Gutes Benehmen in jeder Lebenslage
Dass gutes Benehmen karriereförderlich ist, haben die meisten verinnerlicht. Doch auch im Alltag ist Knigge immer mehr gefragt. Doch was ist heute wichtig und wann ist angeblich gutes Benehmen nur noch peinlich? Ein Knigge-Experte gibt Rat.
ls ein gewisser Karl Theodor zu Guttenberg im Jahre 2009 in die erste Reihe der deutschen Politik aufrückte, überschlugen sich die Zeitungen. Da waren zum Einen zu Guttenbergs Kompetenzen im wirtschaftlichen Sektor. Was jedoch viel mehr begeisterte, war zu Guttenbergs Auftreten: Als Freiherr brachte der damals 38-Jährige einen Glanz von Adel und dementsprechenden Sitten in den sonst schmucklosen Berliner Politikbetrieb.
Magazine erfreuten sich an zu Guttenbergs Manieren und seiner klassischen Art, sich zu kleiden. Er stand auf, wenn Kanzlerin Merkel beim gemeinsamen Abendessen den Tisch betrat oder verließ und traf den richtigen Ton beim Publikum. Ein Fauxpaus in Sachen Ausbildungsknigge beendete dann allerdings schnell die politische Karriere des Freiherren. Was jedoch blieb, ist die Begeisterung für gutes Benehmen.
Das Aufleben der Knigge-Kunst
Die Renaissance des Alltagsknigges ist sicherlich nicht nur zu Guttenberg zuzuschreiben. Allerdings zeigte die Begeisterung für die guten Manieren des adligen Politikers, wie hoch die Deutschen die Ansichten eines gewissen Freiherrs von Knigge schätzen. Dieser schrieb im Jahre 1788 sein wohl bedeutendstes Buch „Über den Umgang mit Menschen“. Seither gilt der „Knigge“ als Maxime oder Grundgerüst für gutes Benehmen.
Grund für die wachsende Beliebtheit von guten Manieren und passender Etikette ist die mediale Präsenz des Themas Knigge und eine Art Renaissance der zwanziger Jahre in Sachen Benimm, glaubt Clemens Graf von Hoyos. Graf von Hoyos berät mit seinem Unternehmen Studenten, Stipendiaten und Firmentrainees in Sachen „Knigge, Stil, Etikette und moderne Umgangsformen“, wie es auf der Homepage heißt.
Daneben seien es die Medien, die den Knigge wieder in den Fokus rücken. „In beliebten Serien wie Mad Men geht es zum Beispiel um den richtigen Umgang mit Frauen oder Geschäftskunden. Damit bringen solche Serien das Thema Manieren an ein breites Fernsehpublikum.“ Der Graf erkennt an seinem eigenen Angebot, dass Kurse für den Benimm im Alltag zunehmend beliebter werden.
Allerdings waren Benimmregeln gerade in den 60er Jahren, zu Zeiten einer Laissez-faire geprägten Erziehung und der 68er Bewegung, eher verschrien. Wer frei leben wollte, machte sich auch frei von Regeln. Doch das war einmal: Heute erfreuen sich Benimmkurse, Knigge-Akademien und Coaches für den zwischenmenschlichen Umgang einer nie dagewesen Beliebtheit.
Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Emnid ergab, dass 91 Prozent der Deutschen gutes Benehmen als wichtig ansehen. 98 Prozent erklärten, dass gute Manieren das Zusammenleben deutlich erleichtern. Wer also seinem Umfeld stets höflich entgegenkommt, wird positiver wahrgenommen.
Knigge für den Alltag
„So gehört es sich gar nicht, seine schlechte Stimmung an jemand Fremdem auszulassen“, erklärt Tosca Freifrau von Korff, ihres Zeichens Kommunikationsberaterin und Präsidentin der Knigge Gesellschaft für moderne Umgangsformen. Auch sollte, wer Anstand beweisen will, in der Öffentlichkeit stets aufmerksam sein. Den Personen hinter sich im Kaufhaus die Türen aufhalten oder die Lautstärke von Handygesprächen im Bus dämpfen – „All das sind Kleinigkeiten, die einem selbst zwar nicht unbedingt auffallen, vom Umfeld allerdings positiv aufgenommen werden“, erklärt Freifrau von Korff.
