Vom Schulabgänger zum Silicon-Valley-Millionär

Gregor Freund fällt auf, wenn er von seinem Haus im Stadtteil Upper Market durch San Francisco zu seinem Büro fährt. Gelassen lenkt der gebürtige Münchener den wohl einzigen Smart der gesamten kalifornischen Metropole.

Axel Postinett, Handelsblat | 11.09.2024

HB DÜSSELDORF. In den USA würde man Leute wie ihn einen „Drop Out“ nennen. Einen Schulabgänger ohne richtigen Abschluss, einer, der halt irgendwie, irgendwann aus dem Tritt geraten ist. „Die Schule ist mir halt auf die Nerven gegangen“, sagt Freund bei einem Treffen mit Handelsblatt.com in Hamburg – doch ungewöhnlich einsilbig für einen Mann, der sonst ein ansteckendes, jungenhaftes Lachen auf den Lippen trägt. Irgendwie beschäftigt ihn der frühere Frontalzusammenstoß mit der bajuwarischen Gymnasial-Pädagogik halt doch noch.

Aber der antrainierte amerikanische Daueroptimismus gewinnt sofort wieder Oberhand: „Danach blieb mir halt nichts anderes übrig, als einfach erfolgreich werden“, scherzt er. „Let’s go!“ Zunächst sah es aber überhaupt nicht danach aus. Einen ersten Job ergatterte er als Hilfsdrucker in einem deutschen Schulungszentrum des Computerkonzerns Digital Equipment. Aus „purer Langeweile“ begann er zu lesen, was er zuvor für die Kursteilnehmer gedruckt hatte. Das erlernte setzte er abends an den damals hochmodernen „WAX“-Rechnern in kleine Programme um.

Der junge Querkopf fiel einem Gast aus den USA auf. Philippe Kahn, Gründer einer aufstrebenden Softwarefirma mit Namen Borland. Er suchte einen Vertrieb für Deutschland, man wurde sich schnell einig. Freund bekam zwei Koffer voller „Turbo Pascal“ und den väterlichen Hinweis „Gib mir das Geld, wenn Du sie verkauft hast“. Der Visionär Kahn sollte später der einflussreichste Mentor Freunds werden. Beide gründeten zusammen in den USA die Softwarefirma Starfish, die in den 90-ern für 350 Mill.$ an Motorola verkauft werden konnte.

Nach dem Verkauf langweilte sich Freund in seinem Appartement in San Francisco. Was tun? Eine Rückkehr nach Deutschland stand gar nicht zur Debatte. Als er dann an einem der ersten DSL-Anschlüsse der Stadt durchs Internet surfte, kam ihm die nächste Idee. „Nach nur wenigen Minuten“, erzählt er, „hatte ich den ersten ‚Port-Scan‘ im Rechner“ – ein Hacker suchte seinen Rechner nach offenen Datenkanälen ab, um in den PC eindringen zu kommen. „Mir war sofort klar, dass da irre was abgeht“, sagt er. Die Idee für „Zonealarm“ war geboren, eine Personal Firewall für jeden einzelnen Arbeitsplatz-PC statt der damals üblichen „Feuer-Mauer“ um ein ganzes Unternehmen.

Und wieder ging es – zusammen mit drei Mitstreitern – ganz von vorne los. Der Dot-Com-Boom brach 1997 gerade los und 18-jährige „Highpotentials“ räumten mit skurrilsten Internet-Shops Venture-Kapital in fast beliebiger Höhe ab. Guter Büroraum in San Francisco war schlicht unbezahlbar. „Für so was wie uns gab es aber nichts“, erinnert Freund sich an diverse Gespräche mit potenziellen Geldgebern. Die Idee galt als nett, aber langweilig. Die Gründer und Mitarbeiter waren teilweise schon um die 30 Jahre alt, teilweise hatten sie Familie – wie soll das denn was werden?

In heruntergekommenen Räumen neben einer Methadon-Klinik („das war eine wirklich üble Gegend“) ging Zone Labs dann schließlich auf eigene Kosten an den Start. Freund steckte sein Privatvermögen in die Firma, die anderen arbeiteten ohne Gehalt – und als das Produkt dann fertig war, wollte es keiner haben. Aus Trotz wurde die an sich für große Geschäftskunden gedachte Software im Internet dann in einer Basisversion an Privatleute verschenkt. „Meine Frau“, räumt der verheiratete Familienvater heute ein, „ahnt wahrscheinlich noch immer nicht ganz genau, wie hoch wir damals gepokert haben“.

Dann kam der Zufall zur Hilfe. Als im Jahr 2000 die ersten spektakulären DOS-Attacken („Denail-of-Service-Attacken“, konzentrierte Massenangriffe, um Webserver durch Überlastung zusammen brechen zu lassen) Webseiten wie Yahoo und Ebay in Sekunden lahm legten, wurde aus dem Langweilerthema ein Dauerbrenner. Die Downloads von Zonealarm stiegen sprunghaft an – und das Venture-Capital floss in Strömen. Der bekannte Software-Pionier John McAfee kam in den Aufsichtsrat von Zone Labs.

Ende 2003 dann der erneute Verkauf. Für 205 Mill. Dollar in bar und Aktien ging Zone Labs an Checkpoint. Alleine wäre es langsam schwierig geworden, die Konkurrenz wird immer größer. Zusätzlich verlangen die Kunden „heute Lösungen aus einer Hand“, weiß Freund. Für Checkpoint kann Zone Labs jetzt den boomenden Privatkundenmarkt abdecken. Viren und Trojaner sind längst zur alltäglichen Bedrohung für jeden Web-Surfer oder Online-Bankkunden geworden.

Der heute 44-jährige Freund arbeitet jedoch weiter als Vorstand bei Zone Labs und fährt weiter mit seinem Smart ins Büro an der Bay. War’s das jetzt? Zunächst mal ja, sagt er, er möchte ein altes Hobby wieder aufleben lassen und seinen Flugschein endlich wieder nutzen. Und vielleicht wird er auch noch mal eine Firma gründen. Wer weiß. Viel schwerer als eine Einzelzulassung für einen Smart in Kalifornien zu bekommen, kann das auch nicht sein.

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