Der ehemalige Vodafone-Manager gibt seit 2012 seine Erfahrungen als Business-Coach und Management-Trainer an Young Professionals weiter. Lüderitz ist Xing-Insider und Gründer des Online-Karriere-Magazins „The Young Professional“. Zum gleichnamigen Podcast geht es hier.
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