Personalchefs: Warum ein Ex-Nationalspieler als Personalchef der Deutschen Bank gar nicht so ungewöhnlich ist
Gerade im Personalressort gibt es einige Quereinsteiger-Biografien, wie ein Lebenslauf-Check der Dax-Vorstände zeigt.
Sympathieträger aus der Welt des Sports Michael Ilgner war im Nationalteam der Wasserballer, bevor er seine Management-Karriere begann. Jetzt startet er als Personalvorstand bei der Deutschen Bank. © Karriere Foto: Deutsche Sporthilfe
Ein Wasserballer als Personalchef der Deutschen Bank? Diese Ankündigung sorgte für Aufsehen. Zum 1. März wird Michael Ilgner Generalbevollmächtigter beim größten deutschen Finanzinstitut. Sobald die Aufsichtsbehörden grünes Licht geben, soll er in den Vorstand aufrücken. Der 48-Jährige war nie zuvor als Banker tätig.
Dafür weiß der promovierte Wirtschaftsingenieur als ehemaliger Kapitän der Wasserball-Nationalmannschaft und langjähriger Geschäftsführer der Deutschen Sporthilfe, wie man Menschen zu Leistung motiviert und als Team zusammenspielt. Eigenschaften, die in dem von Skandalen und schlechten Zahlen gebeutelten Finanzinstitut dringend gefragt sein dürften.
Ilgner ist bei Weitem nicht der einzige Vorstand im Dax, der keine klassische Kaminkarriere hinter sich hat. Galt das Kronprinzen-Prinzip bis vor einiger Zeit als absoluter Standard, um in Deutschlands größten Konzernen zu reüssieren, häufen sich gerade im Personalressort auch ungewöhnliche Vorstandsbiografien.
Die Personalberatung Heidrick & Struggles hat die Lebensläufe der 30 Dax-Personalchefs analysiert und festgestellt: Der Aufbau eines unternehmensinternen Nachfolgers für eine Spitzenposition scheint auf der Position des CHRO immer seltener. Stattdessen häufen sich Quereinsteiger-Biografien.
Gute Skills für Personalchefs: Mathe, Jura, Basketball
So berief die Allianz zum 1. Januar Renate Wagner zur neuen Personalvorständin. Die 45-jährige Mathematikerin stammt aus Rumänin. Als Pastorentochter und Angehörige der deutschen Minderheit wuchs sie mit den Repressalien der kommunistischen Diktatur auf, machte später in Schottland ihren Master-Abschluss in Business Administration und arbeitete zunächst für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in München als Beraterin, bevor sie in die Versicherungswirtschaft zum Zurich-Konzern wechselte.
Ebenfalls zum Jahresbeginn beförderte die Lufthansa Michael Niggemann, 45, zum Personal- und Rechtsvorstand. Der promovierte Jurist war zuvor unter anderem für die Wirtschaftskanzlei Hengeler Mueller tätig und verbrachte viele Jahre seiner Ausbildung und seines Berufslebens im Ausland.
Bereits vor vier Monaten holte der Chemiekonzern Covestro mit Sophie von Saldern, 46, eine ehemalige Basketballnationalspielerin als neuen „Head of People and Culture“, um Veränderungsprozesse beim Chemiekonzern anzustoßen. Die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin mit Schwerpunkt Arbeitspsychologie leitete zuvor bei Fahrzeughersteller MAN die Personalentwicklung, war dann kurzeitig Vorstand der Bildungsakademie des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), bevor sie als Personalchefin zu den Kölner Verkehrs-Betrieben wechselte.
An der Personalfront: Manager mit moderner Sprache
Claudia Schneider von Heidrick & Struggles, die die Lebensläufe der Personalvorstände analysiert hat, fasst ihre Erkenntnisse so zusammen: „Personalchefs werden insgesamt jünger und weiblicher.“
Mit durchschnittlich 52,9 Jahren sind Deutschlands CHROs fünf Monate jünger als das durchschnittliche Dax-Vorstandsmitglied. Und keine andere Funktion in der Chefetage der größten deutschen Unternehmen erreicht eine vergleichbar hohe Frauenquote: Mit 11 von 30 Personalchefs sind über ein Drittel der derzeitigen Amtsinhaber weiblich.
