Psychopathen in der Chefetage

Verrückte Chefs sind oft kreativ und kommunikativ, aber Arroganz und Größenwahn führen eines Tages ins Verderben. Die fünf Typen der Psycho-Chefs.

Daniel Rettig, wiwo.de | 02.12.2024

Der Narziss

Vorsicht: Ihm werden Sie auf der Chefetage besonders häufig begegnen – denn ein Narziss ist für eine Führungslaufbahn geradezu prädestiniert. Mehr noch: Der niederländische Psychoanalytiker Manfred Kets de Vries glaubt, dass eine Managementposition ohne eine gehörige Portion Narzissmus kaum erreicht werden kann. Dieser Typ will unbedingt aus der Menge herausragen, er strebt nach Macht und Prestige.

Solange sich dies im Rahmen hält, ist das nicht weiter schlimm. Doch der Grat zum sogenannten reaktiven Narzissmus ist schmal. Einerseits lieben sich solche Charaktere selbst am meisten und neigen zu Arroganz und Selbstgefälligkeit. Deren Lieblingswort? Ich! Einfühlungsvermögen und Mitgefühl sind ihnen fremd. Andererseits leiden sie unter Minderwertigkeitsgefühlen, die sie durch Anerkennung kompensieren wollen.

Daher sollten Sie seine vermeintliche Großartigkeit nie infrage stellen – selbst auf konstruktive Kritik reagieren Narzissten mit Wut und Scham. Sie müssen darauf vorbereitet sein, für ihn die dreckige Detailarbeit zu erledigen, denn dafür ist er sich zu schade. Rechnen Sie aber damit, dass er die Lorbeeren für Ihre Ideen und Überstunden einheimst.

Die gute Nachricht: Die meisten Narzissten fallen schnell auf. Im Optimalfall bemerken deren eigene Vorgesetzte früher oder später, wer die Arbeit erledigt – und die Karriere Ihres Chefs ist gestoppt.

Der Größenwahnsinnige

Eine Prise Kreativität und visionäres Denken hat noch niemandem geschadet, gesundes Selbstbewusstsein auch nicht. Bei diesem Typ ist das Ganze jedoch umgeschlagen: in Allmachtsfantasien und Hybris. Er leidet unter krankhaftem Sendungsbewusstsein und ist davon überzeugt, dass seine wirren Ideen geradezu genial sind. Für ihn zählt immer nur eins: mehr, mehr, mehr. Widerstand ist zwecklos. Dafür geht das selten lange gut.

Für Sie heißt das: Schauen Sie sich schon mal nach Alternativen um. Nehmen Sie intern etwa Kontakt zu anderen Führungskräften auf – aber dezent! Falls Sie bei denen zu viel über Ihren Chef lästern, wirken Sie illoyal und unsouverän.

Außerdem empfiehlt sich antizyklisches Verhalten: Je weiter sich Ihr Chef von der Realität entfernt, desto ruhiger und realistischer sollten Sie werden. Machen Sie bloß nicht den Fehler, sich von seinem fatalen Enthusiasmus anstecken zu lassen – sonst reißt er Sie am Ende noch mit in den Abgrund.

Der Erratische

Ein Bauchmensch. Seine Launen wechseln schneller als das Wetter im April. Was er heute unbedingt will, lehnt er morgen ab, meist grundlos. So schnell er Angestellten Sympathie entgegenbringt, so schnell entzieht er sie wieder.

Aber nehmen Sie das bloß nicht persönlich! Bei diesem Chef-Typ müssen Sie auf eine emotionale Achterbahnfahrt gefasst sein. Die Kunst besteht darin, nie selbst in Rage zu geraten. Im Zweifelsfall lieber einmal zu viel nicken. Gleichwohl sollten Sie mit ihm möglichst viel per E-Mails und SMS kommunizieren. So ein Giftschrank kann sich als hilfreich erweisen. Außerdem sollten Sie seine schlimmsten Sünden schriftlich festhalten. Das hat nicht nur therapeutische Wirkung, sondern dient auch der Selbstkontrolle.

Wenn das Protokoll die Länge einer Dissertation annimmt, könnten Sie langsam doch mal über einen Jobwechsel nachdenken.

Der Tyrann

Seine Legitimation bezieht er nicht aus natürlicher Autorität, sondern aus Angst und Schrecken. Begründungen für Entscheidungen hält er ebenso für unnötig wie Diskussionen. Wer Widerspruch wagt oder gar Kritik, den erniedrigt er vor versammelter Mannschaft. Sobald aber seine eigenen Vorgesetzten auftauchen, verwandelt er sich in ein friedliches Mauerblümchen.

Fatal: Solche Tyrannen machen schneller Karriere. Das resümierte im Jahr 2007 Anthony Erickson von der australischen Bond-Universität. In einer Studie sagten zwei Drittel der 240 befragten Arbeitnehmer, dass es diktatorischen Vorgesetzten leichter falle, die Karriereleiter hochzuklettern: „Die beste Vorbeugung besteht darin, solche Charaktere früh zu entdecken“, rät Erickson.

Machen Sie dem Tyrann aber keine Vorwürfe („Sie begründen Ihre Entscheidungen nie“), sondern lediglich konstruktive Vorschläge („Das Projekt wäre schneller beendet, wenn ich mehr Hintergrundinfos hätte“).

Der Paranoide

Im Grunde seines Herzens ist er unsicher und ängstlich – leider überträgt er das auf den Arbeitsalltag. Ständig sieht er sich umzingelt von Gegnern und Heckenschützen. Selbst loyalen Mitarbeitern schenkt er nur Misstrauen. Daher sollten Sie keinen Verdacht erregen oder hinterrücks lästern.

Um seine Unsicherheit zu kaschieren, setzt der paranoide Chef sich und seinen Angestellten häufig zu hohe Ziele. Er neigt zu Kontrollwahn und Perfektionismus, kreatives Chaos hasst er. Umso wichtiger ist, dass Sie ebenfalls gewissenhaft und penibel arbeiten.

Immerhin: Dieser Typ ist ungefährlicher als ein Tyrann – da er andere nicht bewusst quälen will. Sie sollten ihn bloß niemals direkt herausfordern. Passiert doch etwas Unvorhergesehenes, hat er eine äußerst kurze Zündschnur. Dann gilt: sofort in Deckung!