Jobs in der Werbung: Karriere für Kreative
Unternehmen geben wieder mehr Geld für Werbung aus. Das tut der Branche gut und bringt neue Jobs. Besonders jungen Kreativen, für die das Internet kein „neues Medium“ ist.
Achtung, die Eingeborenen greifen an: „Jetzt strömen die ,Digital Natives ins Berufsleben“, sagt Dickjan Poppema, CEO bei der Werbeagentur BBDO Campaign in Düsseldorf, „das wird die Welt der Werbung grundlegend verändern.“ „Digital Natives“, das sind für ihn die unter 25-Jährigen, die mit neuen Medien und Technologien aufgewachsen sind und damit unverkrampft und spielerisch umgehen. Der 41-jährige Poppema zählt sich selbst zu den „Digital Immigrants“ – den Zuwanderern, die erst als Jugendliche oder Erwachsene gelernt haben, mit den neuen Medien umzugehen.
Um mit den jungen Kreativen im Berufsleben mithalten zu können, muss sich seine Generation künftig kräftig anstrengen, glaubt Poppema. Denn die Grenzen zwischen der klassischen Werbung und den neuen Kommunikationskanälen verschwinden zunehmend. Wer bislang glaubte, der Digitaltrend würde wieder abflauen, hat sich geirrt. „Für die Jungen zählt das Internet schon zu den klassischen Medien“, sagt Poppema. Insofern ist die herkömmliche Unterscheidung nicht mehr sinnvoll. “ Und die digitalen Eingeborenen haben Glück: Werbeagenturen gieren nach Nachwuchs, der – egal ob als Texter, Art Director, Stratege oder Berater – alle Kommunikationskanäle beherrscht und sich unbefangen in den Medien bewegt. Denn das Geschäft zieht wieder an. Die Werbeausgaben der Unternehmen sind nach Angaben des Zentralverbands der deutschen Wirtschaft (ZAW) 2006 um immerhin fast zwei Prozent gewachsen. Für 2007 prognostiziert der ZAW erneut ein Plus zwischen ein bis zwei Prozent bei den Investitionen der Unternehmen in Werbung. Mit diesem Ergebnis liegt die Branche nach der Flaute zwischen 2001 und 2003 bereits im dritten Jahr auf Wachstumskurs. „Seit 2005, aber kräftig spürbar im Jahr 2006, haben die Personaleinstellungen in den Agenturen wieder zugenommen“, sagt Holger Jung, Chef der Werbeagentur Jung von Matt und Präsident des Gesamtverbands Kommunikationsagenturen (GWA).
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Auf ins Ungewisse
Es geht aufwärts – so viel steht fest. Unklar ist für viele Werbetreibende allerdings, wohin genau die Reise geht. Verunsicherung hat sich vor allem im Umgang mit den Kunden breit gemacht. „Das Kundenverhalten ist in den letzten Jahren deutlich anspruchsvoller geworden“, beobachtet Uli Veigel, CEO von Grey, der zweitgrößten Agentur in Deutschland. „Das Top-Management ist mittlerweile fast immer in Entscheidungen involviert. Das war früher nicht der Fall.“
Gleichzeitig haben die Controller ihre Macht ausgebaut und streichen die Werbebudgets zusammen. Der Leistungsdruck der Marketingabteilungen wird an die Agenturen weitergereicht.
Hinzu kommt, dass die Einschätzung, über welches Medium welcher Kunde am besten angesprochen werden kann, immer schwieriger wird. „Seit der Medienexplosion hat die Gefahr stetig zugenommen, sich kommunikativ zu verzetteln“, sagt Holger Jung. „Alle Werbungtreibenden sind entsprechend verunsichert und geben diesen verspürten Druck an ihre Agenturen weiter. Mehr denn je fordern sie Effizienz ein.“
Du da, kauf mich
Mit der Erkenntnis, dass es die eine Zielgruppe im Mediendschungel nicht mehr gibt, schwenkten die Werber in den vergangenen Jahren um: Aus der Zielgruppenansprache wurde die Zielpersonenansprache – die direkte Ansprache der Person, die das beworbene Produkt kaufen soll. Nahezu zwei Drittel aller Werbeausgaben in Deutschland fließen deswegen heute ins Direktmarketing, also in Werbesendungen, Telefon- oder E-Mail-Marketing.
Von 1997 bis 2004 haben sich einer Studie der Deutschen Post zufolge die Aufwendungen deutscher Unternehmen für Direktmarketing nahezu verdoppelt, die Tendenz ist weiter steigend. Zunehmend in den Mittelpunkt rücken dabei Werbeformen, die den Austausch mit dem Kunden suchen.
Große Hoffnungsträger sind dabei Internetportale wie „Second Life“ – ein virtueller Lebens- und Wirtschaftsraum, in dem Unternehmen wie Adidas oder American Apparel ihre Läden betreiben. Zurzeit ist das noch ein reiner Marketinggag ohne reale Umsätze. Doch Werber und Marketingexperten schauen wie elektrisiert auf die kommerzielle Entwicklung dieser Portale. Denn deren Nutzer sind in der Regel jung, finanzstark und konsumorientiert.
Zurück in die Zukunft
Experten rechnen mit weiteren Überraschungen auf dem Werbemarkt: „2007 werden wir mit neuen Playern auf dem Markt konfrontiert werden, die wir vorher nicht auf dem Radar hatten“, glaubt BBDO-Campaign-Chef Dickjan Poppema. Er denkt dabei unter anderem an Media- und PR-Agenturen, die abseits ihrer Kernkompetenz zunehmend Kreative und Strategen einstellen, um sich zu Full-Service-Agenturen, also Komplettanbietern, zu mausern.
Diese Entwicklung zwingt die Großen zu Neustrukturierungen, für die ihnen vor wenigen Jahren noch Mut und Geld fehlten. Viele machen jetzt das rückgängig, was in den 80ern und 90ern noch als zukunftsträchtige Strategie gefeiert wurde: die Ausgründung und Verselbstständigung von Agenturbereichen. So will Branchenführer BBDO im kommenden Jahr entweder Töchter verschmelzen oder zumindest seine Schwesteragenturen „Hand in Hand“ beim Kunden auftreten lassen.
