Mitarbeiterbewertungen: Traditionsbranchen hinken in der Unternehmenskultur hinterher

Weil sie so wenig agil sind, werten Arbeitnehmer die Kernindustrien in Deutschland ab. Das lähmt nicht nur die Motivation.

karriere.de/ka | 17.07.2024
Im Maschinenbau ist die Unternehmenskultur noch nicht auf der Höhe der Zeit: Mitarbeiter fühlen sich stark kontrolliert und dürfen sich nur wenig trauen.

Schwerfällige Branche Im Maschinenbau ist die Unternehmenskultur noch nicht auf der Höhe der Zeit: Mitarbeiter fühlen sich stark kontrolliert und dürfen sich nur wenig trauen. © Karriere Foto: Science in HD on Unsplash

Mitarbeiter in den Traditionsindustrien wie dem Maschinenbau, der Automobilbranche oder den Banken, aber auch in der Öffentlichen Verwaltung, stellen in ihren Firmen deutliche Agilitätsdefizite fest. Dies nehmen sie als einen Mangel in der Unternehmenskultur wahr und werten ihre Arbeitgeber dafür ab. Dies geht aus einer aktuellen Analyse des Beratungsunternehmen NEO Culture hervor. Grundlage dafür waren 30.000 auf der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu abgegebenen Kulturassessments für Unternehmen aus zehn Branchen aus dem DACH-Raum.

Im Spiegel der Mitarbeiter schneiden dagegen drei Branchen auffallend positiv ab: IT, Internet und Beratung. Sie rangieren deswegen in der Gunst der Belegschaft so weit oben, weil Kollegialität und Motivation hier im Zusammenspiel besonders gut funktionieren.

Bewertungen wie „Sich kollegial verhalten“ oder „Für sein Team arbeiten“ wählen mehr 54,5 Prozent der Mitarbeiter in den Beratungen, in der IT sind es noch 52,5 Prozent. Etwas weniger als die Hälfte der Mitarbeiter der Internetbranche schließen sich dem an. Die Öffentliche Verwaltung kann da nicht mithalten: Nur etwas mehr als ein Drittel der Mitarbeiter hebt die Kollegialität besonders hervor.

Beim Thema „Motivation“ liegen wiederum Internet (42,6 Prozent), IT (42 Prozent) und Beratung (41,8 Prozent) vorn. Ihre Angestellten tragen gerne nach außen, dass sie „mit Begeisterung bei der Sache“ sind oder „die eigene Arbeit sinnvoll finden“. Etwas abgeschlagen liegt hier die Gesundheitsbranche mit gut einem Drittel positiver Bewertungen an vierter Stelle.

Weitaus weniger motiviert zeigen sich Mitarbeiter der Öffentlichen Verwaltung, im Handel und der Automobilwirtschaft. Nur gut ein Viertel ist hier voller Elan im Einsatz.

Angestellte fühlen sich „klein gehalten“

Das mag auch daran liegen, dass Mitarbeiter in diesen Branchen spüren, wie Macht auf sie ausgeübt wird. Viele fühlen sich „klein gehalten“ oder „eng kontrolliert“. Hier assoziieren Mitarbeiter aus Handel und Maschinenbau (jeweils 18,6 Prozent), Industrie (18,4 Prozent), Automobil (17,7 Prozent), Banken (17,5 Prozent) und Gesundheit/Soziales/Pflege (16,9 Prozent) ihre Arbeitgeber überdurchschnittlich oft mit den entsprechenden Begriffen.

Unterdurchschnittlich ausgeprägt sind diese als Schwäche der Arbeitgeber empfundenen Begriffe wiederum in den hervorstechenden Branchen Internet (13,1 Prozent), IT (12,5 Prozent) und Beratung (12,1 Prozent). Das korreliert mit einem als weniger stark empfunden Leistungsdruck in diesen Bereichen

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Überfordert – weil sie zum Beispiel häufig Überstunden machen müssen – fühlen sich hingegen Mitarbeiter im Handel, in Gesundheit/Soziales/Pflege und Automobil. Gerade in den im Zusammenhang mit Corona als systemrelevant charakterisierten Branchen Handel und Gesundheit/Soziales/Pflege ist das Empfinden von Druck besonders stark ausgeprägt.

Agiles Miteinander zieht Talente an

Folgt man der Einschätzung der Arbeitnehmer, so bewegen sich traditionelle Kernbranchen der Wirtschaft wie Automobil, Maschinenbau oder Industrie im deutschsprachigen Raum weit vom Agilitäts-Benchmark entfernt. Im Maschinenbau wählt nur knapp ein Fünftel der Arbeitnehmer Begriffe aus dem semantischen Agilitäts-Cluster wie „Neue Dinge ausprobieren“ oder „Sich was trauen“. Auch die Automobilwirtschaft, Banken und Öffentliche Verwaltung weisen hier unterdurchschnittliche Werte auf.

Über dem Durchschnitt liegen wiederum die „Glücklichen Drei“ Internet, Beratung und IT.

„IT, Internet und Beratung haben in der Wahrnehmung der Mitarbeiter bei vielen Kulturthemen die Nase vorn“, sagt Timm Richter von NEO Culture. Im „Wettbewerb um die besten Köpfe“ müssten sich die Traditionsbranchen „schon sehr anstrengen, um weiterhin zu den Talenten durchzudringen und eine glaubwürdige Alternative zu präsentieren.“ „Kulturen verändern sich nur langsam. Zwischen über Agilität sprechen und Agilität leben geht in den deutschen Traditionsbranchen die Schere offensichtlich weit auseinander“, sagt Yenia Zaba, Director Global Communications & Brand bei Kununu.

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