Richtig bewerben: Im Anschreiben direkt zur Sache
Ein Anschreiben ist kein Brief, sondern ein Briefing. Präsentieren Sie sich darin stark und selbstbewusst, rät Bewerbungsberater Gerhard Winkler. Vor allem nichtssagende Floskeln sollten Sie unbedingt vermeiden.
Die Länge des Bewerbungs-Anschreiben Gibt es Vorlagen dazu, wie viele Wörter eine Bewerbung haben muss? Foto: Helloquence on Unsplash
Wenn Sie beichten, sagen Sie, was Sie auf dem Gewissen haben. Wenn Sie sich bewerben, enthüllen Sie, was Sie in der Tasche haben. Am besten, Sie packen als Bewerber umstandslos aus und legen Ihr Leistungsangebot auf den Tisch.
Das verlangt von Ihnen gewiss den Mut zur Direktheit.
Man tendiert ja dazu, sich als höfliche Person mit einem Anliegen zu sehen, die sich gegenüber einem Unbekannten formvollendet einzuführen hat. Damit kommt man gerade so weit, dass man sich im Anschreiben windet, aufplustert und anschmust.
Weil kein Mensch so redet, borgt man sich ganze Sätze aus geistlosen Briefvorlagen aus.
Im Anschreiben geht es aber nicht um Sie persönlich. Es geht um Ihre Jobeignung. Das Anschreiben ist kein Brief, sondern eine Einweisung.
Sie präsentieren stark und selbstbewusst Ihren Job-Claim. In Ihrem Briefing kommen Sie sofort zur Sache. Machen Sie nicht die üblichen Fehler.
Verzichten Sie im Anschreiben auf:
1. … Nebensächlichkeiten
Der einzig wahre Augenfänger in einer Bewerberpräsentation ist das Argument, das am meisten für eine Jobeignung spricht. Ob die derzeitige Position, ein grandioser Abschluss, das Diplomarbeitsthema oder etwas anderes: Finden Sie Ihren eigenen Aufhänger.
2. … die klassische Gliederung
Machen Sie Schluss mit der Aufteilung in Einleitung, Hauptteil und Schluss. Ersetzen Sie die Einleitung durch Ihr Pro-Argument Nummer eins.
Was spricht am meisten für Sie? Schreiben Sie es hin. Verstehen Sie Ihr ganzes Schreiben als Hauptteil: Sie brauchen keinen Einstieg, Sie brauchen keinen Ausstieg. Sie liefern Argumente.
3. … Chronologie
Im Gegensatz zum Lebenslauf, in dem Sie von Ihrem Werdegang chronologisch berichten, sollten Sie im Anschreiben keine Stationen referieren, da Sie sonst von Vergangenem sprechen.
Jobeignung wird im Jetzt verlangt. Sie zählen Ihre Lern- und Arbeitsleistungen, Erfolge und Fertigkeiten auf – ohne zeitlichen Bezug.
4. … Generalisierungen
Intelligente Menschen formulieren gern abstrakt und generalisieren. Das ist beim Bewerben dumm, denn je unkonkreter Sie reden, desto mehr vernebeln Sie Ihr Profil.
Nennen Sie stets Namen und Orte. Je mehr Wirklichkeitspartikel im Anschreiben, desto glaubwürdiger sind Ihre Angaben.
5. … jede Ablenkung vom Jobziel
Beim Golfen schauen Sie auf den Ball. Dann schauen Sie auf Ihr Ziel. Dann schwingen Sie. Beim Bewerben schauen Sie auf Ihre Eignung. Dann schauen Sie auf die angestrebte Position. Dann argumentieren Sie.
Manchmal zieht das Hauptargument sogar so, dass Sie einen Hole-in-one erzielen. Es klappt aber nur, wenn Sie Ihr Jobziel klar vor Augen haben.
6. … Soft Skills
Wie Sie ticken, was Sie denken, mit welchen weichen Fähigkeiten Sie glänzen: Lassen Sie es im Anschreiben weg. Die Aufzählung von Soft Skills weicht Ihr Profil auf.
