Mein Karrierecoach: Was soll ich tun, wenn ich wegen Corona bald pleitegehe?
Durchhalten, einen neuen Alltag etablieren, positiv denken – das rät unser Experte.
Für karriere.de-User im Einsatz Forscht über beruflichen Stress: Arbeits- und Organisationspsychologe Hannes Zacher © Karriere Foto: Swen Reichhold/Universität Leipzig
Christine M. fragt den Karrierecoach:
Ich bin Sprachheilpädagogin und Co-Inhaberin einer Praxis bei Köln. Bei uns trudelt eine Absage nach der anderen ein, nur noch wenige Patienten setzen ihre Therapie fort. Von einem geregelten Alltag kann keine Rede sein: Immer wenn ich glaube, wir hätten einen Plan, ändert sich die Lage und wirft alles über Bord.
Die finanzielle Situation belastet mich: Für meine Mitarbeiter habe ich Kurzarbeit beantragt. Das ist kein schönes Gefühl, doch damit kann ich einen Teil der Kosten decken. Keine Ahnung, wie lange wir noch durchhalten, aber es wird eine Lösung geben. Diese Einstellung mag naiv sein, aber doch besser, als sich völlig verrückt zu machen.
Was mich positiv stimmt: der Austausch mit den Kolleginnen. In unserem Beruf arbeitet man eigentlich viel allein. Derzeit versuchen wir, uns gegenseitig zu entlasten. Davon wird das Team hoffentlich auch noch nach der Krise zehren.
Ich frage mich: Wie soll ich mit meinen Existenzängsten umgehen?
Hannes Zacher antwortet:
Dass Selbstständige in der aktuellen Pandemie Existenzängste haben, ist völlig normal. Frau Müller sollte ihre Ängste nicht völlig unterdrücken, sondern sich der Situation aktiv stellen – auch wenn es verdammt schwierig sein mag.
Sie kann sich selbst beruhigen und eine gewisse Kontrolle zurückgewinnen, indem sie versucht, einen neuen Alltag zu etablieren. Denn niemand kann wochenlang in einem Ausnahmezustand voller Angst arbeiten.
Nicht unnötig verrückt machen
Ich rate Frau Müller dazu, sehr wohl auf den Newsticker zu schauen, damit sie die Bedrohungen der Krise und die möglichen Auswege besser einschätzen kann. Um sich nicht unnötig verrückt zu machen, sollte sie das aber nur in begrenzten Zeitfenstern machen, zum Beispiel jeden Morgen. Über den restlichen Tag sollte sie eine gewisse Routine entwickeln und – soweit wie möglich – eine Normalität etablieren.
Chancen in der Krise sehen
Richtig ist, dass Frau Müller auch positive Aspekte in der Krise sucht, so wie sie zum Beispiel den neuen Teamgeist hervorhebt. Es ist alles andere als naiv, sondern sehr wichtig, über die Chancen der Krise nachzudenken. Wer während der Pandemie auch optimistische Aspekte sieht, kommt gesünder durch diese Zeit – sofern der Optimismus auf realen Fakten basiert. Eine positiv-realistische Einstellung hilft, sich zu motivieren und neue Pläne zu schmieden.
Vorsicht vor dem Selbstbetrug
Wer allerdings fantasiert, dass alles schon gut werde, betrügt sich selbst – und das ist auf Dauer ungesund.
Es ist derzeit sinnvoll, in kleinen Schritten zu denken, aber niemand darf der Illusion verfallen, dass von heute auf morgen alles wieder wie früher ist. Die Krise wird die Arbeitswelt nachhaltig verändern.
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