„Da ist Einfühlungsvermögen gefragt“
Der Wirtschaftsethiker Prof. Thomas Beschorner der Universität St. Gallen über soziales Engagement im Namen der Firma.
Unternehmen legen in Sachen soziales Engagement Mitmachprogramme für Mitarbeiter auf. Was halten Sie davon?
Zyniker meinen, das ist wie Teenager-Sex: Alle sagen, sie tun es, aber nur die wenigsten machen es wirklich. Und die, die es tun, machen es eher schlecht. Faktisch ist es differenzierter. Wir finden in der Praxis durchaus interessante Herangehensweisen, aber es gibt noch deutlich Luft nach oben.
Was ist Ihre Hauptkritik?
Es reicht mir nicht, wenn ein Unternehmen Mitarbeiter einmal im Jahr etwa in Schulen schickt, um dort die Wände zu streichen – das hat keinerlei Lerneffekt.
Wie wäre es besser?
Nachhaltiger wäre es, wenn aus dem Anstreichauftrag ein Projekt wird. Also, die Manager zusammen etwa mit Hauptschülern die Wände ausmessen, die Fläche berechnen und ermitteln, wie viel Farbe benötigt wird. Das hätte einen doppelten Effekt: Die Schüler sind eingebunden und lernen praxisnah.
Und die Mitarbeiter kommen mit Menschen zusammen, auf die sie vielleicht sonst nie treffen. Sie müssen anders kommunizieren als gewohnt, damit das Projekt ein Erfolg wird. So ergibt sich für sie eine neue Perspektive.
Warum ist das wichtig?
Weil so Hoffnung besteht, dass Mitarbeiter neue Sichtweisen in ihr Unternehmen einbringen und vielleicht sogar besser mit Kollegen oder Kunden umgehen. Es geht insgesamt darum, für Probleme in der Gesellschaft zu sensibilisieren und Verantwortungsübernahme ein Stück weit einzuüben.
Heiligt der gute Zweck jedes Mittel?
Nein. Um nutzbringend zu sein, sollte die Frage „Hat das soziale Engagement etwas mit unserem Kerngeschäft zu tun?“ immer mit „Ja“ beantwortet werden. Engagieren sich Banker in der Schuldnerberatung, macht das mehr Sinn, als wenn sie den Wald säubern.
„Social Sabbaticals“ sind beliebt. Ist es sinnvoll, hochbezahlte Manager für einige Wochen auf Firmenkosten in Entwicklungsländer zu bringen, damit sie dort Alltagsprobleme lösen?
Das kommt darauf an. Bei solchen Projekten steht für den Arbeitgeber die Personalentwicklung im Vordergrund. Auch hier geht es um neue Erfahrungen für Manager, die ihren Horizont erweitern. Natürlich muss geprüft werden, was zeitlich und finanziell Sinn macht.
Und nicht zuletzt ist solch ein Unterstützungsangebot oft schwierig für die Menschen in Entwicklungsländern. Es gibt große Vorbehalte nach dem Motto „Da kommt der reiche Europäer im Anzug und will uns sagen, wo’s langgeht“. Da ist großes Einfühlungsvermögen gefragt.