Bewältigungsstrategien: Mit welch originellen Ideen Unternehmen der Coronakrise entgegentreten

Unter massivem Druck entstehen kreative Ideen: Manche bringen den Firmen keinen finanziellen Vorteil, helfen aber beim Überleben.

Eva Neukirchen | 17.11.2021
Kreativität ist auch beim Verkauf der Gesichtsmasken angesagt. Die Coronakrise lässt viel zu.

Gesichtsmasken für den Notfall Kreativität ist auch beim Verkauf der Gesichtsmasken angesagt. Die Coronakrise lässt viel zu. © Karriere Foto: imago images / snapshot

Trotz Krise geben weder Start-ups noch etablierte Player auf: Sie denken um und basteln an neuen Kompetenzen, denn viele Arbeitsbereiche fallen aktuell weg. Jetzt geht es darum, Engagement zu zeigen, Unterstützung und Hoffnung zu geben.

Damit erwirtschaften die meisten Firmen zwar keine Gewinne, bleiben aber am Markt und beweisen Solidarität, Sinnhaftigkeit und Stärke.

Die Beispiele sind vielfältig: Karriere.de hat sie unter den wichtigsten Maßnahme-Bereichen zusammengefasst. 

1. Gesichtsmasken statt Unterwäsche und Blusen

„Auf Hochtouren“ produziert der schwäbische Textilhersteller Trigema Behelfs-Mund- und Nasenschutzmasken für Mediziner, Pflegepersonal, Behörden „Die riesige Flut an Bestellungen“ könne aber nicht innerhalb kürzester Zeit bewältigt werden, heißt es auf der Unternehmenshomepage. Doch in den ersten zwei Wochen konnten schon knapp 200.000 Masken genäht werden.

Die Umstellung der Produktion auf Schutzausrüstung schafft zweierlei: Sie hilft da, wo die Not gerade besonders groß ist, und rettet die Mitarbeiter vor der Kurzarbeit. Denn wegen der Corona-Krise sei rund 50 Prozent des Absatzes weggebrochen. Allerdings: Auf die Auslieferung der regulären Ware müssen die Kunden aktuell bis Anfang Mai warten.

Auch der bayerische Hemdenhersteller Eterna konnte auf Kurzarbeit verzichten und lässt nun statt Hemden und Blusen die Schutzmasken produzieren. Im slowakischen Eterna-Werk laufen täglich 25.000 Masken vom Band.

Kleine Schneidereibetriebe und Theaterwerkstätten ziehen ebenfalls mit und fertigen nun einfache Schutzmasken. Die Ausbeute ist naturgemäß geringer. Erste Aufträge hat zum Beispiel der Berliner Bühnenservice, der normalerweise für Opernhäuser und das Staatsballett arbeitet. Rund 300 Masken seien für ein Alten- und Pflegeheim genäht worden, sagte Geschäftsführer Rolf D. Suhl der Deutschen Presse-Agentur. Rund 300 weitere sollen für ein zweites Heim entstehen. Auch Arztpraxen, Apotheken und eine Klinikgesellschaft hätten angefragt.

2. Desinfektionsmittel statt Parfüm und Alkohol

Gegen die Verknappung der Desinfektionsmittel halfen schnell und unbürokratisch Alkoholproduzenten und Parfümhersteller. Zum Beispiel der Spirituosenhersteller Jägermeister aus Wolfenbüttel: Er stellt dem Klinikum Braunschweig 50.000 Liter Alkohol zur Herstellung des Desinfektionsmittels zur Verfügung.

Das Kölner Unternehmen Klosterfrau Healthcare zeigt sich in der Coronakrise mit einer Spende von 100.000 Litern Desinfektionsmittel an das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) großzügig, wie NRW-Ministerpräsident Armin Laschet in einer Sondersitzung des Landtags erklärte. Die erste Lieferung von 150.000 Flaschen wurde schon bereitgestellt. Insgesamt will das Unternehmen 500.000 Flaschen Handdesinfektionsmittel liefern.

3. Spuckschutz-Wände statt Maschinenschutz

In Supermärkten, Tankstellen und Arztpraxen sind sie derzeit kaum wegzudenken: Plexiglasscheiben für den Infektionsschutz. Viele Unternehmen nutzen ihre Kernkompetenzen mittlerweile, um diese Wände anzufertigen und zu vertreiben.

So hat das Dortmunder Unternehmen Kunststofftechnik Hecker in den vergangenen Wochen 5000 solcher Scheiben produziert. Die Nachfrage nach solchen Schutzlösungen wird voraussichtlich zunehmen:  Sollten in den kommenden Wochen und Monaten weitere Bereiche des Handels ihre Ladenlokale wieder öffnen dürfen, besteht erhöhter Bedarf.

