Jobangebote: Welche Unternehmen mit genderfreundlichen Stellenanzeigen punkten

Noch leben Klischees, aber Unternehmen bemühen sich darum, Bewerberinnen und Bewerber genderfreundlich in ihren Jobanzeigen anzusprechen.

Anne Koschik | 17.11.2024
Jobanzeigen: Qualifikation zählt bei der Stellenbesetzung – nicht Alter, Geschlecht, Herkunft.

Wo ist der Unterschied? Jobanzeigen: Qualifikation zählt bei der Stellenbesetzung – nicht Alter, Geschlecht, Herkunft. © Karriere Foto: Dainis Graveris on Unsplash

In der englischen Sprachen ist Genderfreundlichkeit viel einfacher als im Deutschen: Konzerne wie Adidas, Covestro, Daimler, Delivery Hero, Henkel, Infineon oder Merck nutzen dies für ihre Stellenanzeigen. Die „doppelte“ Ausschreibung an „Sie“ oder „Ihn“ entfällt – und die ausgeschriebenen Jobs wirken darüber hinaus auch international.

Doch Gleichberechtigung ist noch lange nicht Usus in den Jobbeschreibungen, obwohl sich Unternehmen immer mehr bemühen, ihre Stellenanzeigen genderfreundlich zu formulieren.

Das entspricht nicht nur dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, sondern ist auch seit dem 1. Januar 2019 Pflicht. Doch noch längst gelingt es nicht allen Firmen, für sämtliche Jobs die Klischees aus den Köpfen zu verbannen: Geht es um Ingenieure oder ITler, werden oft Männer im Bild gezeigt. Da nützt es auch nichts, wenn hinter der oft männlich formulierten Jobbeschreibung das geforderte „m/w/d“ für männlich/weiblich/divers steht.

Zwei Analysen haben sich jetzt des Genderproblems in Stellenanzeigen angenommen: So betrachteten die Experten der Metasuchmaschine Adzuna rund 600.000 Stellenanzeigen genauer. Und die Berliner PR- und Brand-Storytelling-Agentur Mashup Communications fand auf den Karriere-Webseiten der Dax-30-Unternehmen 1854 Personen, die via Foto für die Arbeitswelt der Konzerne sprechen. Auch karriere.de hat sich auf deren Karriereportalen umgesehen und im Quickcheck die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst.

Branchen, in denen die „Männerherrschaft“ abnimmt

Und wie lautet das Ergebnis? Handel, Finanzwesen und Logistik haben schwer aufgeholt, was die genderfreundliche Ansprache in Stellenanzeigen betrifft. Immerhin. Denn dass diese drei Branchen einen vergleichsweise hohen Anteil an genderfreundlichen Anzeigen aufweisen, begründen die Experten von Adzuna damit, dass Berufe in diesen Branchen historisch betrachtet eher Männer dominiert sind und Diversität, anders als in anderen Kategorien, noch stärkere Beachtung findet als dort, wo sie längst Einzug gehalten hat.

Auch Stellen im Gesundheitswesen, HR und Recruitment sowie Ausschreibungen im Rechtswesen setzen mittlerweile stark auf die Diversität ihrer Bewerber.

Auffällig war allerdings, dass Stellenanzeigen für Hochschulabsolventen eine wesentlich niedrigere Diversität in ihren Stellenausschreibungen reflektieren. Über die Gründe ist nichts bekannt.

Die Jobsuchmaschine Adzuna analysierte alle Jobtitel sowie Beschreibungen ihrer Plattform in Deutschland über die verschiedenen Jobkategorien hinweg. Als Indikator einer genderneutralen Anwendung wählte Adzuna das Keyword „(w/m/d)“ und untersuchte es auf seine Häufigkeit in den Stellenanzeigen. Das „d“ bei (m/w/d) steht für „divers“ und weist auf ein drittes Geschlecht hin. Unternehmen zeigen damit, dass sie im Sinne des Antidiskriminierungsgesetzes (AGG) auch solche Bewerber nicht diskriminieren oder entmutigen, die sich nicht eindeutig einem männlichen oder weiblichen Geschlechts zuordnen lassen möchten oder können.

Fotos beweisen: Traditionelle Rollenbilder herrschen noch vor

Parallel dazu erfolgt die Erkenntnis, dass es auch an der visuellen Darstellung hapert. Denn auch im Bild herrschen Klischees in Stellenanzeigen noch vor: So sind immer wieder Frauen in Jobanzeigen zu finden, die in die Kamera lächeln, während Männer auf Fotos oft ernst ausschauen oder konzentriert im Einsatz sind. Nur ein Fünftel der insgesamt 872 dargestellten Frauen schaffte es mit neutralem Gesichtsausdruck auf die Karriereseite, stellt die Agentur Mashup Communications in ihrer Studie fest.

