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Teilzeit gilt für Manager eigentlich als ungeeignet . Doch die Zahl derjenigen wächst, die sich neben ihrem Beruf mehr Zeit für Familie und Hobbys wünschen. Drei Pioniere berichten von ihren Erfahrungen.
Dass er von seinen Geschlechtsgenossen schief angeguckt wird und Kollegen in der Kantine über ihn sprechen, nimmt Roman Zitz gern in Kauf: Der Abteilungsleiter für Legal Affairs ist einer der ersten Manager der Deutschen Telekom, der Teilzeit beantragt hat – gleich, als der Telekommunikationskonzern mit Sitz in Bonn vor gut einem halben Jahr die Maxime ausgab, seine Führungskräfte sollten ihr Berufs- und Privatleben besser als bisher ausbalancieren.
Seitdem hat Jurist Zitz, Chef von acht Mitarbeitern, jeden Dienstag frei. Dann schlendert er vormittags über den Wochenmarkt oder begleitet seine Tochter nachmittags zum Kieferorthopäden. Manager Zitz, in der Telekom-Hierarchie drei Ebenen unterhalb des Vorstands angesiedelt, sagt zwar: „Die neue Unternehmensrichtlinie hat mich bestärkt, das zu tun, was ich schon lange wollte: Meine begrenzte Lebenszeit vielfältiger zu nutzen.“ Dennoch kostete es ihn Überwindung, in seiner Abwesenheitsnotiz offiziell zu verkünden: „Dienstags bin ich nicht im Büro“.
„Aber wieso eigentlich – Mütter kommunizieren das ja schließlich auch ganz selbstverständlich“, sprach sich der Manager Mut zu. Seine Vier-Tage-Woche jedenfalls beflügelt ihn: „Mal für einen Tag raus aus dem betrieblichen Alltag, das gibt Schwung für neue Ideen und ermöglicht den Blick über den Tellerrand hinaus. Davon profitiert wiederum das Unternehmen.“
Noch sind Teilzeit-Chefs, die sich freiwillig von ihrer Vollzeitstelle verabschieden, um nebenbei Kinder zu hüten, Hobbys zu frönen oder einfach mal die Seele baumeln zu lassen, Exoten. Gerade mal zwei von hundert männlichen Führungskräften haben laut dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung hierzulande ihre Arbeitszeit reduziert. Doch die Zahl der Gruppen-, Abteilungs- und Bereichsleiter, die weniger als 100 Prozent arbeiten, wird in den kommenden Jahren deutlich steigen, prognostizieren Arbeitsmarktexperten.
Karriere machen und der Familie gerecht werden
Und Pioniere wie Zitz machen Teilzeitarbeit für den Managernachwuchs salonfähig. Das Angebot von Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger hat jedenfalls einen Nerv getroffen: „Derzeit haben wir circa 20 Manager in Teilzeitpositionen. Weitere 70 bis 80 haben schon ihr Interesse angemeldet – und zwei Drittel davon sind Männer.“
Dienstwagen und ein hohes Gehalt sind nicht mehr alles, um fähige Führungskräfte anzulocken und – angesichts der demografischen Entwicklung noch viel wichtiger – auch an ein Unternehmen zu binden. „Die Arbeitsbedingungen so zu ändern, dass für Frauen und Männer, Mitarbeiter und Manager die Balance von Beruf und Privatleben stimmt, ist eine wichtige Herausforderung für Arbeitgeber“, sagt auch Gabriele Buchs. Sie leitet den Bereich Vergütung und Arbeitsbedingungen der Deutschen Bank. Schließlich wollen immer mehr junge, gut ausgebildete Paare parallel Karriere machen und dennoch ihrer Verantwortung gegenüber Kindern und älteren Angehörigen gerecht werden.
Und auch noch Zeit für ihre privaten Interessen haben. „Darüber hinaus müssen wir das Know-how arrivierter Manager künftig länger als heute üblich dem Unternehmen erhalten“, weiß Buchs. Denn Vollzeit über 63 Jahre hinaus wollen nur wenige Manager arbeiten. „Auch hier rechnen wir mit steigender Nachfrage nach Teilzeitregelungen bis hin zu Spitzenpositionen“, sagt die Personalmanagerin des größten deutschen Geldhauses.
