Effizienz: Weniger Zeit verplempern
Drei Methoden für mehr Produktivität, die Sie vermutlich noch nicht kennen: „Precrastination“ statt Prokrastination, One-thing-Liste und das Zeitmanagement-Haus.
Zeitnot I Den ganzen Tag arbeiten aber nichts schaffen? Dagegen hilft häufig ein Schritt zurück.
Jenseits von Angst und Langeweile in seiner Arbeit aufgehen, so beschreibt der Forscher mit dem unaussprechlichen Namen Mihaly Czikszentmihalyi den produktiven Zustand „Flow“. Damit ist ein Gefühl gemeint, dass glücklich stimmt, weil ein mentaler Zustandes völliger Vertiefung und des restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit erreicht wird. „Im Flow-Erlebnis verwischen die Grenzen zwischen Subjekt und Welt, dass sich der Mensch im Tun vergisst, dass Weg und Ziel eins werden“, beschreibt Entwicklungspsychologe Hans Aebli das Phänomen.
Wie lyrisch und traumhaft das auch klingt – seien Sie doch mal ehrlich: Im Arbeitsalltag kämpfen wir eher mit Motivationslöchern, schlechter Planung und verspannten Nackenmuskeln. Experten haben zahlreiche Tipps parat, wie sie all das vermeiden können.
Kennen Sie alles? Haben Sie alles schon ausprobiert? Vielleicht lohnt sich die Lektüre trotzdem. Denn wir stellen drei neue Zeitmanagement-Ideen vor, die noch nicht in jedem Standardwerk für Selbstoptimierung vorkommen.
1. Aufgaben zu schnell erledigen wollen: „Pre-Crastination“
Wir lieben es, Dinge aufzuschieben. Der Fachausdruck heißt Prokrastination – zu deutsch: Aufschiebertis. Das liegt in erster Linie an unserem Gehirn. Wir wollen die unangenehmen Gefühle, die mit der Aufgabe verbunden sind, umgehen. Entweder mögen wir die Aufgabe nicht oder haben schlicht Angst davor zu scheitern. Das Phänomen ist weithin bekannt und wird sehr schön und spielerisch in diesem kleinen Film von Arte beschrieben.
Haben Sie dem Drang, das Video zu sehen, widerstanden? Dann gehören sie eher zur Gruppe der – zu Deutsch – Prekrastinierer. Also zu denjenigen mit dem Drang, Aufgaben möglichst schnell abzuarbeiten und einen Haken dahinter zu setzen. Sie wollen also möglichst schnell diesen Text durchlesen und die drei Methoden kennenlernen.
Erforscht und mit „Pre-crastination“ benannt wurde das Phänomen von David Rosenbaum, einem Professor der Psychologie der Pennsylvania State University. Er konnte 2014 in einer Studie nachweisen, dass Menschen dazu bereit sind sich anzustrengen, nur um das gute Gefühl zu spüren, gerade eine Aufgabe erledigt zu haben.
In dem Experiment mussten sich Probanden zwischen zwei Eimern entscheiden und den ausgewählten Eimer bis ans Ende eines Bürgersteigs tragen. Der eine Eimer befand sich näher am Ziel, während der andere in der Nähe der Startlinie stand.
Auch wenn die Forscher den Teilnehmern empfahlen, den hinteren Eimer zu wählen, da die Aufgabe dadurch leichter würde, trugen in neun Forschungsversuchen mit insgesamt 250 Studienteilnehmern die meisten den Eimer von der Startlinie bis zum Ende.
Die Forscher schlussfolgern, dass wir Menschen ein positives Gefühl bekommen, wenn wir eine Aufgabe erledigen, die direkt vor uns liegt. „Picking the low hanging fruits“, schreibt Rosenbaum.
Das Problem beim vorschnellen Abarbeiten einer To-Do-Liste ist: Wir wollen die Aufgabe dringend zu Ende bringen und werden nachlässig. Dadurch entstehen häufiger Fehler, die im Nachhinein Mehrarbeit bedeuten – oder eine schlechte Performance. Von dem Verhalten betroffen sind laut Rosenbaum besonders Menschen, die gewissenhaft sind, gefallen wollen und viel Energie haben. Aber der Impuls dahinter sei universell.
Auch wenn „Precrastination“ und „Procrastination“ anscheinend das Gegenteil voneinander sind, liegt der Impuls dahinter eng zusammen. Denn unser Gehirn will eine schnelle Befriedigung und Erfolg. Beim Prokrastinieren zeigt es sich, indem wir eben lieber die Spülmaschine ausräumen als die Steuererklärung zu machen.