Personaler sind verständige Leute, die aus Ihren Handlungen auf Ihre Mitarbeitertugenden schließen.
7. …negative Statements
Erklären Sie sich nicht, rechtfertigen Sie sich nicht, machen Sie keine negativen Ego-Statements. Liefern Sie nur Fakten und überlassen Sie deren Bewertung den Leuten, die man fürs Auswerten und Schlussfolgern bezahlt.
Es gibt keinen überzeugenden Job-Claim ohne intaktes Ego. Beschädigen Sie es nicht. Jeder darf laut an sich zweifeln, aber nicht, solange er sich vermarktet.
8. … falsche Komplimente
Sie brauchen nicht die Aufmerksamkeit des Jobanbieters zu erwecken. Sie haben sein Interesse zu bedienen. Schwadronieren Sie nicht, was Sie an dieser Firma so geil finden, dass Sie nicht anders können, als dort malochen zu wollen.
Ihr Anschreiben beantwortet:
- Wie tragen Sie zum Geschäftserfolg bei?
- Wie profitiert das Team von Ihnen?
- Braucht Sie der Boss?
- Kann er Sie bezahlen?
9. … Sprachakrobatik
Kümmern Sie sich im Wortinnern um die richtigen Buchstaben, im Satzinnern um korrekte Zeichensetzung und um die korrekten Anschlüsse von Satzteilen.
Trennen Sie manuell am Zeilenende.
Verwenden Sie echte Tätigkeitswörter wie ausarbeiten, leisten, umsetzen, gestalten. Haben Sie keine Angst vor Aufzählungen; Personaler können durchaus folgen.
Haben Sie den Ehrgeiz, zu den wenigen Glücklichen zu zählen, die etwas in eigenen Worten ausdrücken.
10. … Ausführlichkeit wie im Roman
Ihnen ist als Bewerber aufgetragen, einen Rekrutierer angemessen und zügig über Ihre besondere Eignung für einen bestimmten Job zu informieren. Kleben Sie an den Fakten.
Beschränken Sie sich auf maximal 2.000 Anschläge. Das reicht für ein Kurzprofil.
Bewerten Sie sich nicht selbst – das ist nicht Ihr Job. Nennen Sie lieber Referenzpersonen. Testimonials sind die Bringer im Selbstvermarktungsgeschäft.
Was Personaler nervt:
„Im Jahr führen wir mehrere tausend Gespräche mit Bewerbern für eine Tätigkeit als MLP-Berater. Etwa jeden Zehnten stellen wir ein. Wenn ich eine Bewerbung erhalte, lese ich zuerst das Anschreiben, danach den Lebenslauf, der mir wichtige Fakten liefert.
Das Anschreiben prägt meinen ersten Eindruck. Es zeigt, welche persönlichen Beweggründe der Bewerber hat und ob er sich mit dem Berufsbild des MLP-Beraters auseinander gesetzt hat.
Ein großer Fehler ist, einfach nur zu schreiben: „Ich bewerbe mich auf die ausgeschriebene Stelle“, ohne zu erklären, warum es gerade diese Position sein soll.
„Ich wollte schon immer bei einem M-Dax-notierten Unternehmen arbeiten“ reicht als Begründung nicht aus. Für das Anschreiben gilt die Daumenregel, dass es nicht länger als eine Seite sein sollte.
Wer zu viel schreibt, kommt meist nicht auf den Punkt. Zehn Prozent der Anschreiben haben Schreib- oder Grammatikfehler. Das sollte Bewerbern natürlich nicht passieren. Schließlich haben unsere Mitarbeiter viel Kundenkontakt – auch schriftlich.
Akademiker schicken glücklicherweise nur selten Anschreiben aus vorgefertigten Textbausteinen, das kommt häufiger bei Auszubildenden vor. Gut ist es, wenn ein Bewerber in seinem Anschreiben den Adressaten der Bewerbung – den Leiter einer Geschäftsstelle oder einen Personaler – persönlich mit Namen anspricht.“
Michael Donat, Personalleiter bei MLP