Ursache dafür ist auch ein Trend, der die Agenturen seit Jahren beschäftigt: die integrierte, also die vernetzte Kommunikation auf allen Werbekanälen. Alle Maßnahmen sollen ineinander greifen und sich ergänzen – von den TV-Spots bis hin zum Direktmarketing. „Das ist es, was Kreative und Strategen heute leisten müssen“, sagt Dickjan Poppema. Dem Kunden eine fundierte Beratung zu geben, wo welche Werbung sinnvoll ist – das sei Hauptaufgabe der Agenturen.
Neben den Kunden und den neuen Full-Service-Agenturen sind es vor allem die kleinen Kreativschmieden, die den großen Netzwerken einheizen. Die Kleinen nutzen das Misstrauen, das besonders junge Unternehmen den etablierten Werberiesen wie BBDO, Grey oder Ogilvy entgegenbringen. Den Network-Werbern unterstellen sie bremsende Hierarchien. Anders als den unabhängigen und eigentümergeführten Agenturen, denen Kreativität, direkte Entscheidungswege und effiziente Produktionsabläufe zugeschrieben werden.
Tatsächlich fallen die unbekannteren Agenturen oft mit mutigeren Spots auf, die im Gedächtnis des Verbrauchers bleiben. Wie zum Beispiel die kleine Hamburger Agentur Nordpol, die mit ihrem Renault-Spot – in der ein Baguette einen Crashtest schadlos übersteht – zuletzt Preise abräumte. Oder die Agentur Heimat, die mit ihrer unkonventionellen Hornbach-Werbung im Stil eines Amateur-Videos überzeugte. Große Agenturen leiden dagegen häufig darunter, dass ihre Kunden, meist Konzerne, auf mittelmäßige Dauerberieselung statt auf Originalität setzen.
Dennoch sind bei allen Agenturen die Ansprüche an den Werbenachwuchs stark gestiegen. Sie suchen sowohl bei den Textern als auch bei den Strategen und Beratern „spezialisierte Generalisten“, wie es Florian Haller von Deutschlands größter eigentümergeführten Werbeagentur Serviceplan ausdrückt. „Man braucht Leute, die medienneutral denken und bei der interdisziplinären Umsetzung Spezialisten sind.“
Die Ansprüche sind hoch, die Bezahlung dagegen nicht. Einsteiger bekommen nach Angaben der Vergütungsberatung Personalmarkt als Kundenberater im Schnitt ein Jahresbruttogehalt von 29.960 Euro, Art-Direktoren erhalten 31.056 und Texter gehen am Jahresende mit lediglich 28.690 Euro nach Hause.
Da verwundert es nicht, dass viele große Agenturen mittlerweile Schwierigkeiten haben, qualifiziertes Personal zu gewinnen. „Gute Leute sind generell schwer zu finden“, heißt es im GWA-Herbstmonitor, einer der wichtigsten Branchenstudien. „Sie gehen heute eher in die Industrie als auf die Agenturseite.“ Denn dort sind die Gehälter in der Regel deutlich höher.
Zudem sehen viele Berufseinsteiger in der Werbebranche kaum Zukunft. Hier sind ständig frische Ideen – und damit auch junge Menschen – gefragt. Mit Mitte 30 sind Werber traditionell entweder in einer Führungsposition, haben den Absprung in die Marketingabteilung des besser zahlenden Kunden geschafft oder ihre eigene Agentur gegründet.
Doch auch hier beginnt langsam ein Umdenken. „Werbung braucht auch Erfahrung“, sagt Florian Haller, „die Mischung muss deshalb stimmen.“ Entwarnung für alle „Digital Immigrants“: Der gnadenlose Showdown mit den „Digital Natives“ bleibt ihnen also erspart.
So kommen Sie rein
Viele Wege führen in die Werbung. So finden Agenturen kreativen Nachwuchs:
1. Copytests: Mit diesen Kreativ-Checks, auch Ideentests genannt, überprüfen Agenturen, ob ein Bewerber das Zeug zum Texter hat. Die Tests sind auch für jene geeignet, die bislang wenig Werbe-Erfahrung hatten, etwa Quereinsteiger und Absolventen jenseits der Kreativstudiengänge. In der Regel stellt die Agentur einen Copytest mit etwa zehn Aufgaben zum Download auf ihre Webseite. Bewerber entwerfen Lösungen (auch mit Skizzen, Fotos etc.) und schicken sie mit den üblichen Bewerbungsunterlagen ein.
2. Nachwuchswettbewerbe: Hier fischen Agenturen besonders gerne nach Talenten, denn Wettbewerbe präsentieren ihnen die besten Kreativen auf dem Silbertablett. Wer zu den Siegern gehört, kann mit Jobangeboten rechnen. Zu den großen Nachwuchswettbewerben gehören der des Art Directors Club für Deutschland (www.adc.de) und der der GWA Junior Agency des Gesamtverbands Kommunikationsagenturen (www.gwa.de), den karriere als Medienpartner begleitet.
3. Abschlussveranstaltungen der Unis: Wer Grafikdesign, Kommunikationsdesign oder Visuelle Kommunikation studiert, hat es gut: Zur Abschlusspräsentation ihrer Absolventen laden die Unis Agenturen ein. Und die nutzen die Gelegenheit, den Nachwuchs auf Werbetauglichkeit abzuklopfen.
4. Werbekongress: Schon mal notieren: 14. bis 16. Juni in Berlin. Dann steigt wieder der Werbekongress, eine Veranstaltung für Studierende, die einen Job in der Kommunikationsbranche anstreben. Werbeagenturen wie Jung von Matt, Grey und BBDO gehen dort auf die Pirsch nach Frischfleisch.
5. Praktika: Aus dem Pool der Praktikanten bekommen die Besten eine Chance auf Festeinstellung. Im Stress des Tagesgeschäfts kristallisiert sich bald heraus, wer auch unter Druck Ideen entwickelt und geschickt mit Worten und Bildern umgehen kann.