Zum Vergleich: Männer zeigten sich zu einem Drittel neutral. Daraus schließen die Mashup-Experten: Frauen müssen in der Business-Welt „freundlicher auftreten als Männer“, um erfolgreich zu sein.

Diversität in Jobanzeigen der Dax-30-Unternehmen – Teil 1:

Unternehmen Bewerberansprache Fotos
Adidas in Englisch Stockfotos, wirken oft „bemüht“.

Auffällig: Viele Frauen im Bild, die
offensichtlich nicht aus Deutschland stammen

Allianz Diversität wird im
Vorfeld abgefangen
durch generelle Aussage
Männer im Anzug, Frauen im roten Kleid;
Männer in der Überzahl
BASF Männliche Ansprache
mit Kürzel in Klammern (m/w/d);
Karriereseite: Ansprache auf
Englisch: We need you
Fotos sind häufig personenfrei. Falls Fotos mit
Personen: ausgewogenes Verhältnis: jung, alt, deutsch,
Ausländer, männlich, weiblich. „Klassiker“ aber
bei der Suche von Fachkräften für Produktion & Technik
oder Ingenieuren: immer männliche Models
Bayer Diversität wird im Vorfeld
abgefangen durch generelle
Aussage. Männliche Ansprache
mit Kürzel in Klammern (m/w/d)
Stockfotos, besetzen folgende Themen: Bezug auf
Work-Life-Balance (Vater mit Kind, Frau im Homeoffice,
beim Joggen, unterwegs im Ausland); häufig vermitteln
ausländische Frauen Diversität
Beiersdorf Diversität wird im Vorfeld
abgefangen: „Wir fördern Vielfalt“.
Männliche Ansprache mit Kürzel
in Klammern (m/w/d) in
Stellenanzeigen
Stockfotos aus der Werbung, gerne ausländische Frau.

Auffällig viele Frauen, Ausländer, Ältere. In
Stellenanzeigen: leicht verpixelte Bilder, oft Frauen.

BMW Kürzel (W/M/X)

Ansprache mit „Du“ (je nach
Bereich, gerne bei IT) oder „Sie“,
einige Ausschreibungen auf Englisch
(IT-Bereich)

Fotos: auffällig hoher Frauenanteil.

Junge Frauen, Ausländer, Ältere (durch Männer abgedeckt).

Karriereseite: Frau/Mann bei Motorradherstellung „beweist“
Gleichberechtigung

Continental Ansprache mit Sie, bei
Stellenbeschreibung
mit Kürzel (w/m/divers)
Schmuckbild ohne Personen bei Stellenausschreibungen in
Portalen und auf Karrierewebsite.

Karriereseite: bunte Vielfalt im Überblick

Stockfotos, achten auf gleiches Verhältnis Männer/Frauen/alt/
jung/deutsch/ausländisch

Covestro Diversität wird im Vorfeld
abgefangen durch generelle Aussage.
In der Beschreibung keine
weiblichen Angaben. In Stellenanzeigen
auf der Website oft englische Angaben,
keine Bilder
Bilderfolgen: Mann/Frau + Ausländer

Auf Karrierewebseite eher männerdominiert:
IT-Experten, Ingenieure, Chemikanten

Daimler Ansprache: Du oder Englisch Stockfoto m/w oder ausländische Frau

Übersichtsseite: bunte Mischung, wenig Ältere

Delivery Hero Ansprache englisch Übersichtsseite: viele eigene Mitarbeiter

Bildausschnitte (für „coole“ Wirkung, z.B. Tattoo)

Stellenanzeigen: Diversität „lebt“ auf Fotos

Deutsche Bank Kürzel (w/m/d) Schmuckbilder zur Work-Life-Balance oder
Fotos von der Firmenzentrale; Ungleichgewicht: vor
allem Männer, auch Fotoausschnitte mit männlichen Attributen
Deutsche Börse Kürzel (f/m/d), Ansprache häufig
auf Englisch
Fotos, v.a junge Menschen, m/w in etwa gleichem Verhältnis;

Stockfotos auf Übersichtsseite.

In Stellenanzeigen oft ausländischen Frauen abgebildet.

Deutsche Post DHL Group Kürzel Stockfotos, bemüht divers und viele junge Menschen;

Karrierewebseite: Schmuckfotos von Logistik

Deutsche Telekom Kürzel

Du-Ansprache

Bemüht wirkende „bunte“ Seite
Deutsche Wohnen Sie-Ansprache

Kürzel (m/w/d)

Witzige Fotos

Vorstellung in Filmchen, diese sind aber sehr „stockig“

Im direkten Arbeitsumfeld werden die Unterschiede noch deutlicher: Fast zwei Drittel der Männer werden als „Macher“ präsentiert: sie forschen, schreiben, schrauben – aber nur gut ein Drittel der Frauen haben einen ähnlichen „Auftritt“. Geht es um höhere Positionen, klaffen die Werte sogar noch stärker auseinander. Interessant ist dabei, dass männliches Führungspersonal älter und damit als „erfahrener“ dargestellt wird.

