Spezialisierungen abseits der Couch: Welche Berufsperspektiven Psychologen heutzutage haben
In der Psychotherapie landen die wenigsten Absolventen, obwohl eine Mehrzahl das anstrebt. Doch das Feld der Beschäftigungsmöglichkeiten erweitert sich stetig. Eine Übersicht.
Psychotherapie auf der Couch Der Wunschberuf vieler Psychologen ist die Therapie. Aber nur die wenigsten finden in diesem Bereich ihr Auskommen. © Karriere Foto: Nik Shuliahin on Unsplash
Immer mehr Psychologen streben in den Arbeitsmarkt: Kein Wunder, erlebt doch das Psychologiestudium seit Jahren einen Boom: Es gehört seit Jahren zu den Top Ten der beliebtesten Studienfächer in Deutschland. Gut 90.000 Studierende waren im Wintersemester 2019/2020 im Fach Psychologie eingeschrieben, 3,1 Prozent mehr als im Vorjahr.
Doch der Berufsstart fällt vielen Psychologen nicht leicht: Denn im oft genannten Wunschberuf Psychotherapeut landen nur die wenigsten, wie eine Auswertung von Stellenrecherchen der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DPGS) zeigt. So fallen auf auf den klinisch-psychologischen Bereich nur 17 Prozent, auf therapeutische Tätigkeiten nur rund sechs Prozent der Stellenausschreibungen.
Die Karrierewege sind in vielfältigen Bereichen möglich – sind aber häufig nicht die ersten Anlaufstationen. „Wer sich für ein Psychologiestudium entscheidet, trifft damit noch keine Entscheidung für einen Berufsweg, sondern kann sich im Laufe des Bachelorstudiums an seine Wunsch-Spezialisierung herantasten“, weiß Anja Lepach-Engelhardt, Professorin für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie an der PFH Private Hochschule Göttingen.
Wo aber gibt es spannende Alternativen?
Psychologinnen und Psychologen arbeiten in unterschiedlichen Berufsfeldern der Wirtschaft oder im Öffentlichen Dienst, zum Beispiel:
- in der Prävention und Gesundheitsförderung,
- im Betrieblichen Gesundheitsmanagement oder
- im Personal- und Organisationsmanagement.
Auch neuere Bereiche der Psychologie wie Geronto- oder Umweltpsychologie bieten spannende berufliche Perspektiven. Ein berufsbegleitendes Fernstudium ermöglicht Psychologie-Interessierten zudem verschiedene Möglichkeiten, sich parallel zur Berufstätigkeit auf einen Teilbereich der Psychologie zu spezialisieren und so neue berufliche Schwerpunkte zu setzen.
Gerontopsychologen: Persönliche Förderung älterer Menschen
„Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels ist mit einem wachsenden Bedarf an Gerontopsychologen zu rechnen“, sagt Lepach-Engelhardt. „Um auch den Menschen im hohen Alter eine altersgerechte und optimale gesundheitliche Versorgung zu gewährleisten, werden immer mehr Fachkräfte benötigt“, so die Professorin.
Im Mittelpunkt der Arbeit von Gerontopsychologen steht die persönliche Förderung älterer Menschen, um ihnen eine größtmögliche Selbstbestimmung zu erhalten und so ihre Lebensqualität zu steigern. Sie arbeiten wie Gerontologen vorwiegend in Einrichtungen der Altenhilfe und haben eine psychologisch beratende Funktion.
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Umweltpsychologen: Interaktion der Menschen mit ihrer Umwelt
Ein ebenfalls noch recht junger Bereich der Psychologie ist die Umweltpsychologie. Sie beschäftigt sich mit der Interaktion von Menschen in der natürlichen und soziokulturellen Umwelt.
Der Umgang mit Informationswelten und Digitalisierung gehören ebenso dazu wie auch die Themen Globalisierung und Nachhaltigkeit.
Was Umweltpsychologen besonders interessiert: Sie untersuchen, was Menschen psychologisch an einer umweltverträglichen und ressourcenschonenden Lebensführung hindert. Auch die psychischen Auswirkungen von Umwelt-Faktoren auf den Menschen werden genau unter die Lupe genommen.
„Umweltpsychologen findet man an Hochschulen und Forschungszentren, in Behörden, Ministerien und Ämtern, sie sind aber auch als selbstständige Berater tätig“, sagt Lepach-Engelhardt. Im Berufsalltag sind die Erkenntnisse aus der Umweltpsychologie beispielsweise bei Vereinen und Organisationen relevant, die mittels Aufklärungskampagnen das Verhalten von Menschen zu ändern versuchen oder die Akzeptanz von zum Beispiel Umweltschutzmaßnahmen erhöhen möchten.
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Arbeits- und Organisationspsychologen: Fokus auf eine sich wandelnde Arbeitswelt
Weil im Arbeitsumfeld psychische Erkrankungen stetig zunehmen, steigt auch der Bedarf an Spezialisten in Unternehmen und Organisationen. Die Zahl der Krankschreibungen von Arbeitnehmern hat aufgrund psychischer Leiden im vergangenen Jahr laut Studie der Krankenkasse DAK einen neuen Höchststand erreicht. Die Anzahl dieser Fehltage sei von 2000 bis 2019 um 137 Prozent gestiegen.
„Wer neben Psychologie auch Interesse an Wirtschaftsthemen hat, findet in der Arbeits- und Organisationspsychologie eine spannende Aufgabe“, so Lepach-Engelhardt. Arbeits- und Organisationspsychologen und -psychologinnen befassen sich mit den Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Interessensgruppen sowie der internen und externen Kommunikation in Unternehmen und Organisationen.
Sie beraten zum Beispiel zur Führungs- und Organisationskultur, unterstützen bei Veränderungsprozessen oder begleiten die Themen Gender-, Diversity- oder Talent-Management.
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