Kündigung: Wer gehen muss, wünscht sich einen Roboter als Nachfolger

Das Selbstwertgefühl leidet weniger beim Vergleich mit Maschinen.

Eva Neukirchen | 01.11.2024
Grundsätzlich als Kollege gefürchtet, aber als Nachfolger im Kündigungsprozess doch gemocht: der Roboter.

Roboter als Mitarbeiter Grundsätzlich als Kollege gefürchtet, aber als Nachfolger im Kündigungsprozess doch gemocht: der Roboter. Foto: Franck on Unsplash

Eigentlich lehnen Menschen es ab, von Robotern oder intelligenten Computersystemen ersetzt zu werden. Eigentlich! Geht es jedoch um Mitarbeiter-Entlassungen, können sich die Betroffenen eher damit anfreunden, eine Maschine oder einen Roboter als Nachfolger zu haben.

Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Technischen Universität München (TUM) und der Erasmus-Universität Rotterdam zu psychologischen Reaktionen bei Job-Neubesetzungen durch Menschen oder Roboter, bei der sich die Mehrzahl aller Befragten für den Roboter-Ersatz aussprach.

„Sobald es die persönliche Ebene betrifft – also den eigenen Jobverlust – kommen wir besser mit einem Computer als Ersatz aus“, erklärt Studienautor Christoph Fuchs, Professor an der der TUM School of Management.

Der Grund liege im eigenen Selbstwertgefühl. „Wir vergleichen uns nicht mit Robotern oder intelligenten Computersystemen – wohl aber mit anderen Personen.“

Aus vergleichbaren Situationen lernen:
So funktioniert das gekränkte Ich

Ein Beispiel aus dem persönlichen Lebensbereich soll das Verständnis erleichtern: „Stellen Sie sich vor, Sie werden in einer Beziehung verlassen und schnell durch eine gleichgeschlechtliche Person ersetzt. Das kränkt und verletzt“, sagt Fuchs.

Wäre der neue Partner aber vom anderen Geschlecht, ändere sich die Einstellung dazu, die Kränkung wäre nicht ganz so stark: „Weil Sie sich sagen – damit kann ich eh nicht mehr konkurrieren.“

Im beruflichen Kontext funktioniert das genauso, haben die Wissenschaftler jetzt herausgefunden und in elf größtenteils experimentellen Untersuchungen und verschiedenen Szenarien mit mehr als 2.000 Personen aus Europa und Nordamerika getestet.

Die Studie belegt zweierlei:
1. Grundsätzlich bevorzugen es die meisten Beschäftigten, wenn Arbeitsplätze erhalten bleiben und Angestellte durch Menschen ersetzt werden. Hier bestehen große Vorbehalte gegenüber Robotern oder intelligenter Software.

2. Sind die Beschäftigten aber persönlich betroffen – sollen also sie selbst ersetzt werden – bevorzugen sie eindeutig die Maschine als ihren Nachfolger. Fragen wie: „Was kann der, was ich nicht kann?“ oder „Warum soll sie besser sein als ich oder schneller, effizienter oder gar billiger?“ stellen sich erst gar nicht.

Es fehlt der menschliche Ansatz zur Vergleichbarkeit: Sich mit einer technischen Apparatur zu messen, liegt den meisten Angestellten fern.

Roboter im Einsatz für die Unternehmenspolitik:
Konkurrenzkampf mit billigen Arbeitskräften aus dem Ausland fällt weg

Eine Firmenpolitik, die es vorsieht, ganze Fertigungsbereiche ins Ausland zu verlagern oder bestimmte Aufgaben künftig von außenstehenden Dienstleistern erledigen zu lassen, wird meist kritisiert und sowohl von Arbeitnehmern als auch Betriebsräten verurteilt.

Werden dagegen Unternehmensbereiche von Künstlicher Intelligenz (KI) übernommen, dürfte der Widerstand gegen die Firmenleitung nicht mehr so vehement sein.

Die Studie könnte somit eine Grundlage für weitere Forschung auf anderen ökonomischen Ebenen sein, sagt Fuchs: „Möglicherweise wehren sich Arbeitnehmervertreter weniger gegen Arbeitsplatzverluste, die durch Robotereinsatz verursacht werden, als durch Outsourcing an andere Arbeitnehmer.“

Hilfe bei Arbeitslosigkeit:
Neue Perspektiven statt Frustration

Tatsache ist: Es wird massive Veränderungen in der Arbeitswelt durch den Einsatz von Technologie geben. Doch es gibt Möglichkeiten, gesellschaftlichen Schaden abzuwenden.

Beispielsweise könnten die Erkenntnisse helfen, Programme für Arbeitslose zu verbessern, prognostiziert Studienleiter Fuchs.

Durch die Erkenntnis, dass es weniger schlimm sei, von einem Roboter ersetzt zu werden, sei es nun auch weniger nötig, das Selbstbewusstsein der Arbeitslosen zu stärken.

Vielmehr sei es essentiell, ihnen neue Kompetenzen zu vermitteln, „die ihnen die Angst nehmen, Robotern langfristig unterlegen zu sein.“

Zukunftsträchtige Jobs:
Wo Roboter funktionieren und wo nicht

Berufszweige, in denen es auf Herz und Emotionen ankommt, werden so schnell nicht aussterben oder durch Künstliche Intelligenz (KI) ersetzt werden.

„In Japan werden Roboter bereits in der Altenpflege eingesetzt ­– das wäre in Deutschland momentan wenig vorstellbar“, sagt Fuchs.

Auch Jobs im Bereich der Kindererziehung, wo eine Umarmung und ein liebes Wort förderlich sind, dürften so schnell nicht aussterben. „Dienstleistungen mit menschlicher Komponente werden auch künftig gebraucht“, weiß der Experte.