Für Frauenbilder in den gleichen Managementpositionen müssen aber offenbar jüngere Models herhalten: Der Altersurchschnitt liege in der Mehrzahl zwischen 20 und 35 Jahren.

Vor allem mangelt es oft an Authentizität: Viele Unternehmen bedienen sich so genannter „Stockfotos“ aus Bilddatenbanken. Diese Fotos wiederholen sich dann auch mal bei unterschiedlichen Konzernen.

Auffällig ist, dass dabei oft mehrere Genderfaktoren in einem Foto abgefangen werden sollen. Häufig sind folgende Kombinationen zu finden:

  • Frau, die sichtbar nicht aus Deutschland stammt
  • Gruppe mit Männern und Frauen im Verhältnis 50:50, die jede mögliche Diversität abbilden

Offene Kommunikation über Diversität

Auf den Karriere-Webseiten sprechen einige Unternehmen das Thema direkt offen an: Manchmal kurz und bündig wie Covestro: „Wir sind Covestro. Wir sind neugierig. Wir sind mutig. Wir sind vielfältig.“

Oder noch kürzer wie VW: „Hello Bunt“.

Manche dagegen sind auch ausführlicher, wie Bayer: Das Unternehmen „begrüßt Bewerbungen aller Menschen ungeachtet von ethnischer Herkunft, nationaler Herkunft, Geschlecht, Alter, körperlichen Merkmalen, sozialer Herkunft, Behinderung, Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, Religion, Familienstand, Schwangerschaft, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität oder einem anderen sachfremden Kriterium nach geltendem Recht. Wir bekennen uns zu dem Grundsatz, alle Bewerberinnen und Bewerber fair zu behandeln und Benachteiligungen zu vermeiden.“

Oder Allianz: „Die Allianz ist ein Arbeitgeber, der Chancengleichheit fördert. Bei uns sind alle willkommen, unabhängig von Merkmalen wie Geschlecht, Alter, Herkunft, Nationalität, Rasse oder ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Behinderung oder sexueller Orientierung.“

Doch in den Fotos wirken dann bisweilen trotzdem alte Klischees nach: So zeigt Allianz bei den Stellenausschreibungen Männer im dunklen Anzug, Frauen im roten Kleid. Und Bayer thematisiert zum Beispiel Work-Life-Balance mit Frauen im Homeoffice oder beim Joggen, bemüht sich dann allerdings auch um Väter mit ihren Kindern.

Die Studien zeigen somit: Diversität ist noch nicht selbstverständlich – und in den Stellenanzeigen wird das zuallererst sichtbar.

Diversität in Jobanzeigen der Dax-30-Unternehmen – Teil 2:

Eon Ansprache du Stockfotos, divers
Fresenius Kürzel (m/w/d) Soziales Engagement in Bildern auf
Karriere-Webseite; Stellenanzeigen oft
ohne Fotos
Fresenius Medical Care Kürzel (m/w/d) Fotos aus dem Labor, männlich geprägt
HeidelbergCement Kürzel (m/w/d), Ansprache
gerne auch in Englisch,
v.a. bei IT-Jobs
Fotos aus dem Arbeitsleben und
Stockfotos
Henkel Ansprache englisch Fotos (Webseite und Anzeigen), Diversität
als Foto „übersetzt“ in ausländische Frau
bzw. ausländischer Mann
Infineon Englische Ansprache Fotos stammen aus einer Bilddatenbank,
wirken steril
Linde Kürzel Filme aus dem Werk, männlich dominiert
Merck Ansprache englisch Keine Fotos, Designbilder (geschlechtslos)
MTU Kürzel (m/w/d) Stockfotos mit Frauen und Männern
in Stellenanzeigen; Karriere-Übersichtsseite:
Personen-Mix
Münchener Rück Ansprache englisch

Kürzel

Insgesamt wenige Fotos auf
Karriere-Webseite;
Motiv gerne: ausländische Frau
RWE Ansprache du oder englisch Fotos aus dem reellen Arbeitsleben,
ausgewogen divers; zum Teil gar keine Fotos
in Anzeigen auf Karrierewebseite
SAP Selbstverpflichtung zur
Vielfalt in jeder Stellenanzeige;
Kürzel (w/m/d)
Videos

Eigentliche Anzeigen ohne Fotos

Siemens Kürzel Fotos sehr divers, aus dem Arbeitsleben (Slider)
Volkswagen Kürzel; Ansprache mit „Du“,
Karriere-Übersichtsseite:
Begrüßung mit „Hello Bunt“
Stockfotos, um Diversität bemüht
Vonovia Kürzel Fotos männlich dominiert;

Karriere-Übersichtsseite aber gemixt

Mehr: So engagieren sich Arbeitgeber bei Diversity