Deutschlands kreativste Agenturen*
1. Scholz & Friends
2. DDB Group Germany
3. Ogilvy Deutschland
4. Jung von Matt
5. Nordpol
6. BBDO Germany
7. TBWA Deutschland,
8. Grey Global Group Germany
9. Neue Digitale
10. Heimat,
11. Grabarz & Partner
12. KNSK
13. Saatchi & Saatchi
14. Kolle Rebbe
15. Serviceplan
*nach Anzahl renommierter Auszeichnungen, z.B. Cannes Lions, Clio Awards, ADC, Effie; Quelle: Horizont 2006
Lesen Sie auf den Seiten 4 und 5 Interviews mit Werbe-Experten
Sebastian Turner, Geschäftsführer der Werbeagentur Scholz & Friends in Berlin
Junge Karriere: Herr Turner, wie wird das Jahr 2007 aussehen?
Turner: Wir hoffen auf einen leichten Anstieg und rechnen sicher mit einer weiteren Verschiebung zum Interaktiven.
Die Trends?
User generated content – sprich Internet zum Mitmachen. Der Dauertrend ist aber unverändert: Kreativität schlägt Budget.
Inwieweit wird sich Ihr Unternehmen an die Entwicklung anpassen müssen?
Wir arbeiten seit mehreren Jahren daran, von einer klassischen Werbeagentur zu einem ganzheitlichen Orchester aller Kommunikationsinstrumente zu wachsen.
Und was haben Sie sich vorgenommen?
In der aktuellen Handelsblatt-Befragung der Marketingchefs steht Scholz & Friends beim Thema Ganzheitlichkeit bereits an der Spitze. Diese Position wollen wir weiter ausbauen.
Was ist dabei Ihr persönlicher Traum?
Die noch bessere Idee.
Stephan F. Rebbe ist Geschäftsführer der Hamburger Agentur Kolle Rebbe
Junge Karriere: Herr Rebbe, was ist vom deutschen Werbemarkt 2007 zu halten?
Rebbe: Der Aufschwung ist da, er wird anhalten und die Auftragslage der Kommunikationswirtschaft weiter anfeuern.
Was bedeutet das für die Agenturen?
So wie einige Hersteller im Weihnachtsgeschäft mit Lieferengpässen zu kämpfen hatten, weil zu pessimistisch geplant wurde, werden auch die Agenturen ihre auf Minimalgröße reduzierten Personalbestände 2007 aufstocken.
Welche Trends sehen Sie?
Online wird die Marketingregeln weiter verändern: Regel Nummer eins: Die Kunden werden noch schlauer, wo der niedrigste Preis zu Hause ist. Regel Nummer zwei: Nichts ist leichter zu schlagen als der niedrigste Preis. Regel Nummer drei: Echte, glaubhafte Markenwerte, zum Beispiel Bionade, sind die am schwersten zu schlagenden Facetten im Kampf um die Gunst der Kunden. Regel Nummer vier: Konzentriere dich auf Regel Nummer drei. Regel Nummer fünf: Folge deinen Kunden beim Weg durch die Medien.
Regel Nummer sechs: Bitte nicht zu viele Regeln, oder?
Regel Nummer drei ist wichtig: Die Konzentration auf echte, glaubhafte Markenwerte ist unsere Chance. Das bedeutet, unsere Kunden in allen Bereichen der Markenführung – von der Produktinnovation über neue Vertriebsideen bis zu internen Workshops – mit ungewöhnlichen, markengerechten Ideen nach vorn zu bringen. Immer so, als würde uns selbst das Unternehmen gehören, das uns gerade beauftragt.
Was ist Ihr persönlicher Berufstraum?
Kunden, die den Satz: „Ich weiß, das Timing ist eng, aber die Marktforschung hat viel Zeit in Anspruch genommen …“ aus ihrem Wortschatz gestrichen haben.
Anette Scholz, „Head Interactive“ der Wunderman Gruppe Deutschland und Professorin für Design digitaler Produkte an der Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design Halle
Junge Karriere: Frau Scholz, wie wird sich der deutsche Werbemarkt entwickeln?
Scholz: Ich glaube, dass es 2007 genauso positiv weitergeht, wie wir es bereits 2006 erlebt haben. Das Jammern ist vorbei, und die Grundstimmung ist positiv. Es ist schön zu sehen, dass wieder vorausschauend angepackt wird.
Was wird 2007 anders sein?
Nachdem uns jahrelang eine Welt voller perfekter Schönheit und inszenierter Lebenswelten vorgegaukelt wurde, sehnen wir uns wieder nach Echtheit und danach, wirklich berührt zu werden. Freuen wir uns also auf eine ehrlichere, authentischere und unperfektere Welt.
Was wird die Aufgabe für Ihr Unternehmen sein?
Integrierte Kommunikationskonzepte zu entwickeln, die es schaffen, Menschen wirklich zu berühren.
Was erhoffen Sie sich von Ihrer beruflichen Arbeit?
Durch das, was ich tue, Menschen zu inspirieren.
Chris Vulpi, Managing Partner bei Locomotion Digital Facilities. Die Agentur in Düsseldorf gilt in der Werbebranche als der Spezialist für Postproduktion.
Junge Karriere: Herr Vulpi, wie wird sich der deutsche Werbemarkt 2007 entwickeln?
Vulpi: Deutschland braucht mutige Werbung – gerade weil Deutschland wieder im Aufschwung ist. Vor allem das Marketing via Internet wird wachsen. Wichtig ist, die Kunden nicht als anonyme Masse, sondern als Individuen anzusprechen.
Was sind die Trends 2007?
Die Verschmelzung von Internet und TV ist die Zukunft. Kunden und User können viel besser in Themen und Ideen einbezogen werden und sich einbringen. Kunden werden Producer! Es wird viel mehr integrierte Kampagnen geben.
Worin liegen die Chancen für Ihr Unternehmen?
Die Agenturen entwickeln die Strategien und Ideen – und dann bratchen sie uns: wir beschaffen das Feeling. Dafür sind wir bekannt, und das wollen wir weiter stärken.
Was ist Ihr persönlicher beruflicher Traum?
Ich liebe es, wenn uns ein Klient auffordert, mit ihm neue kreative Wege zu gehen. Das ist immer eine große Herausforderung. Deswegen liebe ich auch meinen Job: das ständige Streben danach, Unmögliches möglich zu machen.