Auch für Messebauer, die wegen abgesagter Veranstaltungen und Messen auftragslos sind, und für andere Handwerksbetriebe gibt es in diesem Bereich viel zu tun: Die Wände müssen schließlich gut befestigt und auch entsprechend gestaltet werden.

4. Vermittlung von Erntehelfern statt Flügen

Mit der neuen Onlineplattform „Clever Ackern“ graben sich die Gründer des Flugportals Flyla aus der Krise. Normalerweise bieten sie ausschließlich CO2-kompensierte Flüge an. Jetzt haben sie ein Portal geschaffen, das Jobsuchende und Bauern zusammenbringen soll.

Landwirte sollen auf diese Weise Unterstützung bei der Ernte, etwa von Spargel und Erdbeeren, erhalten. Denn durch die aktuellen Einreisebestimmungen fehlen den deutschen Landwirten tausende Saisonarbeitskräfte.

Mehrere tausend Eintragungen gibt es bereits – auch eine Kooperation mit das „das Land hilft“, ein Portal, das durch den Bundesverband Maschinenringe e.V. betrieben und vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert wird. Weitere bezahlte Angebote gibt es online bei „Bauer sucht Hilfe“ und „Land-arbeit“.

5. Streaming von Gottesdiensten statt Sport-Events

Statt Basketball und Fußball gibt es nun den weltweit ersten Internet-Kanal mit virtuellen Messen und Live-Gottesdiensten: Der Streamingdienst Stream Time war bislang auf Sportevents spezialisiert. Aufgrund der aktuellen Corona-Lage hat das Hamburger Start-up seinen Fokus aber verschoben und setzt nun auf Gottesdienst-Streaming.

Innerhalb einer Woche hat Stream Time sein Angebot auf die Bedürfnisse der Menschen während der Krise umgestellt: Die Plattform enthält nun tausende ausgewählte Livestreams diverser Kirchen und Glaubensgemeinschaften des Christentums auf Deutsch, Englisch und in anderen Sprachen. Kirchen können einfach über die Anmeldung auf Stream Time ihre Messen zum Stream hinzufügen.

6. Hotelzimmer für Hilfskräfte statt Messegäste

Immer mehr Krankenhäuser leihen in diesen Tagen Ärzte und Krankenschwestern aus umliegenden Regionen aus. Die Fleming’s Hotels Frankfurt am Main und München stellen Einsatzkräften, die für den Kampf gegen das Coronavirus extra umziehen, ihre Zimmer zur Verfügung. Kostenfrei.

Zugereiste Ärzte, Krankenschwestern und Polizisten sowie Hilfskräfte aus Pflegeberufen, von der Feuerwehr oder dem Technischen Hilfswerk können in den Hotelzimmern übernachten und müssen dafür nichts bezahlen. Allerdings ist das Kontingent der dafür bestimmten Zimmer begrenzt.

7. Nachbarschaftshilfe statt Freizeit

Wenn der eigene Job gerade auf Eis liegt und man über mehr Freizeit verfügt, ist sinnvolle Ablenkung nicht verkehrt. Vor allem, wenn man Anderen helfen kann. Gerade für Menschen mit Vorerkrankungen oder Ältere ist nicht nur der Weg zum Supermarkt gefährlich.

In vielen Gegenden gibt es deshalb bereits Nachbarschaftshilfen aller Art. Gesuche gibt es etwa bei „Quarantänehelden“, „Nebenan“ oder „Wir gegen Corona“ Da geht es nicht nur um notwendige Besorgungen in der Apotheke oder Lebensmittel-Einkäufe, manchmal muss auch der Hund Gassi geführt werden.

Auch Hilfe gegen Einsamkeit ist notwendig: Denn soziale beziehungsweise physische Distanz kann schnell zur Vereinsamung führen. Ein netter Brief oder Anruf bei der Oma oder bei einem alleinlebenden Freund kann für Freude sorgen.

Einige Vereine wie die Young Caritas in Dortmund oder das Nachbarschaftszentrum in der Ufa-Fabrik in Berlin sammeln Briefe, um sie an ältere und einsame Menschen zu verschicken. Darin kann gemalt, gebastelt und geschrieben werden.

Auch die Plattform „Yoopies“ sorgt für soziales Engagement im näheren Umfeld: Um Menschen, die etwa im Einzelhandel oder in einer Klinik arbeiten, zu unterstützen, können Erzieherinnen, Pädagogen und Studierende der Sozialen Arbeit bei der Kinderbetreuung helfen.

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