Als Grund, warum die Unternehmen auf junge Quereinsteiger auf der Personalchef-Position setzen, nennt Headhunter Schneider die digitale Transformation sowie ein verändertes Karriere-Bewusstsein der jüngeren Generationen.
„Auch die großen Konzerne, die früher nie Probleme hatten, ausreichend gut ausgebildete Leute anzuziehen, wissen heute, dass das Finden und Binden der Besten kein Selbstläufer mehr ist“ sagt Schneider.
Entsprechend würden Manager, die „auch eine moderne Sprache“ sprächen, an die Personalfront geschickt.
Hohe Erwartungen: Sympathieträger mit Beratungserfahrung
Ein Paradebeispiel dafür scheint der neue Deutsche-Bank-Manager Ilgner. Der frühere Spitzenathlet und bisherige Sportfunktionär wirkt unter den Bankmanagern mit ihren Millionen-Boni erfrischend bescheiden und integer.
Doch kann der Sympathieträger aus der Welt des Sports, der in den letzten zehn Jahren als Stiftungs-Chef vorwiegend mit ehrenamtlichen Vereinsvertretern und hilfsbedürftigen Sportlern zu tun hatte, tatsächlich beim größten deutschen Geldinstitut aufräumen? Immerhin muss der Konzernumbau weltweit weiter vorangetrieben werden. Und etwa 13.000 von derzeit rund 87.000 Mitarbeitern sollen gehen.
Da helfen dem früheren Top-Athleten seine Erfahrungen beim US-Beratungsunternehmen Booz Allen Hamilton, die er vor seiner Zeit bei der Sporthilfe sammelte. Dort leitete er unter anderem auf Beraterseite das europäische Restrukturierungsprogramm für einen Automobilzulieferer.
Neue Impulse: Wirkungskraft durch Distanz
„Top-Führungskräfte mit professioneller Distanz zur Binnenorganisation von außen zu holen, kann sinnvoll sein, wenn es darum geht, grundlegend neue Impulse in eine Organisation zu tragen“, sagt Tiemo Kracht, Inhaber der Personalberatung Board Connect. Allerdings, fehle externen Kräften die sogenannte Hausmacht, „also die produktive interne Vernetzung und die Kenntnis der informellen Strukturen, um rasch Wirkungskraft zu erzeugen“, sagt Kracht im Rückblick auf frühere Quereinsteiger-Fälle.
Dazu zählen zum Beispiel die beiden Ex-Personalvorständinnen Marion Schick bei der Deutschen Telekom oder Elke Strathmann von Continental. Schick, zuvor jahrelang erfolgreich als erste Präsidentin an einer bayerischen Hochschule aktiv, bemühte sich zwei Jahre lang im ehemaligen Staatskonzern in Bonn um den Wandel, bevor sie hinschmiss.
Mathematikerin Strathmann, zuvor Personalchefin in der Konsumgüterbranche bei Nestlé und Unilever, verließ den Hannoveraner Reifenhersteller ebenfalls nach zwei Jahren. Es fehlte offenbar an Rückhalt für ihre Reformpläne.
Treiber des Kulturwandels: „Wie von einem anderen Planeten“
Ob Mitarbeiter, Aktionäre oder Medien, bei einer börsennotierten Kapitalgesellschaft stehen die Verantwortlichen zudem extrem im Rampenlicht. Kracht: „Da reicht es nicht, ein versierter Professional in Personalfragen zu sein, sondern da muss sich ein Vorstand auch taktisch klug, vorausschauend und auf vielen Ebenen kommunikativ souverän zu bewegen wissen.“ Bis Bank-Neuling Ilgner in den Vorstand der Deutschen Bank aufrücken darf, wird Fabrizio Campelli im obersten Führungsgremium die Rolle des Arbeitsdirektors innehaben.
Klaus Hansen, Partner der Personalberatung Odgers Berndtson, sagt: „Michael Ilgner ist nicht nur branchenfremd, er kommt quasi von einem anderen Planeten. Gerade deshalb aber kann er zum Treiber des Kulturwandels in der Bank werden. Quereinsteiger wie er brauchen dazu jedoch die uneingeschränkte Unterstützung vom Aufsichtsrat, Vorstand und ihrem eigenen Team in denjenigen Belangen, in denen ihnen anfangs die Erfahrung fehlt und besonders dann, wenn sich der erste Widerstand regt.“
Denn die Beharrungskräfte in der Bank sind bekanntermaßen besonders groß.
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