Rob Reilly ist Creative Director bei Crispin Porter + Bogusky in Miami.
Die Agentur ist eine der größten in den USA. Möglicherweise werden die Amerikaner bald auch in Deutschland eine Tochtergesellschaft gründen.
Junge Karriere: Mister Reilly, was sind die Werbe-Trends 2007?
Reilly: Ich mag es eigentlich nicht, irgendetwas vorauszusagen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man prognostizierten Fehlschlägen nicht trauen sollte. Deswegen wäre es grundsätzlich gut, wenn die Agenturen sich auch in Zukunft nicht von ihren Ideen abbringen ließen und mutig auftreten würden.
Was halten Sie vom deutschen Markt?
In Deutschland gibt es großartige Agenturen. Der Ideenreichtum und die Qualität der Umsetzung sind exzellent. Wenn die Agenturen die Chance bekämen, die Sterne neu zu erfinden, sie würden es tun. Nur leider bekommen sie nicht so oft die Gelegenheit. Die Kunden sind zurückhaltender als bei uns.
Wie interessant ist der deutsche Markt?
Interessant ist, wenn man beobachten kann, dass eine sehr gute Idee in Deutschland genauso gut funktioniert wie in den USA. Für mich bedeutet das, dass die USA und Deutschland zwar in vielen Dingen sehr unterschiedlich sind, aber in noch mehr sehr ähnlich.
Was ist das Besondere Ihrer Agentur?
Wir glauben tatsächlich, dass alles möglich ist.
Was ist Ihr persönlicher Traum?
Ich würde gerne einmal für die Fußballnationalmannschaft spielen – egal von welchem Land.
Achtung, fertig, kreativ
Zeige mir deinen Copytest, und ich sage dir, ob du zum Werbetexter taugst! Bei den Einstellungstests der Agenturen haben Langweiler keine Chance. Wie’s richtig geht, zeigt Junior-Texter Taner Ercan exklusiv für karriere. Mit diesen Lösungen ergatterte er sein Praktikum bei Ogilvy & Mather.
Die Aufgaben…
1. Der Witz
Unser Art-Director Jens erzählt mal wieder einen unlustigen Witz: „Ein unvorsichtiger Elektriker…“ Leider muss er schon beim ersten Satz so lachen, dass er nicht mehr weitererzählen kann. Hilf ihm aus der Patsche und beende den Witz für ihn.
2. Der Binding-Spot
Die Brauerei Binding ist ein Frankfurter Traditionshaus. Nun will Binding demnächst einen TV-Spot schalten, den du schreiben sollst. Mach den Leuten da draußen Lust auf Binding! Du hast 30 Sekunden Zeit.
3. Die WWF-Promotion
Zum Leidwesen unseres Kunden WWF ist dem Wildern von geschützten Tierarten nicht beizukommen. Mit welcher Promotion bringst du die Menschen dazu, den WWF in seinem Kampf für den Artenschutz zu unterstützen?
4. Das Globus-Plakat
Das SB-Warenhaus Globus in Süddeutschland ist ehrlich und bodenständig. Das Fleisch kommt noch vom Metzger. Das Brot vom Bäcker. Und die Bedienung vom Nachbardorf. Deshalb lautet der Claim auch: „Da ist die Welt noch in Ordnung.“ Was jetzt noch fehlt, sind Plakate für frisches Fleisch und Geflügel aus der Region, die zeigen, dass die Welt bei Globus wirklich noch in Ordnung ist.
…und wie Taner Ercan sie löste
1. Ein unvorsichtiger Elektriker…wird schnell zum leitenden Angestellten!
2. Zwei junge Männer sitzen im Halbdunkeln vor dem Fernseher und schauen Fußball oder einen Film. Auf dem Tisch vor ihnen Chips und zwei Flaschen Bier. Die Kamera ist frontal auf sie gerichtet. Plötzlich fällt der Strom aus. Auf einen Schlag ist alles dunkel. Man kann nichts mehr erkennen. Nach einer kurzen Pause hört man ein Kramen und ein Rascheln. Typ 1: „Sag mal…hast du das Feuerzeug?“ Typ 2: „Moment…“ Jetzt hört man, wie zwei Bierflaschen aufgemacht werden. Dann stoßen sie an. Alles im Dunkeln. Sprecher: „Hauptsache Binding.“
3. Jährlich fallen Abertausende Tiere der Wilderei zum Opfer. Nur weil Handtaschen aus Krokodilleder, Jacken aus Leopardenfell oder Robbenfell-Mützen besonders extravagant zu sein scheinen. Um diesen Massenmord zu visualisieren, zeichnen wir mit Kreide die Umrisse von 5.000 getöteten Tieren auf einen großen und stark frequentierten Platz. Ähnlich also, wie auch die Polizei Unfall- oder Gewaltopfer dokumentiert. Der Betrachter steht auf dem Marktplatz in einem Meer von Tierleichen. An den Umrissen stehen kleine Aufsteller: „Leopard. Getötet für eine Jacke.“ „Krokodil. Getötet für zwei Taschen.“ „Robbe. Getötet für drei Mützen.“
4. Bei Globus ist die Welt noch in Ordnung. Da hat das Geflügel, das man heute schon kaufen kann, gestern noch im Nachbardorf nach Würmern gescharrt. Frischer und regionaler geht’s nicht! Diese Plakate werden an Feldern, Wiesen und Scheunen landwirtschaftlich geprägter Gegenden platziert. Damit der Kunde auch sieht, wo sein Fleisch herkommt! Plakat Kuh: „Gestern war sie noch hier. Morgen gibt es hausgemachte Wurst, Schnitzel und Braten bei Globus.“ Plakat Huhn: „Gestern waren sie noch hier. Heute beginnen die Geflügel-Wochen bei Globus.“
Der Bewerber: Wie ich auf die Lösungen gekommen bin
Früher habe ich immer gedacht, Werbetexter sind spontan kreativ. Die sagen einen Satz, und der gewinnt dann Gold in Cannes. Heute weiß ich, dass man sehr lange schürfen muss, bis ein winziges Goldnugget übrig bleibt. Da landet erst mal ganz viel in der Mülltonne. Auch an dem Ideentest, mit dem ich mich bei Ogilvy um ein Praktikum beworben habe, habe ich lange herumgebastelt. Für acht Aufgaben waren es letztendlich drei Wochen. Man darf sich das aber nicht so vorstellen, dass ich am Schreibtisch sitze und einfach nur nachdenke. Ich schreibe erst mal ganz viel Zeug runter, lauter spontane Einfälle. Dann lasse ich es liegen und schaue am nächsten Tag wieder drauf. Mit den Aufgaben gehe ich regelrecht schwanger, bis die Ideen kommen – beim Sport, in der S-Bahn oder kurz vorm Einschlafen.
