Vom Profisport lernen: Dieser Hockeyspieler macht jetzt Karriere im Fußball-Management

Für Krisenzeiten gerüstet: Oskar Deecke war Olympiasieger im Feldhockey, wechselte dann in die Geschäftswelt. Mentale Lehren aus der Welt des Sports.

Michael Scheppe | 17.11.2024
Bei Olympia in Rio 2016 mit einer Bronzemedaille erfolgreich, hat Oskar Deecke seine Sporterfahrungen anschließend ins Management umgemünzt.

Ausgezeichneter Sportler Bei Olympia in Rio 2016 mit einer Bronzemedaille erfolgreich, hat Oskar Deecke seine Sporterfahrungen anschließend ins Management umgemünzt. © Karriere Foto: Privat

Meeting statt Wettkampf, Arbeitskollegen statt Fans, Gehaltserhöhung statt Goldmedaille: Oskar Deecke musste schnell feststellen, dass es im Büro ganz anders läuft als auf dem Feld. „Leidenschaft spielt im Sport eine große Rolle, in der Arbeitswelt hingegen geht es weniger emotional zu.“

Das war Deecke jahrelang anders gewohnt: In seiner ersten Karriere war er Hockeyspieler – und schaffte es bis ganz nach oben: Er gewann olympisches Bronze und Gold, dazu kommen etliche Erfolge bei Weltmeister- und Europameisterschaften.

Sein letztes Spiel machte Deecke im Sommer 2016. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete er bereits bei ThyssenKrupp als Trainee in der Kommunikationsabteilung. Neben der Arbeit absolvierte er seinerzeit jede Woche ein Dutzend Trainingseinheiten und Spiele.

Auch wenn er heute nicht mehr diese Doppelbelastung hat: Pünktlich Feierabend macht der 34-Jährige selten. „Ich habe jeden Tag den Anspruch sehr gute Arbeit zu leisten und besser zu werden – so wie im Sport. Dafür ist eine Extra-Meile notwendig.“

Disziplin, Engagement, mentale Stärke

Ehemalige Profisportler wie Deecke sind ein besonderer Typus Angestellter. Gerade in Krisenzeiten bringen frühere Topathleten Attribute mit, die für Unternehmen sehr wertvoll sein können. Denn verglichen mit Fachkräften sind ehemalige Spitzensportler nicht nur überdurchschnittlich engagiert und diszipliniert.

„Sie haben sich durch den Sport auch eine enorme mentale Stärke angeeignet“, sagt Sascha L. Schmidt, Professor für Sport und Management an der Wirtschaftshochschule WHU. Athleten seien es gewohnt, „den Wettkampf durchzuziehen, auch wenn nicht alles nach Plan läuft“. Davon könnten Arbeitgeber in der Krise profitieren.

Dabei hätten die meisten Personaler ehemalige Leistungssportler noch zu wenig im Blick, sagt Irg Torben Bührer, der mit seiner Agentur Patparius frühere Sportler bei ihrer zweiten Karriere begleitet.

Dass Athleten auch in der Geschäftswelt Überdurchschnittliches leisten können, spiegelt sich auf dem Gehaltszettel wider. Berechnungen der Universitäten Düsseldorf und Hamburg zufolge verdienen ehemalige Profisportler verglichen mit ihren „normalen“ Kollegen bis zu 780 Euro netto mehr im Monat.

Doch sind frühere Sportler die besseren Angestellten? Von solchen Debatten hält Michael Groß wenig. Der 56-Jährige war selbst Profisportler, zählt zu den erfolgreichsten Schwimmern der Welt. Heute arbeitet er als selbstständiger Unternehmensberater und als Dozent an der Universität Frankfurt.

