So einfach melden Sie sich krank
Spätestens am 4. Krankheitstag muss der „gelbe Schein“ vorliegen – den Arbeitsunfähigkeitsschein gibt es mittlerweile auch per WhatsApp.
Zum AU-Schein per WhatsApp: Ein Hamburger Start-up macht das möglich. Wer sich krankschreiben lassen will, muss per Mausklick zunächst Fragen zu seinen Symptomen beantworten. Patienten, die an einer leichten Erkältung leiden, können sich dann von einer Ärztin beraten lassen – und zwar via WhatsApp. Der Erkrankte trägt sein Leiden vor, verschickt ein Foto seiner Versichertenkarte und bekommt, sofern ihn die Ärztin für krank befindet, seinen Arbeitsunfähigkeitsschein – erst per WhatsApp, tags drauf auch per Post. Die Kosten: 9 Euro.
Alles per WhatsApp:
Fragen beantworten, mit der Ärztin chatten, Krankschreibung erhalten
Der Hamburger Rechtsanwalt Can Ansay hat diesen Service Ende 2018 an den Start gebracht. 70 AU-Scheine stellt Ansays Start-up im Moment jeden Tag aus, teilt der Inhaber auf Anfrage mit. Ansay hofft auf weitere Kunden: „Eine leichte Erkältung ist eine ungefährliche Krankheit. Gerade die ist für die Telemedizin optimal geeignet.“ Denn: Wie sie eine leichte Erkältung behandeln müssten, wüssten die Patienten selbst. Sie gingen bei einer Erkältung allein deshalb zum Arzt, um sich den Krankenschein abzuholen, erzählt er.
Sich den Gang zum Arzt sparen und trotzdem die Krankschreibung bekommen – damit will Ansay seine Patienten überzeugen. Um Missbrauch vorzubeugen, können sich Betroffene bei AU-Schein.de nur zwei Mal im Jahr krankschreiben lassen. Möglich ist das Angebot, weil der Ärztetag im Frühjahr 2018 den Weg für Patientenberatung per Telefon, Chat oder Video-Schalte geebnet hat. Darauf beruft sich Gründer und Rechtsanwalt Ansay.
Beschränkter Beweiswert:
Anwälte beäugen das WhatsApp-Angebot kritisch
Seine Rechtskollegen sehen das kritischer. „Das Modell öffnet Missbrauch Tür und Tor“, sagt etwa der Kölner Arbeitsrechtler Jan Schiller, der bei der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle arbeitet. Er rät Patienten davon ab, das neue Angebot zu nutzen. „Wenn es keinen persönlichen Kontakt zwischen Patient und Arzt gab, hat eine so ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur einen extrem beschränkten Beweiswert.“
Das heißt: Der Arbeitgeber muss die Bescheinigung nicht akzeptieren und kann sogar verlangen, dass sein Angestellter beim Medizinischen Dienst der Krankenkasse nachuntersucht wird.
Rechtsanwalt Schiller sieht auch ein Datenrisiko: Zwar bietet WhatsApp eine Ende-zu-Ende Verschlüsselung, der Anbieter kann den Chatverlauf also nicht einsehen. Aber: „WhatsApp durchsucht das gesamte Smartphone – auch die Kontakte, die den Dienst nicht benutzen.“ Wenn der Angestellte die Krankschreibung weiterleitet, muss der Chef fürchten, dass er gegen die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstößt, meint Schiller.
Die klassische Variante:
So melden Sie sich richtig krank
Streit um Krankmeldungen gibt es nicht nur im aktuellen Fall. Gerade im Winter kommt es zwischen Chef und Mitarbeiter häufiger zu Streit – denn dann sind die meisten Mitarbeiter krank. Um Ärger zu vermeiden, beantwortet karriere.de die wichtigsten Fragen rund ums Krankmelden.
Die ewige Frage:
Muss ich mich überhaupt krankmelden?
Unbedingt. Ein Angestellter darf nicht einfach zu Hause bleiben. Er „ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen“. Dies schreibt das Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) in Paragraph 5 vor. Unverzüglich bedeutet, dass der erkrankte Angestellte seinen Chef vor Beginn des Arbeitstages informieren muss. Lässt er das bleiben, droht eine Abmahnung.
Das Unternehmen entscheidet:
Kann ich mich per E-Mail krankmelden?
„Im Gesetz ist das nicht klar festgelegt“, sagt Arbeitsrechtler Schiller. Die Krankmeldung kann jedes Unternehmen anders regeln: Manche bevorzugen einen Anruf, andere bestehen auf E-Mails. Manchmal genügt es auch, eine SMS zu schreiben. Entscheidend ist, welche Kommunikationsmethode im Betrieb die gängige ist.