Waren es vor wenigen Jahren vor allem Angebote für den richtigen Umgang mit dem Chef, Kollegen oder Geschäftspartner, geht es heute auch zunehmend um die Frage: Wie verhalte ich mich im privaten Umfeld richtig? Wie sieht es beispielsweise aus, wenn ich bei einem Abendessen unter Freunden niesen muss? „Dann benutzen Sie dazu den Handrücken der linken Hand und drehen sich weg“, sagt Freifrau von Korff.
Sollte sich jemand durch das abrupte Wegdrehen erschreckt haben, entschuldigen Sie sich. Und wie ist die Sache mit dem „Gesundheit wünschen“? Das kommt auf das Umfeld an: Im kleinen Kreis können Sie durchaus Gesundheit wünschen, in einer großen Runde wird ein „Gesundheit“ aus allen möglichen Ecken des Saales aber eher als störend empfunden und einfach übergangen.
Wie soll ich mich benehmen?
„Ich glaube, der Grund für die Beliebtheit solcher Kniggekurse für das private Umfeld ist eine große Verunsicherung“, sagt Freifrau von Korff. So wüssten immer weniger Leute, wie sie sich auf „dem gesellschaftlichen Parkett richtig verhalten.“ Dabei ginge es häufig vor allem um gewisse Grundregeln in Sachen Benimm: „Wenn ich mit Auszubildende beim Abendessen bin, weiß meist das Gros der Anwesenden nicht, wie sie Messer und Gabel richtig zu halten haben.“
Viele Menschen würden das „kleine Einmaleins des Benimms“ zuhause nicht mehr lernen und bräuchten nun Kurse, um Unsicherheiten abzubauen. „Denn ein Feedback auf schlechtes Benehmen gibt es ja im Prinzip nicht oder wird als unhöflich angesehen“, erklärt Freifrau von Korff.
Das Alter derer, die Kniggekurse fürs Private besuchen, reiche dabei vom Schüler bis zum Pensionär. Denn was nicht in der Erziehung beigebracht wurde, lassen sich die meisten am liebsten von einem entsprechenden Trainer vermitteln. Jedoch ist bei Benimmregeln im Alltag, wie auch im Beruf Vorsicht geboten: „Wer es mit den Regeln übertreibt, wirkt schnell unnahbar und nicht authentisch“, sagt Freifrau von Korff. Dann würde das gute Benehmen nämlich schnell an seinem eigentlichen Ziel, einer angenehmen und einfachen Kommunikation mit den Mitmenschen, vorbeischießen.
So wirken zum Beispiel übertrieben viele Floskeln wie „Freut mich, Sie kennen zu lernen“ schnell unehrlich. „Floskeln sind eigentlich tabu: Sie sollten das, was Sie sagen auch ehrlich meinen und ein bisschen kreativ sein“, sagt Graf von Hoyos. So wird aus einer einfachen Begrüßungsfloskel mit ein wenig Variation ein Satz wie „Freut mich, Sie nun auch einmal persönlich kennen zu lernen“. Das wirkt authentischer und außerdem nicht so phrasenhaft. Jedoch seien Verabschiedungen wie „Einen schönen Tag noch“ vollkommen in Ordnung, sagt Graf von Hoyos. Denn im Ernstfall sollten Sie sich lieber ein wenig zu höflich verhalten als unfreundlich zu wirken, so sein Rat.
Knigge verbessert Karrierechancen
Grundsätzlich ist immer ein wenig Fingerspitzengefühl gefragt. So könnte die Nachfrage nach der passenden Kleidung für einen Krimiabend bei Freunden Irritationen auslösen, während die gleiche Frage bei einer Taufe oder Hochzeit vollkommen angebracht ist. „Im Freundeskreis haben die Menschen ihre eigenen Regeln und brauchen daher, ein natürlicher Anstand vorausgesetzt, keine Kurse oder ähnliches“, erklärt Elisabeth Bonneau. Die ehemalige Lehrerin ist Kommunikationsberaterin und Herausgeberin mehrerer Bücher zum Thema Knigge. Sie glaubt, dass der Run auf Benimmkurse, sei es für den Beruf oder im privaten Bereich, unterschiedliche Gründe habe.