Friedrich Joussen, Chef der deutschen Tochter des Telefonanbieters Vodafone, glaubt sogar, dass das Amt des „Teilzeit-Vorstandes möglich sein müsste“. Weg von der Präsenz- und Kontrollkultur und hin zu flexiblen Arbeitszeiten – damit tun sich in Deutschland noch viele männliche Führungskräfte, aber auch normale Mitarbeiter schwer.
In Männerdomänen wie im Maschinen- oder Anlagenbau verschließen viele davor bislang die Augen. Mitarbeiter von Beratungsunternehmen freuen sich schon, wenn sie trotz 50-Stunden-Woche einen Tag herausschinden, an dem sie mit dem Notebook zu Hause arbeiten. Dabei befürwortet eine klare Mehrheit der Deutschen das Modell mit zwei Verdienern. Nur ein knappes Viertel der Paare lebt in Westdeutschland noch in der klassischen Hausfrauenehe. In Ostdeutschland hat diese mit acht Prozent nur marginale Bedeutung, hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung ermittelt.
Das Beste aus zwei Welten vereinen
Dennoch ist noch Ermutigung nötig, damit Männer aus dem traditionellen Jobschema des „Sorgelosen Vollzeit-Arbeitnehmers“ ausbrechen, wie es Arbeitsforscher nennen. Bernt Gade hat sich schon getraut. Er wollte sich unbedingt seiner Aufgabe als Familienvater stellen und sich die Betreuung seiner beiden Töchter mit seiner ebenfalls berufstätigen Frau teilen. Der Deutsche-Bank-Direktor, der Vorstände zu Gesprächen mit Analysten und Investoren begleitet, hat inzwischen zwölf Jahre Erfahrung mit Teilzeitarbeit und weiß um Vorteile und Schwächen.
Anfangs reduzierte Gade seine Arbeitszeit auf 70 Prozent und war fortan jeden Montag, Mittwoch und Freitag ab etwa 14 Uhr raus aus seinem Frankfurter Büro und holte seine Kinder aus der Kita der Bank ab. Gleichzeitig setzte seine Frau ihre Teilzeitstelle in einem Beratungsunternehmen auf 80 Prozent herauf, so dass ihre beiden Töchter seitdem entweder Mama oder Papa zum Spielen oder inzwischen als Hilfe bei den Schulaufgaben um sich haben.
„Das Schönste sind noch heute Nachmittage in der Sonne mit meinen Kindern – trotz Blackberry. Dann habe ich das Gefühl, ich habe das Beste aus beiden Welten vereint und bin richtig beneidenswert“, sagt Gade. Allerdings muss der Bankmanager dafür häufiger abends nach 21 Uhr, wenn seine Töchter schlafen, noch mal an den Schreibtisch und manchmal auch am Wochenende.
„Bestimmte Arbeiten können eben nicht lange warten“, sagt der Banker. Weil sich in seinem Kollegenkreis wegen Mutterschaft und Versetzung gerade ein personeller Engpass ergibt, schraubt Gade seine Arbeitszeit vorübergehend auf 90 Prozent hoch. Soviel Flexibilität erwartet sein Arbeitgeber von Teilzeitmanagern. „Für die gewonnene Zeit mit meinen Kindern verzichte ich gern auf einen Teil meiner Vergütung“, sagt Gade mit Blick auf die eigenen Finanzen. Angesichts seiner gehobenen Einkommensklasse – zwei Ebenen unter dem Vorstand und im Doppelverdiener-Haushalt – tut das nicht allzu weh.
Aber grundsätzlich muss sich die Teilzeitlösung rechnen, weiß auch Telekom-Manager Zitz. Der Telekom-Jurist versucht selbst gerade, seine Arbeitsverdichtung in den Griff zu bekommen. Er arbeitet an vier Tagen bis an die Grenze des Erlaubten. Und wenn eine Dienstreise oder ein Feiertag dazwischenkommen, dann merkt der Telekom-Manager, „dass ein Tag fehlt“. In dringenden Fällen bleibt er für seine Mitarbeiter auch außerhalb seines Bonner Büros ansprechbar.