Der klassische Weg ist dieser: Der Erkrankte informiert seinen direkten Vorgesetzen und die Personalabteilung . Wie genau das geregelt ist, können Arbeitnehmer in der Betriebsvereinbarung nachlesen – am besten, bevor sie krank werden.
„Ein Anruf beim Pförtner reicht jedenfalls nicht aus“, sagt Arbeitsrechtler Schiller. „Es genügt auch nicht, einfach den Kollegen darum zu bitten, dass er den Chef informiert.“
Das steht im Gesetz:
Brauche ich den Krankenschein erst am dritten Tag?
Es kommt darauf an. Grundsätzlich ist das im EntgFG so geregelt: Wer länger als drei Tage krank ist, muss spätestens am vierten Arbeitstag den „gelben Schein“ vorlegen. Das Wochenende zählt übrigens mit. Wer also am Freitag fehlt, der muss am Montag die Bescheinigung beim Arbeitgeber abgegeben haben. Liegt die Bescheinigung nicht rechtzeitig vor, darf der Arbeitgeber die Fortzahlung des Lohns verweigern.
Doch im Gesetz steht auch, dass der Arbeitgeber ebenfalls berechtigt ist, „die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen.“ Wenn der Chef die AU-Bescheinigung am ersten Tag haben will, dann muss der Angestellte der Anweisung folgen – sofern es betrieblich so vereinbart ist oder es sich um einen Einzelfall handelt.
In solchen Fällen reiche es dann aber aus, wenn der Chef schnell ein Foto vom gelben Schein bekommt, sagt Schiller, „sofern der Angestellte das Original unverzüglich nachreicht“.
Intimfrage:
Muss ich dem Chef sagen, was ich habe?
Die Krankheit geht den Arbeitgeber nichts an. Auf der AU-Bescheinigung ist deshalb auch keine Diagnose zu finden. Dort steht lediglich, wie lange der Patient krankgeschrieben ist.
Jobverpflichtung:
Ich muss ein wichtiges Projekt beenden. Kann der Chef von mir verlangen, dass ich zur Arbeit komme?
Nein. Wer krank ist, muss nicht arbeiten. Wer allerdings nur den kleinen Finger gebrochen hat und reiner Wissensarbeiter ist, muss trotzdem zur Arbeit kommen – Anwälte bezeichnen das als „zumutbar“. Auch wer erkältet ist, kann durchaus zum Hörer greifen und die Kollegen über den Zwischenstand des Projekts informieren. Das zumindest dürfte die Stimmung unter den Kollegen positiv beeinflussen.
Arbeitsplatz:
Kann ich gekündigt werden, wenn ich häufig krank bin?
Ja. Erkrankte Mitarbeiter dürfen aber nur unter bestimmten Voraussetzungen gekündigt werden. „Wenn ein Mitarbeiter drei Jahre lang in Folge jedes Jahr mehr als sechs Wochen lang aufgrund derselben Erkrankung arbeitsunfähig war, dann hat die krankheitsbedingte Kündigung eine Aussicht auf Erfolg“, sagt Arbeitsrechtler Schiller.
Auch chronisch Erkrankte müssen befürchten, dass ihnen gekündigt wird. „Das gilt vor allem, wenn die Zukunftsprognose eher schlecht ist“, sagt Schiller. Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter erleidet einen schweren Schlaganfall. Gehen die Ärzte trotz Behandlung davon aus, dass die Krankheit nicht mehr ausheilt, kann er entlassen werden, wenn er trotz zumutbarer Unterstützungsmaßnahmen seine Aufgabe nicht mehr erfüllen kann.
Krank im Urlaub:
Kann ich die Tage einfach dranhängen?
Keinesfalls. Zwar verfallen die Urlaubansprüche nicht, wenn der Mitarbeiter erkrankt. Seine Krankheitstage werden ihm wieder als Urlaubstage gutgeschrieben – er kann zum Beispiel einen weiteren Urlaub nehmen. Aber: Wer sich einfach selbst länger beurlaubt, dem droht eine Abmahnung. Einvernehmlich ist die Verlängerung jedoch möglich.
Angestellte haben im Urlaub übrigens dieselben Pflichten wie zu Hause. Das heißt: Sie müssen den Arbeitgeber unverzüglich informieren und spätestens am vierten Tag den gelben Schein vorlegen.
„Blaumachen“:
Was passiert, wenn mich der Arbeitgeber erwischt?
Dann gibt’s richtig Ärger. Wer beim Blaumachen erwischt wird, dem droht die fristlose Kündigung. „Der Mitarbeiter erschleicht sich die Entgeltfortzahlung“, sagt Schiller. „Und das wird als Betrug gegen den Arbeitgeber gewertet.“