Dass einige meiner Ideen recht provokant wirken, ist so beabsichtigt. Zum Beispiel bei der WWF-Kampagne: Um in der heutigen Zeit Menschen aufzurütteln, muss man einfach ein wenig provozieren, sonst hört keiner zu. Zuerst habe ich mir überlegt: Viele dieser Tiere sind Opfer der Luxusindustrie – also muss ich sie auch als solche darstellen. Aber wie zeigt man Opfer? Mit Grabkreuzen? Mit Särgen? Weil meine Aktion auf einem großen Platz stattfinden sollte, wäre das zu aufwändig gewesen. Deshalb kam mir irgendwann die Idee mit den Kreide-Umrissen, die jeder aus TV-Krimis kennt. Dass sich manche meiner Vorschläge wahrscheinlich nicht umsetzen lassen, war mir immer klar. Natürlich wird sich kein Bierbrauer auf einen Spot wie bei der Binding-Idee einlassen, weil man ja sein Bier nicht sieht.
Aber darum ging es auch gar nicht: Mich haben diese klischeetriefenden Bierwerbungen genervt, wo im Hintergrund wunderschöne Seen zu sehen sind. Wenn ich Bier trinke, dann mit Kumpels oder in einer Kneipe. Deshalb wollte ich den Spot ehrlich und direkt machen. Meine Art, ein wenig anders zu denken, ist offenbar gut angekommen: Das Praktikum habe ich bekommen – aber nicht in der Gestaltung, wofür ich mich eigentlich beworben hatte, sondern im Bereich Text. Offenbar habe ich mich da ganz gut gemacht: Im Oktober hat mich Ogilvy als Junior-Texter fest übernommen.
Taner Ercan, 30, hat Kommunikationsdesign studiert. Seit Oktober 2006 arbeitet er als Junior-Texter bei der Werbeagentur Ogilvy & Mather in Frankfurt.
Der Kreativ-Chef: Warum wir Taner Ercan eingestellt haben
Wir haben den Copytest schon vor einiger Zeit in Ideentest umbenannt. Früher richtete er sich nur an Texter. Heute suchen wir vor allem Leute, die überraschende Ideen entwickeln können – egal ob sie aus Gestaltung oder Text kommen. Deshalb übersetze ich das Wort Kreativität gern mit „die Regeln brechen“. Taner ist ein gutes Beispiel dafür, wen wir suchen: Der traut sich auch mal, ungewöhnliches Zeug zu sagen und schräg zu denken. Das hat mir an seinem Ideentest gleich gefallen: Er will provozieren, sagt beim WWF-Beispiel nicht nur lieb: „Wir wollen die Tiere retten.“
Am mutigsten finde ich seine Globus-Geschichte – auch wenn mir klar ist, dass sich keiner trauen wird, sie umzusetzen. Aber brav ist der Alltag schon von ganz alleine. Wir Werber unterliegen ja permanent Restriktionen: Diese Idee geht dem Kunden zu weit, jene ist nicht politisch korrekt, die dritte passt nicht zur Marke. Wenn wir dann auch noch Leute hätten, die sich selbst dauernd bremsen, kämen wir niemals weiter. Dass Taner sich mit den Skizzen für den WWF nicht so viel Mühe gegeben hat, ist da eher Nebensache. Schließlich will ich ihn ja nicht als Art Director einstellen. Der ist Texter, das merkt man sofort. Bei uns gehen pro Jahr etwa 30 bis 40 ausgefüllte Ideentests ein. Davon taugen nur zehn Prozent so viel, dass ich die Bewerber zum Vorstellungsgespräch einlade. Oft schicken sie uns nur gewöhnliche, banale Gedanken.
Im Fall des Globus-Marktes steht dann zum Beispiel eine Verbraucherin vor dem Geschäft und sagt sinngemäß: „Bei Globus ist alles besser als bei den anderen.“ Die meisten Bewerber wollen fatalerweise besonders erwachsen wirken, so nach dem Motto: „Seht her, ich kann auch Werbung.“ Dann schicken sie uns in ihrem Ideentest lächelnde Frauen, glückliche Babys und kleine Hunde. Aber das habe ich schon 100 Mal gesehen. Das andere Extrem sind die gewollt Wilden. Die gefallen sich darin, unter die Gürtellinie oder in den Fäkalbereich zu gehen – auch wenn das mit der Aufgabenstellung nichts zu tun hat. Man spürt bei vielen Bewerbern, dass wir in Deutschland keine Kultur haben, sich mit Kommunikationsideen auseinander zu setzen.
Delle Krause, 54, ist Kreativ-Chef bei Ogilvy Frankfurt und Nachwuchsbeauftragter des Art Directors Club für Deutschland (ADC).
Und jetzt Sie!
Haben Sie das Zeug zum Werber? Die originellsten Aufgaben aus den Copytests großer Agenturen
Zum goldenen Hirschen:
Wir brauchen einen TV-Spot für Toilettenpapier. Wir haben rausgefunden, dass die Lieblingsfarbe der Frau des Marketingchefs Gelb ist und der Marketingchef selbst voll auf Sportwagen steht. Außerdem sagt die Marktforschung, dass die Mehrheit der deutschen Klopapierverwender das Papier zusammenlegt (während die Amerikaner zum Knüllen neigen). Aus diesen drei Infos musst du einen Spot machen, der uns den Etat bringt!
Kolle Rebbe:
Du bist eine Türklinke in einer Bahnhofstoilette. Was sagst du, damit die Leute dich trotzdem gerne anfassen?