„Mobile Kommunikationsmittel sind für Teilzeitchefs ein Muss“, findet Zitz. Allerdings sind seine Mitarbeiter schon in dieser kurzen Zeit selbstständiger und entscheidungsfreudiger geworden. Für Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger ist genau das ein wichtiger Pluspunkt davon, wenn Manager kürzertreten: „Klug gemacht, können die Teilzeitjobs für Führungskräfte sogar zu einem guten Instrument der Personalentwicklung werden. Stellen Sie sich vor, eine Führungskraft ist 28 Stunden in der Woche im Büro und den Rest übernimmt ein Kollege. So lässt sich erste oder vertiefte Führungserfahrung sammeln.“
Personalentwicklung für die Stellvertreter
Was bei der Telekom noch Theorie ist, hat der heutige Allianz-Vorstand Jay Ralph bereits erfolgreich durchexerziert. Von 2003 bis 2006 war der heute 53-Jährige in der Schweiz bei der Allianz Risk Transfer, einem Erst- und Rückversicherer im Konzern Teilzeit-CEO. Seine Arbeitszeit verringerte er auf 60 Prozent. „Ich wollte mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen können, solange sie noch zu Hause waren, und mehr Zeit für meine Frau haben. Das war etwa zur Halbzeit meiner professionellen Karriere, und ich konnte während dieser Phase neue Energie tanken“, sagt der gebürtige Amerikaner.
Gleichzeitig diente das Modell aber auch dazu, seinen beiden Stellvertretern die Möglichkeit zu bieten, sich als Führungskräfte weiterzuentwickeln. „Ich habe meinen Terminkalender flexibel gestaltet und die Tage, die ich im Büro war, auf Kundentermine und arbeitsintensive Zeiten ausgerichtet. Außerdem habe ich die Zahl der Mitarbeiter, die direkt an mich berichteten, auf drei reduziert – neben unserem Finanzvorstand war jeweils ein Kollege in New York für unser US-Geschäft, ein anderer in Zürich für unser internationales Geschäft zuständig.“
Die Abwesenheit ihres Vorgesetzten war eine günstige Gelegenheit für Ralphs Stellvertreter, ihr Führungstalent zu beweisen. Und so die eigene Karriere voranzutreiben. Ralph: „Als ich meine nächste Position als Vollzeit-CEO der Rückversicherung Allianz Re antrat, hat es ihnen den Übergang in höhere Führungsbereiche ermöglicht.“ So folgte Chris Fischer 2007 Ralph auf den Chefsessel in Zürich, heute ist Fischer Finanzvorstand der Industrieversicherungsgesellschaft.
Das Modell von Jay Ralph soll Schule machen. Gerade lässt der Allianz-Vorstandsvorsitzende Michael Diekmann ein neues Programm ausarbeiten, um weiteren Managerkollegen Teilzeit schmackhaft zu machen. Doch das Modell Teilzeitchef hat auch Grenzen: „Als Führungskraft mit Personalverantwortung beispielsweise weniger als 50 Prozent arbeiten zu wollen, ist schwierig. Das geht nur für ausgewählte Positionen per Job-Sharing, also mit einem gleichrangigen Partner, der seine Arbeitszeit ebenfalls um die Hälfte reduzieren möchte“, sagt Personalmanagerin Buchs. Daher gibt es bislang zum Beispiel bei der Deutschen Bank auch erst Einzelfälle.
Keine Karrierebremse
Woran der berufliche Aufstieg von Frauen häufig scheitert, scheint für Männer im Management ein widerlegtes Vorurteil zu sein. Darauf vertraut zumindest Telekom-Manager Roman Zitz ganz fest: „Da das Unternehmen seine Führungskräfte zu einer besseren Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben sogar ermuntert, bin ich davon überzeugt, dass mir dieser Schritt nicht zum Nachteil gereicht.“
Und Bankmanager Gade bestätigt aus seiner langjährigen Erfahrung: „Ich hatte nie das Gefühl, dass mein Teilzeitjob meine Karriere behindert hat.“ Ganz im Gegenteil, der Spezialist für Investor Relations ist während seiner zwölfjährigen Teilzeitphase bereits zweimal befördert worden. Denn Personaler wissen, wer sich als Manager für eine Teilzeitposition entscheidet, hat zuvor gezeigt, dass er zu den besonders leistungsstarken Köpfen oder unverzichtbaren Experten des Unternehmens zählt.
Familienvater Gade räumt jedenfalls ein: „Vielleicht hätte ich noch weiter kommen können, aber dann wäre das mit der flexiblen Arbeitszeit wahrscheinlich schwieriger. Dieses Zugeständnis habe ich bisher nicht machen wollen.“