Lehramt: Quereinsteiger willkommen!
An Deutschlands Schulen fehlen Lehrer. Gerade Quereinsteiger haben zurzeit beste Chancen auf Beamtenstatus und lange Ferien. Geschenkt wird ihnen aber auch am Pult nichts.
Susanne Wurm entschloss sich gegen die Karriere in der Wissenschaft und für die Schule Foto: © Quirin Leppert
Ich leite ein dynamisches Zukunftsteam. Zu meinen Aufgaben gehören Organisation, Rechtsprechung und Motivation“, sagt die junge Frau. „Ach, eine Nachwuchsmanagerin“, denkt der Zuschauer sofort. Doch dann wuseln fröhliche Schulkinder durchs Bild. Falsch geraten: Die sympathische Blondine ist Lehrerin.
Mit dem Imagevideo „Zukunftsgestalterin“ wirbt die Privatschulkette Phorms auf Youtube für den „wichtigsten Beruf der Welt“. Personalchefin Ulrike Senff hofft so, mehr junge Leute für eine Schulkarriere zu begeistern: „Der Lehrerberuf sollte ein besseres Image bekommen. Lehrer transportieren Wissen und Werte und leisten einen zentralen Beitrag für die Zukunft der Gesellschaft“, sagt Senff. Vor dem Wechsel zu Phorms hat die 35-Jährige bei der Unternehmensberatung Boston Consulting Group sechs Jahre lang Nachwuchsführungskräfte rekrutiert. Entsprechend professionell geht sie die Suche nach Lehrkräften für bundesweit sieben Phorms-Schulen auf internationalen Karrieremessen an, insgesamt 40 will sie 2009 einstellen. „Auch Naturwissenschaftler mit erster Lehrerfahrung – beispielsweise als Dozent an der Uni – dürfen sich gerne bewerben“, sagt sie.
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Lehrer sind Mangelware
Die würde auch Volker Lieb sofort einstellen. Nur: „Der Markt ist leergefegt, auf unsere letzte Stellenausschreibung hat sich niemand beworben“, sagt der Leiter des Berufskollegs am Haspel in Wuppertal. Seine Schüler lernen zum Beispiel im zweiten Anlauf für den Hauptschulabschluss, für eine technische Berufsausbildung oder für das Technikabitur. Schon seit Monaten sucht Lieb einen Lehrer für Elektrotechnik.
Zwar strebt mittlerweile mehr als jeder zehnte Student ein Lehramt an. Die Zahl der Absolventen ist zuletzt auf fast 29 000 im Prüfungsjahr 2007 gestiegen. Der Löwenanteil will später jedoch Fächer wie Deutsch, Englisch, Sport oder Gemeinschaftskunde unterrichten. Lust auf die sogenannten MINT-Fächer Mathematik, Informatik, Technik und Naturwissenschaften verspürt nur jeder fünfte Nachwuchslehrer. Und wer den Mathe- oder Physik-Leistungskurs gepackt hat, strebt meist eine lukrativere Karriere als Ingenieur, IT-Profi oder Finanzmathematiker an.
Insbesondere an Gymnasien und technisch orientierten Berufsschulen wird das Fachpersonal knapp. Deutschlands größte Lehrergewerkschaft, der Deutsche Philologenverband (DPhV) in Berlin, schätzt, dass bereits 20 Prozent des Unterrichts in Mathe und Naturwissenschaften nicht mehr durch fachlich ausgebildete Kräfte erteilt wird, sondern von fachfremden Lehrern und Quereinsteigern ohne Pädagogikstudium.
Bedarf an Lehrern steigt stetig
In den kommenden Jahren wird sich der Mangel noch verschärfen, denn Deutschlands Lehrerschaft ist überaltert. Jeder zweite der rund 800.000 Lehrer ist älter als 50 Jahre. Angesichts eines durchschnittlichen Pensionierungsalters von 62,5 Jahren dürften sich allein in den kommenden fünf Jahren rund 200.000 Lehrer in den Ruhestand verabschieden. Das sind deutlich mehr als Absolventen an der Uni nachwachsen. Schlechte Pisa-Ergebnisse und die Forderung nach mehr Ganztagsschulen heizen den Bedarf noch weiter an. Viele Länder möchten nicht nur pensionsreife Pauker ersetzen, sondern noch zusätzliche Stellen schaffen.
Unter Köbkes 3300 Vermittlungswilligen befinden sich viele Quereinsteiger, die bei Bedarf auch zeitlich befristet einspringen. Für wechselwillige Ingenieure oder Naturwissenschaftler bietet sich so eine Vertretungsstelle als Testplattform an. Wer sich nach zwei oder drei Monaten an der Schule seinen alten Job zurückwünscht, hat auf dem Arbeitsmarkt noch Chancen – nach zwei Jahren Referendariat oder gar einem Zweitstudium ist der Zug dagegen abgefahren.