Springer & Jacoby:
Einen guten Texter erkennt man daran, dass er auch zu den abwegigsten Themen Texte schreiben kann, die überzeugen. Schreibe zu einem der beiden Themen eine Longcopy von mindestens 2.000 und höchstens 3.000 Anschlägen. Wenn sich der Leser wünscht, dass der Text noch länger wäre, hast du deinen Job gut gemacht.
1. Sommergrippe – der unterschätzte Freizeitspaß
2. Wild und romantisch – über die Schönheit der Mathematik
Jung von Matt:
Du hast plötzlich eine Idee für eine Apollo-Anzeige. Du erzählst deinem Creative Director davon, und er ist begeistert: „Sofort machen.“ So weit, so erfreulich. Aber: Das Motiv zeigt eine leicht übergewichtige Frau. Da Apollo leider nicht viel Geld für diese Sonderidee übrig hat, brauchen wir eine Mitarbeiterin aus der Agentur, die für uns das Model gibt. Schreib eine E-Mail an alle Mitarbeiter, in der du nach einer etwas zu dicken Frau zwischen 25 und 35 suchst. Und merke: Eine ungewöhnliche Betreffzeile kann sogar Werber überzeugen.
Aimaq Rapp Stolle:
Schriftliche Bewerbungen haben wir genug. Überlege dir eine Promotion-Aktion, in der du dich selbst bewirbst. Was könnte uns dazu bringen, dich einzustellen? Die irische Volleyballmannschaft im Bikini? Ein geheimnisvoller Schließfachschlüssel vom Bahnhof-Zoo? Ein Plakat vor unserer Agentur mit Flugzettelverteilung? Vorsicht: Sei darauf gefasst, dass du die Aktion wirklich umsetzen musst.
Grabarz & Partner:
Sie kommen nach Hause. Der Fernseher läuft. Sie hören gerade noch, wie im TV jemand sagt: „Gut, ich wollte sowieso gerade gehen.“ Ihre Freundin/Ihr Freund lacht sich schlapp. Was ist vorher in dem Film passiert?
Butter:
Die Berliner Bäckerei „Butterstulle“ kommt auf die Idee, Berliner Ballen mit Butter- statt Marmeladenfüllung herzustellen. Welche Briefsendung schafft es, die Nachbarschaft vom neuen Produkt zu überzeugen?
Leo Burnett:
Wie kann man etwas mit eigenen Worten sagen, wenn es keine eigenen Worte gibt? Alles eine Frage des Stils. Die Situation: Sie fragen eine Person, ob sie Ihnen über die Straße helfen kann. Und nun stellen Sie sich bitte vor, Sie wären
a) ein Schriftsteller drittklassiger Schnulzenromane
b) ein Lude aus dem Frankfurter Bahnhofsmilieu
c) ein vorpubertärer Teenager in der Blüte seiner Pickel
d) der nette Märchenonkel mit Bart und Freizeithose
e) Sie selbst.
Wie würden Sie sich jeweils ausdrücken?
Maxi-Aufwand für den Mini
Wer gerne alleine vor sich hin wurstelt, ist in einer Agentur fehl am Platze. Denn bei jeder Kampagne legen eine Menge Leute gemeinsam Hand an – mit so unterschiedlichen Berufen wie „Planner“ oder „Art Buyer“. Junge Karriere zeigt, wie Mitarbeiter der Agentur Jung von Matt in Hamburg die internationale Kampagne für den neuen „Mini“ gebastelt haben. Vorerst durften sich die Hamburger das letzte Mal um das kleine Kult-Auto kümmern: Jung von Matt hat seinem Rivalen Springer & Jacoby den Kunden Mercedes weggeschnappt. Aus Wettbewerbsgründen muss Jung von Matt dafür nun die Kampagnen für den Mini und BMW abgeben. Der eine Auftrag wandert zur Agentur Plantage, der andere zu Media Arts Lab. Bis zur nächsten Ausschreibung oder zum nächsten „Pitch“, wie es in der Branche heißt. Auf einem Etat ausruhen ist nicht. Die Konkurrenz schläft nie, nie, nie.
Sebastian Kemmler, 27, Junior-Planner und Effizienzer, Gelernt: Studium Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation
Als „Planner“ kümmere ich mich um die Markenstrategie und lege die Stoßrichtung einer Kampagne fest. Dafür kläre ich grundsätzliche Fragen: Was gibt die Marke vor, wo wollen wir mit der Marke hin? Welche Produkteigenschaften sollen betont werden, wie sieht der Wettbewerb aus, was wünscht die Zielgruppe? Bei der Mini-Kampagne mussten wir den Spagat schaffen, einerseits „neu“ zu sagen, weil es sich um eine grundsätzliche Neuausgabe des Mini handelte, andererseits aber der Kultmarke Mini treu zu bleiben. Es galt, den neuen Mini zu feiern, ohne den alten fertig zu machen. Diese Aspekte habe ich zur Kernbotschaft „They did it again“ verdichtet. Von diesem „kreativen Sprungbrett“ aus arbeiten unsere Kreativen weiter. Als „Effizienzer“ komme ich am Ende wieder ins Spiel und messe, wie wirksam eine Kampagne ist. Ich schaue mir Zahlen zu Werbebekanntheit, Probefahrten und Verkauf an. Sehen die schlecht aus, korrigieren wir nach.
Oliver Voss, 40, Texter und Kreativ-Chef, Gelernt: Nach dem Abitur Direkteinstieg Text
„They did it again“ lautete unser Arbeitstitel. Der Slogan sollte also an die vorigen Erfolge von Mini anknüpfen, aber es fehlte ihm noch der Schwung im Sinne von „Jetzt passiert etwas Atemberaubendes“. So bin ich erst auf „Breathtaking Mini“ gekommen und von dort zu „Incredibly Mini“ – „Unglaublich Mini“ für die deutsche Kampagne. Auf Anhieb klingt der Spruch sehr einfach, aber er erwies sich als perfekte Klammer für Anzeigen und TV-Spots: Er formuliert den Anspruch, dass in der Kampagne unglaubliche Sachen passieren. So kamen wir etwa auf die Idee, dass zwei Typen mit einem Mini so schnell durch ein Maisfeld brettern, dass es zu Popcorn wird. Als Texter schreibe ich auch die Skripte für die Werbefilme, wie ein Drehbuchautor. Außerdem bringe ich als „Group Head“ junge Talente auf die richtige Spur: Zehn Leute aus meinem Team haben Hunderte von Spot-Ideen entwickelt. Ich moderiere die Diskussion und wähle die besten aus.
