Das sollten Sie tun, wenn ein Mitarbeiter weint – 10 Tipps für den Ernstfall
Bricht ein Mitarbeiter vor seinem Chef in Tränen aus, ist das eine heikle Situation, die viel Fingerspitzengefühl verlangt. Doch wie reagiert die Führungskraft richtig? karriere.de zeigt die besten Auswege.
Lediglich betreten wegzublicken oder ein Taschentuch anzureichen, ist für eine Führungskraft definitiv zu wenig. Christoph Theile, der sich als Business Coach auf den Umgang mit Gefühlen am Arbeitsplatz spezialisiert hat, sagt: „Tränen sind keine Schwäche, sondern nur Ausdruck intensiver Emotionen.“
Er rät: „Sehen Sie es grundsätzlich erst mal positiv, wenn Ihr Mitarbeiter weint – und nicht sofort aus Scham über seinen Gefühlsaubruch in der nächsten Toilette verschwindet. Denn dann haben Sie als Vorgesetzter schon eine Menge richtig gemacht.“
Trainer Theile begründet das so: Wer Emotionen, egal welcher Art, am Arbeitsplatz dauerhaft unterdrückt, wird krank und demotiviert. Entsprechend ist eine Atmosphäre, in der auch mal Tränen offen fließen können, eine gute. Und dann rät der Coach für emotionale Intelligenz Führungskräften, sich auf den gefühlsmäßigen Ausnahmezustand vorzubereiten:
Voraussetzung 1: Die Ursachen der Tränen verstehen
Zunächst ist die Frage wichtig, welche Ursache der Gefühlsausbruch eines Mitarbeiters hat. „Wir glauben immer, dass Tränen etwas mit Trauer zu tun haben. Aber da unterliegen wir einem Irrtum“, sagt Theile.
Tränen können aus allen sieben Basisemotionen, über die der Mensch verfügt, resultieren: Trauer, Furcht, Zorn, Freude, Erstaunen, Verachtung und Ekel. Jede dieser Emotionen haben wir aus einem guten Grund, denn sie verfolgen ein bestimmtes Ziel: Furcht führt etwa zu erhöhter Aufmerksamkeit, Zorn zu Entschlossenheit, etwas anzupacken.
Auch an ihrem Arbeitsplatz, an dem die Mitarbeiter viel Zeit verbringen, sind sie emotional involviert: Sie kämpfen für Projekte, ärgern sich über Misserfolge, den Chef oder Kollegen, freuen sich über mehr Verantwortung und haben auch mal Angst vor Veränderungen oder fühlen sich unfair behandelt und sind darüber wütend. Erst wenn der Chef versteht, welche Ursache die Tränen seines Mitarbeiters haben, kann er angemessen reagieren.
Voraussetzung 2: Der eigenen Verunsicherung entgegenwirken
Die meisten Führungskräfte sind hingegen mit Tränen überfordert. Wie kommt das?
Warum tun sie sich so schwer mit dieser Situation? Dafür sieht Theile zwei Gründe: „Zum einen wecken Tränen in uns das spontane Bedürfnis zu trösten.“ Damit, so der Eindruck des Chefs, werden jedoch seine hierarchische Position und seine Führungsrolle ausgehebelt.
Zum anderen fühlen sich Führungskräfte ohnmächtig der Situation ausgeliefert. Sie wissen nicht, ob die Tränen echt oder gespielt sind, ob sie gerade manipuliert werden oder ob sie jetzt empathisch, distanziert, rücksichtsvoll oder energisch sein sollten. Durch seine eigene Irritation verliert der Vorgesetzte jedoch den Kontakt zum weinenden Gegenüber.
Statt sich verunsichern zu lassen, empfiehlt Experte Theile einer Führungskraft: „Schaffen Sie in sich selbst die optimalen Bedingungen für aktives Zuhören.“ In den perfekten Modus dafür kommt man, wenn man innerlich die Emotionen Freude und Furcht aufbaut.