Lehrer brauchen eine gute Stimme und starke Nerven
Esther Rauhut etwa hat 2005 ein halbes Jahr lang vertretungsweise Mathe, Physik und Technik an einer Düsseldorfer Realschule unterrichtet, um das Lehrerleben auszuprobieren. „Der erste Tag war schon extrem“, sagt die 33-jährige Bau-Ingenieurin, die nach ihrem Diplom zweieinhalb Jahre für ein großes Ingenieurbüro arbeitete. Gestern die Statik für einen Prestigebau an der Kö berechnen, tags darauf Teenies die Glühbirne und den Flaschenzug erklären – das war für die Absolventin der RWTH Aachen eine enorme Umstellung: „Nach einer Stunde war ich total heiser und habe mich gefragt, was ich hier eigentlich mache.“
Doch als ihr beim Abschied Schüler weinend in die Arme flogen, war der Nachwuchslehrerin klar, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. „Der Schulalltag ist oft hart, aber längst nicht so hart wie auf der Großbaustelle“, sagt Rauhut.
Als Statikerin hat sie Millionenprojekte berechnet. Oft saß sie bis spät in der Nacht am Rechner, um mal wieder kurzfristige Änderungswünsche abzuarbeiten. Auf der Baustelle musste sie sich für Probleme anschreien lassen, die sie gar nicht verursacht hatte – und das alles für einen Nettomonatslohn von rund 1600 Euro.
Sicheres Gehalt als Lehrer verdienen
Als trotz guter Leistungen die versprochene Gehaltserhöhung ausblieb, begann sie, sich nach Alternativen umzusehen. Angespornt durch ihre Mutter, ebenfalls Lehrerin, entschied sie sich für den Schuldienst. Der ersten Vertretungsstelle folgte dann eine zweite am Gymnasium, bevor sie im Februar 2006 ihr Referendariat beginnen konnte. Dieser zweijährige Vorbereitungsdienst ist obligatorisch für angehende Lehrer, auch wenn sie als Quereinsteiger bereits einen Universitätsabschluss und erste Berufserfahrung mitbringen.
Zwar erkennen viele Bundesländer ein fachlich passendes Diplom alternativ zum ersten Staatsexamen eines Lehramtsstudenten an. Die praktische Ausbildung an einer Schule verbunden mit pädagogischen Seminaren bleibt Quereinsteigern aber nicht erspart, ebenso wenig wie das anspruchsvolle zweite Staatsexamen. „Mit 30 plötzlich wieder von Prüfern abhängig zu sein und mit deutlich jüngeren Studenten im Hörsaal zu sitzen, war gewöhnungsbedürftig“, sagt Esther Rauhut. Doch ohne die staatliche Prüfung können Lehrer nicht in den höheren Dienst an der Schule eintreten.
Verbeamtete Lehrer verdienen besser
Finanziell macht der Wechsel ins Lehrfach aber nur mit Beamtenstatus Sinn. Anders als bei den Tarifangestellten wird beim Beamtensold nämlich auch das Alter berücksichtigt. Quereinsteiger mit erster Berufserfahrung starten also gleich in einer höheren Stufe als Uni-Frischlinge. Einem 30-jährigen Ex-Ingenieur winken als Studienrat anfangs bis zu 3 250 Euro brutto pro Monat, als Angestellter startet er dagegen mit maximal 3 000 Euro. Dazu kommen bei Beamten eventuell noch Familienzulagen und früher oder später der Aufstieg zum Oberstudienrat.
Anders als Angestellte haben Beamte zudem keinerlei Abzüge für die gesetzliche Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung, die bei Angestellten rund 20 Prozent vom Bruttolohn verschlingt. Trotzdem gibt es einen Haken: Die Verbeamtung ist in den meisten Bundesländern nur bis zum 35. Geburtstag möglich. Ausnahmen sind Bayern und Baden-Württemberg, dort wird bis zum 45. verbeamtet, in Hessen neuerdings sogar bis zum 50. Geburtstag.
Wer glaubt, ins Lehrfach wechseln nur Weicheier, liegt schief. Das Märchen vom lauen Beamtenjob entzaubert Volker Lieb gleich im Vorstellungsgespräch: „Den Jobwechsel muss man sich hart erarbeiten“, sagt der Leiter des Wuppertaler Berufskollegs. Als Lehrer müsse man einen vollständigen Rollenwechsel vom lösungsorientierten Fachmann zum geduldigen Moderator von Lernprozessen hinlegen, so Lieb.
Die Realität ist für Lehrer oft hart
Wer das für ein Kinderspiel hält, der sollte sich bei Youtube nicht nur das zuckersüße Phorms-Werbevideo anschauen, sondern auch ein paar Filmchen mit Titeln wie Lehrer rastet aus, Lehrer dreht durch oder Schüler kotzt Lehrer in die Tasche. Dagegen zählen vergleichsweise lange Ferien, familienfreundliche Arbeitszeiten und – zumindest für Beamte – eine lebenslange Jobgarantie – zu den Pluspunkten des Jobs.
Von der niedrigen Stundenzahl – im Schnitt unterrichtet ein Vollzeitlehrer rund 22 Stunden pro Woche – sollten sich Wechselwillige nicht blenden lassen. Vor allem Berufsanfänger brauchen meist viel Zeit, um ihren Unterricht vorzubereiten. Dazu kommen Konferenzen, Elterngespräche, Korrekturarbeiten, Ausflüge, Projekte und die Vergabe der Zeugnisnoten.