Susanne Nagel, 41, Art Buyerin, Gelernt: Werbekauffrau und Fotografin
Ich bin „Art Buyerin“, das heißt, ich organisiere die Fotoshootings für unsere Kampagnen. Mein Job ist es, Fotografen, Locations und Modelle einzukaufen. Bevor es aber zu dem Fototermin kommt, steht eine Menge Arbeit an. Zuerst setze ich mich mit den Kreativen zusammen und diskutiere mit ihnen die Umsetzung ihrer Zeichnungen, den so genannten Scribbles. Zum Beispiel: Wie soll das Auto von der „Lackigkeit“ her aussehen? Wir waren uns einig, dass der Mini richtig schön knackig, hochglänzend rüberkommen muss. Dann schaue ich mir Mappen von Fotografen an, schlage dem Kreativen geeignete Fotografen vor und hole Kostenvoranschläge ein. Ist die Entscheidung für einen Fotografen, eine Location und einen Termin gefallen, wird der Fotograf von mir und der Kreation gebrieft: Aus welcher Perspektive wird der Mini fotografiert, wie wird das Licht gesetzt et cetera.
Götz Ulmer, 40, Creative Director Art, Gelernt: Studium Kommunikations-Design
Bei unseren Kampagnen bin ich einerseits dafür zuständig, die konzeptionellen Ideen der Teams zu steuern, und obendrein für die visuelle Darstellung. Am liebsten lege ich aber immer noch selbst Hand an: In der heißen Anfangsphase einer Kampagne gehe ich mit Oliver Voss ins Café September, da haben wir Ruhe und lassen unseren Gehirnen Auslauf. Oliver denkt in Überschriften, ich male unsere Ideen auf. Von solchen Kritzeleien war es später nur ein kleiner Schritt zu fragen: Warum lassen wir den Mini nicht auf den Buchstaben fahren? Es ist wichtig, mit einem guten Partner zusammenzuarbeiten, denn irgendwann stößt man an die eigenen Schädelgrenzen. Zu zweit läuft es wie beim Pingpong. Oliver fängt an: „Also, der Spot geht so los: Zwei Typen rasen durch eine Kanalisation und dann kommt…“ Dann sage ich: „Ach so, als du es erzählt hast, dachte ich…“, und so weiter. Schließlich wähle ich den Fotografen beziehungsweise den Regisseur aus, die unsere Ideen mit ästhetischem Gespür umsetzen.
Jasmin Bedir, 30, Projektleiterin,Gelernt: Studium Kommunikationswissenschaften
Bei Jung von Matt sind die Projektleiter die zentralen Ansprechpartner für den Kunden. Das geht los mit der Einladung zum Pitch: Zusammen mit dem „Planner“ schreibe ich an der Wettbewerbspräsentation und „übersetze“ das Kunden-Briefing zusammen mit dem Creative Director in ein Briefing für unsere Kreativen. Sobald erste Entwürfe auf dem Tisch liegen, beginnt die Diskussion, ob die Ideen tatsächlich dem Kunden-Briefing entsprechen. Ist das der Fall, präsentieren wir die Kampagne vor dem Kunden. Die Ergebnisse gebe ich an mein Team weiter. Bei einer internationalen Kampagne wie für Mini ist das besonders spannend. In Spanien und Frankreich etwa ist alles ein Problem, was mit Verkehrswidrigkeiten zu tun hat. Solche Aspekte müssen mit einer speziellen Variante bei den Filmdrehs berücksichtigt werden und in meine Budgetkalkulation einfließen. Außerdem spiele ich die Einpeitscherin: Die Zeit ist immer knapp, trotzdem müssen wir das Kunden-Timing einhalten.
Schmiede für Querdenker
Wenn du glaubst, du hast alles verstanden, wechsel die Perspektive. Unter diesem Motto drücken in der Essener Zollverein School der Marketing-Profi und die Grafikerin gemeinsam die Schulbank. Wo scheinbare Gegensätze aufeinander prallen, sieht die Business School Denkanstöße für den Führungsnachwuchs.
Tom steht mit seinem Kühlschrank auf Kriegsfuß. Als Geschäftsmann ist er viel unterwegs, sitzt am frühen Abend noch im Flieger und hat keine Lust, sich in die Schlange an der Supermarktkasse einzureihen. Der schlecht ernährte Vielflieger ist der Held einer Präsentation, die vier Studenten der Essener Zollverein School of Management and Design ihren Kommilitonen vorstellen.
Ihre Antwort auf Toms Problem heißt „catch and carry“, ein Supermarktkonzept, bei dem der Handel zum Kunden kommt. Ohne Zeit zu verlieren, kann Tom am Startflughafen oder in der Luft Lebensmittel bestellen und muss sie anschließend nur noch abholen und nach Hause tragen. Die dahinterstehende Logistik haben die Studenten genau ausgeklügelt, auch die Zielgruppe haben sie ausgemacht. 70 Prozent der Deutschen empfinden nach ihren Recherchen den Einkauf von Lebensmitteln als lästig.
Weg mit alten Zöpfen
Das Team aus BWLern und Kreativen exerziert vor den Mitstudenten die Methodik, die in Essen gelehrt wird: Im Alltag einen Trend oder ein Bedürfnis aufspüren, auf dieser Basis ins Blaue spinnen und schließlich ein marktfähiges Produkt daraus entwickeln. „Wenn es um Innovationen geht, kommt man mit dem klassischen Marketing nicht weiter, weil es eher Bestehendes analysiert“, sagt Andrej Kupetz, Präsident der Zollverein School. Viele Unternehmen laufen seiner Meinung nach Gefahr, vergangene Erfolge oder Misserfolge zu betrachten und Altbewährtes zu wiederholen, anstatt nach neuen Impulsen Ausschau zu halten. Mit der ergebnisoffenen Arbeitsweise der Designer will ihnen die Zollverein School auf die Sprünge helfen. Umgekehrt versorgt das Aufbaustudium Kreative mit betriebswirtschaftlichem Handwerkszeug. Denn sie müssen die Sprache der Zahlenmenschen sprechen und harte Fakten auffahren, um andere von ihren Ideen zu überzeugen.