„Athleten haben durch den Sport sicher einige mentale Fähigkeiten erlernt, die im Berufsleben nützlich sein können.“ Doch mehr als ein Fundament sei das nicht. „Darauf müssen Sportler eine solide Ausbildung aufsetzen, wenn sie in der Wirtschaft erfolgreich sein wollen.“

Oskar Deecke hat sich nie darauf verlassen, dass seine berufliche Karriere ein Selbstläufer wird. Er studierte Sportmanagement an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Doch bei den ersten Bewerbungen musste er feststellen, dass ihm seine Urkunden und Medaillen auf dem Arbeitsmarkt herzlich wenig nützen. Denn wer über Jahre trainiert, findet kaum Zeit für das, was Personaler suchen: Berufserfahrung, Praktika, Auslandsaufenthalte.

„Auch wenn ich viele Wettkämpfe gemacht habe – die größte Konkurrenz habe ich auf dem Arbeitsmarkt festgestellt“, sagt Deecke. Über Kontakte ist er schließlich zu ThyssenKrupp gekommen. Geholfen haben ihm die Deutsche Sporthilfe und Coachings der Sportlerberatung Patparius – damals wie heute. „Ich kann mich glücklich schätzen, sehr gute Mentoren zu haben.“

Deecke ist kein Einzelfall. WHU-Ökonom Schmidt beobachtet, dass viele Ex-Sportler ohne Förderprogramme beim Übergang in die Wirtschaft häufig „durchs Raster fallen würden“.

Spezielle Bewerbungen für Top-Atlethen

Einige Firmen, darunter die Telekom, die Deutsche Post oder Daimler, haben in Zusammenarbeit mit der Sporthilfe deshalb ihr Recruiting geändert und Kennwort-Bewerbungen eingeführt.

Mit einem Passwort können sich frühere Sportler über ein eigenes Karriereportal bewerben, in dem der Algorithmus Lebensläufe mit wenig Berufserfahrung nicht gleich aussortiert.

In der Arbeitswelt haben Deecke seine Erfahrungen aus dem Sportlerleben durchaus geholfen. „Ich habe auf dem Feld gelernt, unter hitzigen Bedingungen rationale Entscheidungen zu treffen.“

Auch bei stressigen Entscheidungen im Büro kann er deshalb einen kühlen Kopf bewahren. Und – egal wie aussichtslos die Situation ist: „Durch den Sport ist mir klar geworden, dass man aus Krisen und Niederlagen nur lernen und gewinnen kann“, erzählt Deecke. Sein Optimismus geht mitunter so weit, dass seine Arbeitskollegen schonmal genervt die Augen rollen.

Großer Sprung in die Unternehmenswelt

Sportberater Bührer beobachtet, dass frühere Athleten mit ihrem ausgeprägten Lernwillen bei Kollegen und Vorgesetzten anecken können: „Führungskräfte müssen die ersten Monate auch als Investment sehen, bevor Sportler ihr Potenzial entfalten können.“

Ewald Manz, Partner bei der Personalberatung Odgers Berndtson und spezialisiert auf den Bereich Sport, empfiehlt Unternehmen für ehemalige Spitzensportler einen Mentor abzustellen, der diese gerade in der Anfangszeit betreut. „Der Sprung ist die Unternehmenswelt ist durchaus ein großer.“

Nach sechs Jahren bei ThyssenKrupp forciert Deecke wieder die Rückkehr in die Sportswelt. Nach einem zweimonatigen Praktikum beim Fußball-Zweitligisten Fortuna Düsseldorf wird Decke im November seinen neuen Job als Referent des Marketingvorstands antreten. Gleichzeitig will er sich an der Universität St. Gallen zum Thema Sportmanagement weiterbilden.

„Der Sportkontext hat mir in den vergangenen Jahren gefehlt“, sagt der frühere Hockeyspieler. „Alles was mit Sport zu tun hat, macht mir mehr Spaß – und meine Arbeit noch besser.“

Mehr: Früher Sportler, heute Chef: Wie Manager von ihrer Sportlerkarriere profitieren