Arbeitszeit oft über den vereinbarten Sätzen
Ihr tatsächliches Arbeitspensum schätzt Bau-Ingenieurin Esther Rauhut auf das Zwei- bis Dreifache der vereinbarten 25,5 Stunden. Seit Februar 2008 unterrichtet sie am katholischen Mädchen-Gymnasium St. Adelheid in Bonn Mathe und Physik und ist rundum zufrieden. „Die Kinder geben einem spontan und ehrlich Feedback – Bauwerke sind stumm“, sagt sie. Das Häuserbauen hat die Diplom-Ingenieurin allerdings doch nicht ganz aufgegeben: Gerade hat sie für ihre Mädels einen Technikkurs eingeführt, wo jede mit Säge, Lötkolben und Stromprüfschraubenzieher ihr eigenes Modellhäuschen baut – inklusive Beleuchtung und Alarmanlage.
Daniel Wild
Ein Monatsgehalt von 2.500 Euro fand Daniel Wild zu wenig für einen Bau-Ingenieur. Mehr aber wollte dem Absolventen der Fachhochschule Karlsruhe Anfang 2004 keiner zahlen. Dabei hatte Wild viel Energie in seinen einstigen Traumberuf investiert. Nach der Ausbildung zum Technischen Zeichner holte er die Fachhochschulreife nach und schloss das FH-Studium ab.
Wilds Plan B: Lehrer werden. Die verdienen etwas besser und haben familienfreundlichere Arbeitszeiten, so sein Kalkül. Referendarplätze gab es 2004 allerdings nur mit Uni-Abschluss. Der damals 24-Jährige entschied sich für das zusätzliche Studium zum Ingenieur-Pädagogen an der Universität Karlsruhe. Den damals neun Semester langen Studiengang packte Wild in vier. Mit seinem Diplom ging er nahtlos ins Referendariat über und verkürzte erneut – von 24 auf 18 Monate. Doch die Ernüchterung kam bald: „Meine Kombination aus Physik und Technik wollte zwar jede Schule – aber maximal für zehn Wochenstunden.“
Schließlich empfahl ihn ein Kollege an die private Stephen-Hawking-Schule. In Neckargemünd lernen Schüler mit und ohne Körperbehinderung. Daniel Wild unterrichtet nun Haupt- und Berufsfachschüler in Mathe, Physik und Technischem Zeichnen. Zu den Vorzügen der Schule zählt der 30-Jährige die technische Ausstattung, die kleinen Klassen und ihr Budget: „Bisher wurde mir jedes Fachbuch und jede Fortbildung bewilligt.“ Zwar beziffert Wild sein Arbeitspensum auf rund 50 Stunden wöchentlich – dafür stimmt aber endlich mal sein Lohn.
Susanne Wurm
Vor gerade mal acht Jahren hat Susanne Wurm an der Fachoberschule/Berufsoberschule (FOS/BOS) der bayerischen Kreisstadt Traunstein ihre Fachhochschulreife erworben. Heute unterrichtet sie hier selbst Mathe und Informatik. „Ich war immer sozial engagiert und fand den Lehrerberuf reizvoll, aber ohne Abitur war kein Lehramtsstudium möglich“, erzählt die 27-jährige Referendarin.
Stattdessen schrieb sie sich 2001 an der FH Regensburg für Mathematik ein und absolvierte Praktika bei einer IT-Firma. Doch der Funke sprang beim Programmieren nicht über. Ihre Diplomarbeit schrieb sie 2006 bei einem Medizintechnik-Unternehmen. „Ich dachte, hier könnte ich meine Kenntnisse nutzen, um Menschen zu helfen“, sagt sie. Aber Irrtum: „Das wissenschaftliche Arbeiten am Rechner macht einsam.“
So beschloss Wurm, ihre Chancen als Lehrerin erneut auszuloten. Um sich für das bayerische Trainee-Programm für Quereinsteiger zu qualifizieren, sattelte die FH-Absolventin an der TU München einen Master in Mathe und Informatik drauf. Der Abschluss hat sich gelohnt: Statt der üblichen mageren Anwärterbezüge erhalten die bayerischen Lehrer-Trainees 3225 Euro Bruttomonatsgehalt bei zwölf Unterrichtsstunden pro Woche im ersten und 18 im zweiten Referendariatsjahr. Zudem stehen Seminare in Pädagogik, Psychologie und Schulrecht auf dem Plan. Die Teilnehmer müssen je drei mündliche Prüfungen und Lehrproben ablegen.
Ab Herbst 2010 wird Susanne Wurm dann als Studienrätin an der FOS/BOS rund 3.300 Euro erhalten und nach drei Jahren zur Beamtin auf Lebenszeit berufen. Aus ihrer Sicht ist der Job perfekt. „Nur dass ich beim Ausgehen meine 20- bis 22-jährigen Schüler treffe, das ist gewöhnungsbedürftig.“
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