Die Erfinder von „catch and carry“ haben potenzielle Kunden auf ihrer Seite. Denn Toms Problem erfahren viele im Seminar regelmäßig am eigenen Leib. Sie alle stehen im Job, den Executive MBA „Business Design“ machen sie nebenbei. Alle drei Wochen reisen sie für vier Tage nach Essen, um an den Präsenzveranstaltungen teilzunehmen. Projektarbeit und Selbststudium kommen noch obendrauf. Trotzdem hört man keine Klagen. „Ich habe es noch nie erlebt, dass ich nach so einem intensiven Wochenende montags unmotiviert in die Firma gegangen bin“, erzählt Kommunikationsdesignerin Kirsten Koehler.
Freiraum zum Denken
Im neuen Schulgebäude auf dem Gelände der als Weltkulturerbe ausgezeichneten Zeche Zollverein geht es noch provisorisch zu: Die Möbel werden gerade geliefert, und nur notdürftige Absperrungen in den Treppenhäusern hindern Besucher daran, ganz plötzlich in den Glaskastenbüros der Verwaltung vorbeizuschauen. Trotzdem ist der graue Würfel aus Sichtbeton der ganze Stolz der Belegschaft, denn er zählt zu den avantgardistischsten Bauwerken Europas.
Raum zum Denken ist hier genug: Die derzeit 36 Studenten arbeiten an kleinen Schreibtischinseln in einer zehn Meter hohen Halle. 134 unregelmäßig verteilte Fenster tauchen den Innenraum in unterschiedliche Lichtstimmungen. Wie es sich für gutes Design gehört, gehen Form und Funktion hier Hand in Hand. Warmes Grubenwasser, das auf dem Gelände immer abgepumpt werden muss, fließt durch die Außenwände des Gebäudes und ersetzt so die Isolierschicht. Das spart Heizkosten.
Grenzgänge mit Aha-Effekt
Eine Synthese aus Notwendigem und Erwünschtem ist auch der Essener Lehrplan. Er kombiniert die klassischen Pflichtmodule eines akkreditierten MBA-Studiums mit dem Gedanken der Vernetzung. Wenn die Studenten lernen, wie aus Subkulturen Trends und neue Produkte entstehen – zum Beispiel die Sicherheitsnadel, aus der die Punk-Bewegung ein angesagtes Accessoire gemacht hat –, unterrichten ein Experte für Unternehmensstrategie und ein Soziologe gemeinsam.
Wenn die Studenten eine Hausarbeit zum Thema Marketing schreiben, sind auch psychologische oder kulturwissenschaftliche Quellen willkommen.
Interessenten weiterer Kulturwissenschaftlicher Themen finden auch hier das passende Studium.
Häufig sind die Dozenten selbst Grenzgänger zwischen den Disziplinen: Ein Professor der Berliner Akademie der Künste, der dort Strategisches Marketing unterrichtet, oder eine Unternehmensberaterin, die sich als Betriebswirtin intensiv mit Designthemen befasst. Ein neuer Blickwinkel auf einen altbekannten Gegenstand ist Ziel der Übung. „Da kann es passieren, dass nicht nur die Studenten, sondern auch die Dozenten ein Aha-Erlebnis haben“, erzählt Kirsten Koehler.
Den Kunden erziehen
Die 33-jährige Kommunikationsdesignerin hat die verblüffende Feststellung gemacht, dass BWL-Kenntnisse ihr den Weg ebnen, um ihre Kreativität voll auszuschöpfen. Sie arbeitete für KW43 brandbuilding and design2, einer Division der Werbeagentur Grey Worldwide, und hat erlebt, dass Kunden Gestaltern oft zu wenig Verantwortung überlassen. Wenn sich beispielsweise ein Produkt schlecht verkauft, fordert der Hersteller eine Broschüre an, um es bekannter zu machen. Der Designer bekommt ein Briefing mit klaren Richtlinien, wie das Heft aussehen soll. Die Frage, ob die schlechten Verkaufszahlen vielleicht auch an der Verpackung oder am schlechten Vertrieb liegen könnten, wird nicht gestellt. „Die gestalterische Kompetenz reicht nicht aus, um den Kunden zu führen“, meint Köhler. Dazu braucht sie das Handwerkszeug der Zahlenmenschen.
Von denen haben sich allerdings erst wenige nach Essen getraut. Betriebswirte stellen bisher nur 20 Prozent der Teilnehmer. Einer davon ist Marc Schäfer, strategischer Planer und Markenberater bei der Kölner PR- und Werbeagentur Counterpart. Die 22.000 Euro für den knapp zweijährigen Studiengang hält er für gut investiert. Denn auch der 33-Jährige hat vom Perspektivwechsel profitiert und konnte diesen gleich an seine Kunden weitergeben. „Sie sagen jetzt nicht mehr: Ich brauche eine Produktbroschüre, sondern: Ich brauche eine Lösung für ein Problem.“
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Top-Studienorte für Kreative
Zollverein School Essen (MBA Business Design) www.zollverein-school.de
Miami Ad School Hamburg (Art Direction, Copywriting) www.miamiadschool.com
Zeppelin University Friedrichshafen (BBDO-Lehrstuhl für Medienwissenschaft) www.zeppelin-university.de
Akademie U5 München (Kommunikationsdesign) www.akademie-u5.de
Kunsthochschule für Medien Köln (Mediengestaltung, Film & Fernsehen) www.khm.de
Universität der Künste Berlin (Design, Kommunikation, Mediengestaltung) www.udk-berlin.de
Hochschule Pforzheim (Design, Marketing-Kommunikation) www.hs-pforzheim.de
Hochschule für Gestaltung Offenbach (Kommunikationsdesign) www.hfg-offenbach.de
FH Schwäbisch Gmünd (Produktgestaltung, Design) www.hfg-gmuend.de