Voraussetzung 3: Die optimale Basis für ein Mitarbeitergespräch schaffen
Warum gerade diese? Freude verfolgt das Ziel anzukommen, in Ruhe Dankbarkeit zu erfahren. Furcht wiederum strebt nach Sicherheit, sie versorgt uns mit erhöhter Aufmerksamkeit, um potenzielle Gefahren zu vermeiden.
EQ-Trainer Theile sagt: „Durch Freude und Furcht bekommen wir deshalb eine große innere Ruhe und gleichzeitig vollständige Konzentration auf unser Gegenüber. Auf diese Weise erzielen wir ein sehr intensives Gespräch, bei dem der Gesprächspartner unser Interesse spürt. Das Gespräch verläuft mit Sicherheit erfolgreicher als mit unbewusster Emotionalität, die sogar kontraproduktiv wirken kann.“
Die 10 besten Tipps für den Ernstfall
So geht ein Vorgesetzter souverän mit Tränen seiner Mitarbeiter um:
1. Sorgen Sie für die richtigen Rahmenbedingungen:
Schaffen Sie eine Atmosphäre der Ruhe, schließen Sie zum Beispiel die Tür, um sich und den weinenden Kollegen abzuschirmen.
2. Sprechen Sie die Situation so an, dass sich der weinende Mitarbeiter abgeholt und verstanden fühlt:
Möglich wäre ein Satz wie dieser: „Ich sehe, Sie sind sehr aufgewühlt, was ist denn los?“ Denn es gilt der Grundsatz: Vertrauen folgt dem Verstehen. Wenn sich ein Mitarbeiter, der in Tränen aufgelöst ist, verstanden fühlt, dann kann er mit Ihnen auf Augenhöhe darüber reden, was ihn so sehr bewegt.
3. Nehmen Sie sich Zeit für das Gespräch, vor allem wenn Sie tiefer in das Problem des Mitarbeiters einsteigen:
Nichts zerstört Vertrauen mehr, als wenn sich Ihr Mitarbeiter Ihnen weiter öffnet und Sie plötzlich in das nächste Meeting sprinten. Stellen Sie sicher, dass Sie Zeit haben. Wenn Sie einen nicht verschiebbaren Termin haben, teilen Sie das direkt mit und vereinbaren einen neuen Gesprächstermin.
4. Unterbrechen Sie den Mitarbeiter nicht:
Lassen Sie ihn sich das von der Seele reden, was ihn beschäftigt.
5. Lassen Sie sich nicht anmerken, dass Sie irgendetwas be- oder verurteilen:
Hören Sie einfach zu und bewerten Sie nichts – egal, was Sie von den Problemen Ihres Mitarbeiters halten:
6. Signalisieren Sie Verständnis:
Sagen Sie zum Beispiel: „Ich kann verstehen, dass Sie das verletzt hat“.
7. Bohren Sie nicht an Punkten nach, bei denen Sie den Eindruck haben, er möchte nicht weiter ins Detail gehen:
Machen sie stattdessen Angebote – etwa mit etwas Abstand noch mal miteinander zu sprechen.
8. Versuchen Sie nicht, gleich Lösungen anzubieten:
Nehmen Sie das Thema erst einmal auf, machen sich in Ruhe Gedanken und kommen dann in einem zweiten, vielleicht ruhigeren Gespräch mit Vorschlägen auf den Mitarbeiter zu.
9. Beenden Sie das Gespräch erst, wenn sich der Mitarbeiter beruhigt hat:
Stellen Sie sicher, dass er nicht aufgelöst ihr Büro verlässt und schon gar nicht gleich im Anschluss ins Auto steigt. Die Unfallgefahr ist zu groß.
10. Checken Sie kurz, dass Ihr Mitarbeiter nicht mehr verweint aussieht, wenn er geht:
Wahrscheinlich möchte Ihr Mitarbeiter nicht, dass Kollegen über seinen Gefühlsausbruch Bescheid wissen.