Der Zettelwirtschaft den Kampf ansagen
Im Studium ärgerten sich Felix Hofmann und Martin Fröhlich über das Papierchaos. Kopieren gehört schließlich zum täglich Brot eines jeden Studenten – und kann viel Geld und Nerven kosten. Sie haben die Marktlücke erkannt und gründen nun eine Fachbuch-Plattform im Internet.
Wenn Felix Hofmann und Martin Fröhlich eine Bibliothek besuchen, fällt ihnen vieles auf, was sich noch verbessern ließe. Das lange Suchen nach Büchern zwischen den Regalreihen. Oder der Formularwust bei der Ausleihe und die Warteschlangen vor den Kopierern. Oft ist der gesuchte Titel schon ausgeliehen. Daheim häufen sich später die Blätterberge, aus denen man Zitate mühsam abtippen muss. „Wir glauben, dass Fachliteratur viel kundenfreundlicher angeboten werden kann“, sagt Hofmann.
„Nämlich als digitales Bücherregal im Internet.“ Mit ihrem Start-up PaperC wollen die beiden 26-jährigen Berliner das wissenschaftliche Arbeiten vereinfachen und damit Geld verdienen. Ihre Internet-Plattform soll komplette Fachbücher im Netz zugänglich machen und so die verstaubte Uni-Lehrbuchsammlung fürs digitale Zeitalter rüsten. Wer zum Beispiel einen Blick in den „BWL Crash-Kurs Marketing“ aus dem UTB-Verlag werfen möchte, kann das Buch auf dem Paper-C-Portal Seite für Seite kostenlos durchlesen. Erst, wenn man ein Kapitel ausdrucken oder Zitate im Text markieren will, wird ein Obolus fällig. Der beträgt fünf Cent pro Seite, wie an den meisten Kopiergeräten. „Wir sind der elektronische Copyshop“, erklärt Fröhlich.
Studenten geben 40 bis 60 Euro für Kopien aus
Was nach einer einfachen Idee klingt, ist in Wahrheit eine kleine Revolution: Noch nie haben Fachbuchverlage ihre Werke von der ersten bis zur letzten Seite frei im Internet zugänglich gemacht, selbst E-Books muss der Kunde vor dem Lesen komplett kaufen. PaperC will ein neues Geschäftsmodell etablieren: Der Kunde zahlt nicht für das Buch an sich, sondern für den Zusatznutzen, den das Internet-Portal ihm bietet: zum Beispiel den Druck ausgewählter Seiten am heimischen Tintenstrahler oder die digitale Zitateverwaltung. Jeder Student zahle einer Studie zufolge zwischen 40 und 60 Euro pro Jahr für Kopien, das mache mehr als hundert Millionen Euro im Jahr, sagt Martin Fröhlich. „An diese Kopierkosten wollen wir ran!“
PaperC läuft bereits mit 1500 Berliner Studenten im Testbetrieb. In wenigen Wochen soll das Portal freigeschaltet werden. Dann kann jeder, der sich einloggt, ein Guthaben aufladen und in rund 3000 Fachbüchern aus den Bereichen Wirtschaft, Jura, Medizin und Informatik stöbern. Per Volltextsuche lassen sich alle Titel binnen Millisekunden durchsuchen. Wer eine Seite kauft, kann auf ihr eigene Randnotizen schreiben und Textstellen markieren. Zitate lassen sich in ein Textverarbeitungsprogramm exportieren, samt einer automatisch erstellten Quellenangabe. Alle gekauften Seiten, alle Zitate und Notizen kann der Nutzer in einer persönlichen Dokumentenmappe im Internet verwalten. „Wer eine Seminararbeit schreibt, kann so viel besser Ordnung halten als mit der üblichen Zettelwirtschaft“, sagt Hofmann.
Die Verlage gehören zu den wichtigsten Partnern
Seitdem PaperC im vergangenen Sommer das renommierte Exist-Gründerstipedium des Bundes gewann, tüfteln die beiden Gründer und der Webentwickler Lukas Rieder ununterbrochen an ihrem Projekt. Mit Geduld und Hartnäckigkeit ist es ihnen gelungen, führende Fachbuchverlage wie den Springer-Verlag für ihre Plattform zu gewinnen. „Wir verfolgen mit großem Interesse, wenn neue innovative Konzepte auf den Markt kommen“, sagt Olaf Ernst, President E-Product Management & Innovation bei Springer. „PaperC könnte unserer Meinung nach ein interessantes Modell werden.“
Im Januar haben sich die Gründer eine weitere Anschubfinanzierung durch verschiedene Business Angels gesichert. Einer dieseer Investoren ist Günter Faltin, Hochschullehrer an der Freien Universität, Firmengründer und bekannt als Coach für Existenzgründer. „Die Zukunft des Fachbuchs liegt eindeutig im Internet“, sagt Faltin. „PaperC ist für diese Zukunft aufgestellt und eröffnet mit seinen Bearbeitungswerkzeugen obendrein eine ganze Reihe von schlagenden Vorteilen im wissenschaftlichen Arbeiten.“
Martin Fröhlich sieht in PaperC einen Trendsetter. „Ob Nutzer oder Verlage – unser Geschäftsmodell kann alle glücklich machen“, wirbt der Gründer, räumt aber ein: „Wir sind erst am Start. Langfristig müssen wir das Geschäftsmodell auf weitere Beine stellen.“ Welche das sein können, darüber diskutieren die drei Gründer Mitte Juni in Berlin auf einem großen Kongress mit Verlegern, den sie selbst organisiert haben. „Das wird spannend“, sagt Fröhlich, „das digitale Publizieren kommt jetzt langsam in die ganz heiße Phase.“
Dieser Artikel ist erschienen am 16.09.2024