Die Lösung liegt seiner Meinung nach darin – ähnlich wie beim Prokrastinieren – eine Aufgabe in kleine Schritte aufzuteilen, damit wir nach jedem Punkt ein Erfolgserlebnis haben.
2. Die kürzeste To-Do Liste der Welt: Die „One-thing-List“
Der Kolumnist der Harvard Business Review Peter Bregman hat ein Problem. Er, der Autor des Buches 18 Minutes mit dem Untertitel: „Finde deinen Focus, regle Störungen und zieh Aufgaben durch“, hat zu viele Dinge unerledigt auf seiner To-Do-Liste stehen. Ständig.
Das Problem: Dabei macht er den ganzen Tag Dinge. Nur nicht die Richtigen, stellt er in seiner Kolumne fest.
Das frustriert ihn so sehr, dass er einen anderen Weg finden will. Er versucht es mit mehr Disziplin. Und scheitert. Er arbeitet sich entlang seiner langen Liste mit mehr als 50 Punkten und fühlt sich überfordert. Dann vergleicht er sich mit erfolgreichen Kolleginnen und Kollegen auf Instagram und ist frustrierter als zuvor. Anscheinend haben es alle raus – außer ihm.
Dann kommt ihm die Idee: die Lösung – nur an einer Sache zu arbeiten. Die Angela Merkel-Taktik fürs Büro: Schritt für Schritt.
Bregmans Lösung: Nehmen Sie zwei leere Din-A4 Blätter. Schreiben sie eins wie gewöhnlich als To-Do-Liste voll. Dann nehmen sie das zweite leere Blatt und schreiben nur die Sache darauf, die sie vollenden wollen. Keine Riesenaufgabe, wie den nächsten Roman zu verfassen, sondern eine kleine Teilaufgabe.
Die lange To-Do-Liste oder Erinnerungsliste wie Bregman sie nennt, lassen sie nun verschwinden und konzentrieren sich auf den einen Punkt.
Erst wenn dieser erledigt ist, können Sie die Aufgabe von der One-Thing-To-Do-Liste streichen und sich eine neue Aufgabe von der langen To-Do-Liste vornehmen. Bei Entscheidungschwierigkeiten rät Bregmann: „Gehen Sie die Aufgaben durch und nehmen das, wovor sie sich am meisten drücken.“
3. Realistisch planen mit dem Zeitmanagement-Haus:
Seit 20 Jahren fragt Vertriebsexpertin Sandra Schubert in Vorträgen und Coachings nach den bekanntesten Zeitmanagement-Methoden. Die Antwort lautet stets: Das Eisenhower-Prinzip. Also Aufgaben nach dringlich oder wichtig zu sortieren. Oder das ABC-Prinzip, wonach Aufgaben nach ihrem Output wie etwa Umsatz bewertet werden.
Auch wenn diese Methoden schon zum Allgemeinwissen gehören, klagen viele ihrer Klienten über Zeitnot. Das Problem ist aus ihrer Sicht: Sie vergessen das große Ganze.
Das Problem: Prioritäten setzen macht nur 20 Prozent des Zeitmanagements aus. Heißt, wir müssen einen Schritt zurückgehen und überlegen: Welche Ressourcen stehen mir zur Verfügung? Was sind meine Ziele? Was ist mein Leitbild? Dabei ist es egal, ob sich um die eigene Arbeitsstruktur oder der eines Unternehmens handelt.
Deswegen hat Schubert das Zeitmanagement-Haus mit folgenden Stockwerken entwickelt:
Dach | Leitbild und Werte |
3. Etage | Ziele |
2. Etage | Prioritäten setzen |
1. Etage | Zeitplanung |
Erdgeschoss/ Fundament |
Ressourcen |
Die Lösung: Bei der Analyse beginnt Schubert auf dem Dach. Sie vergleicht es mit dem Blick auf den Horizont und die Frage: Wo will ich hin und was ist mir in meinem Job oder Unternehmen wichtig? Vom Dach steigt sie Etage für Etage hinab.
Auf der dritten Etage folgen die Ziele und dann, auf der zweiten Etage, erst die Priorisierung der Aufgaben, um diese Ziele zu erreichen. Die damit verbundenen Werte sind ja bereits im Dach definiert worden.
Erst danach ist der Weg in die erste Etage frei: Dort ist es jetzt möglich, mittels Kalender eine Zeitplanung vorzunehmen.
Am Ende muss das Fundament geprüft werden: Wie viel Kraft habe ich für das alles zur Verfügung? Hier passieren nach Schuberts Erfahrung die meisten Fehler. Wenn nämlich die Ressourcen unklar sind, also das Fundament nicht stark genug ist, droht das ganze Zeitmanagement ins Wanken zu geraten.
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