Zum Einen gehe es den Menschen um bessere Karrierechance. „Wenn ich mich besser als mein Konkurrent verhalte, ist es klar, dass meine Chancen, egal auf welchem Feld, besser stehen.“ Daneben wäre es der schwindende Einfluss von Instanzen, wie der Kirche oder der Familie, der Regeln für das Miteinander nötig machen. Früher waren es Eltern oder der Pfarrer, die einem die Verhaltensregeln diktiert hätten, heute schwinde der Einfluss dieser Institutionen und Menschen „suchen nach Regeln um diese als Art Reling zu haben.“
Als dritten Grund für die Renaissance von Kniggeschulen und Benimmcoaches vermutet Bonneau die zunehmende soziale Durchmischung. „Früher blieben Arzt und Apotheker unter sich, heute ist das System durchlässiger.“ Wer aus adligem Hause kommt beherrscht meist die Knigge-Grundregeln. Wer sich allerdings „hochgearbeitet“ hat, dem kann die Kenntnis über das richtige Verhalten bei einem offiziellen Abendessen fehlen, weil er damit nie in Kontakt gekommen ist.
Doch wie verhalte ich mich nun richtig im privaten Umfeld? Dazu gibt es hunderte von Regeln, die von den Pflichten eines Gastgebers, über das Verhalten auf Hochzeiten bis zum richtigen Umgang mit neuen Bekannten erklären, was Sie dürfen und was nicht. Da den Überblick zu behalten fällt schwer.
Deswegen raten die Experten einhellig zur Maxime der Feinfühligkeit. „Was du nicht willst, dass man dir tu‘, das füg‘ auch keinem anderen zu“, beschreibt Freifrau von Korff ein altes Sprichwort als Grundregel für einen respektvollen Umgang miteinander. Graf von Hoyos ergänzt: „Mein Mantra in Sachen respektvoller Umgang miteinander ist ein souveränes und authentisches Auftreten. Außerdem sollten Sie das Fingerspitzengefühl gegenüber der anderen Person nie vergessen und während des Gesprächs den ganzen Fokus auf ebendiese richten.“ So entstehe ein positives Gefühl und Vertrauen, da der andere sich wohl und ernst genommen fühle.
Stilknigge für Männer
Er rät außerdem insbesondere Männern zu zwei Dingen. „Es ist wichtig, dass Sie als Mann stets einen gewissen Humor bewahren.“ Außerdem sei es bei Komplimenten wichtig, dass diese kreativ und ehrlich seien. „Nichts ist schlimmer als ein plattes Kompliment.“ Daneben beobachtet Graf von Hoyos bei Männern immer häufiger eine Sache, die sich im Stilknigge und damit auch beim „Guten Benimm“ verordnen lässt: „Wenn Sie als Mann einen Anzug tragen, achten Sie darauf dass er gut sitzt und die Manschetten des Hemds an den Ärmeln noch zwei Finger breit herausschauen.“ Geht es also um den modernen Knigge, sind kurze Hemden unterm Anzug tabu.
Elisabeth Bonneau fasst das passende Benehmen metaphorisch zusammen: „Benimmregeln sind wie eine Art Navigationsgerät das zeigt, in welche Richtung Sie fahren müssen. Im Detail und im Kleinen sollten Sie dann allerdings selbst die Augen offen halten und entscheiden, was richtig ist.“ Das gilt im Privaten wie auch im Beruflichen.
So sollten Bitte und Danke ins Standardrepertoire gehören, egal mit wem man es zu tun hat. Ob Sie als Mann aber jedes Mal aufstehen, wenn die Dame zum Tisch kommt oder ihn verlässt – das sollten Sie je nach Situation entscheiden und vorher aufmerksam beobachten, was angemessen scheint.