Vergütung: So wirkt sich die Coronakrise aufs Gehalt aus
Viele Beschäftigte werden die finanziellen Folgen der Pandemie erst im nächsten Jahr richtig zu spüren bekommen.
Vom Virus befallen: Gehälter I Beschäftigte müssen in den nächsten Jahren mit niedrigeren Gehaltserhöhungen rechnen, manche sogar mit Stagnation.
Die Geschäftseinbußen der Unternehmen durch Corona wirken sich bis in die Gehälter aus. Speziell bei den zahlreichen Unternehmen, die Kurzarbeit angemeldet haben, ist das für viele Angestellte deutlich spürbar. Aber dennoch sind in diesem Jahr auch Gehaltssteigerungen möglich.
Der Grund: Die meisten Entscheidungen zur Lohnpolitik werden erfahrungsgemäß zu Beginn eines Jahres getroffen und Gehaltsverhandlungen entsprechend durchgeführt. „Für viele Unternehmen war die Krise da noch in weiter Ferne“, sagt Philip Bierbach, Geschäftsführer des Hamburger Onlineportals für Vergütungsangaben, Gehalt.de.
Für die Gesamtwirtschaft erwarten die Gehaltsexperten 2020 daher einen Anstieg des Gehaltsniveaus um rund 1,6 Prozent. 2021 wird die Krise dann massiv sichtbar: Denn für das kommende Jahr prognostizieren die Experten ein Wachstum von gerade einmal 0,3 Prozent.
Acht Berufsgruppen – vom Kassierer bis zum Softwareentwickler – haben die Analysten näher betrachtet.
Sie konnten dafür auf die Gehaltsdatenbank von Gehalt.de mit rund 2,6 Millionen Datensätzen zurückgreifen. Um eine genauere Prognose zu erreichen zogen sie Faktoren wie Tarifabdeckung, mediale Präsenz und die benötigten Qualifikationen für den Beruf hinzu. Auch ließen sie die aktuellen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und Erfahrungswerte aus der Finanzkrise 2008 mit einfließen.
Ursprünglich – also vor der Coronakrise – waren Vergütungsspezialisten von 2,9 Prozent Gehaltssteigerungen im laufenden Jahr ausgegangen. Dass es überhaupt zu Gehaltserhöhungen kommt, ist den vereinbarten Tarifen in vielen Berufsgruppen zu verdanken. Die meisten angeschlossenen Unternehmen haben daher im ersten Halbjahr 2020 verhandlungsgemäß geliefert.
Mit den höchsten überdurchschnittlichen Steigerungsraten können in diesem Jahr Krankenpfleger mit einem Plus von 3,1 Prozent und Erzieher mit einem Plus von 2,0 Prozent rechnen. Auch Softwareentwickler liegen mit 1,7 Prozent knapp über dem Durchschnitt. Dieser positive Trend soll sich nächstes Jahr fortsetzen.
Verlierer sind Tourismuskaufleute, Kfz-Mechatroniker und Marketing-Manager. Der Negativ-Trend dieser Berufsgruppen wird sich 2021 sogar noch verschlechtern.
Die Ergebnisse im Einzelnen:
KRISENRELEVANTE BERUFE
Die Prognose von Gehalt.de sagt besser Zeiten voraus: So stehen die Chancen für das Pflegepersonal in Krankenhäusern und Seniorenheimen vergleichsweise gut. Die Experten erwarten eine Lohnsteigerung von 3,1 Prozent für Kranken- und 2,6 Prozent für Altenpfleger.
Hier spielt die Tarifbindung eine große Rolle: Knapp 50 Prozent der Patienten werden in Krankenhäusern mit öffentlichen Trägern behandelt, zeigt die Statistik.
Die Gehaltsentwicklung ist daher stark von den Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst beeinflusst. Aufgrund der vielen Unikliniken gehen die Experten davon aus, dass für die Krankenpflege der bereits beschlossene TV-L mit einer Lohnerhöhung von 3,12 Prozent gelten wird.
Anders ist sie Situation in Pflegeheimen, Sie werden gemäß der Heimplätze nur etwa zu sechs Prozent von öffentlichen Trägern verwaltet. Zehn Prozent der Beschäftigten werden hier nach Tarifvertrag bezahlt. Insofern wirken sich die Tarifbeschlüsse nur minimal auf die Lohnsteigerungsraten in diesem Bereich auswirken werden.
Über eins können die prozentualen Gehaltssteigerungen jedoch nicht hinwegtäuschen: Die Gehälter in der Kranken- und Altenpflege liegen nach wie vor auf einem niedrigen Niveau und deutlich unter dem Durchschnittsverdienst von Fachkräften in Deutschland, die auf ein Jahresbruttogehalt von rund 41.400 Euro kommen. Gleiches gilt auch für Erzieher. Und trotz der Gehaltssteigerung kommen Kassierer besonders schlecht weg.
Beruf | 2020 | 2021 | 2022 |
Krankenpfleger*in | 38.554 € | + 3,1 % | 39.749 € | + 2,1% | 40.584 € |
Erzieher*in | 36.325 € | + 2% | 37.052 € | +1,2% | 37.496 € |
Altenpfleger*in | 32.932 € | + 2,6 % | 33.788 € | + 1,9% | 34.430 € |
Kassierer*in | 27.318 € | + 1,7% | 28.028 € | + 0,7% | 28.224 € |
FACHKRÄFTE MIT HÖHEREN BERUFSEINTRITTSBARRIEREN
In Berufen, die besondere Abschlüsse oder eine akademische Ausbildung voraussetzen, sind die Gehälter generell höher – und die Job-Aussichten nicht schlecht. Softwareentwickler oder Marketingmanager zum Beispiel verdienen überdurchschnittlich viel, können aber dafür nicht davon ausgehen, dass ihre Vergütung prozentual überdurchschnittlich steigt. Dafür muss sich die gesamtwirtschaftliche Situation erst erholen.
Beruf | 2020 | 2021 | 2022 |
Softwareentwickler*in | 55.935 € | + 1,7% | 56.886 € | + 1,3% | 57.625 € |
Marketing-Manager*in | 44.082 € | + 1,1% | 45.228 € | + 0,1% | 45.273 € |
FACHKRÄFTE IN KRISELNDEN BRANCHEN
Dort, wo die Branche unter den aktuellen Entwicklungen leidet, sieht es mit der Gehaltsentwicklung besonders schlecht aus. Das ist in der Touristik und in der Automobilindustrie der Fall.
So gehen die Vergütungsexperten von Gehalt.de sogar von einem Komplettausfall der variablen Vergütung bei Tourismusfachleuten aus. Denn die Branche ist stark konjunkturabhängig – und daher stark betroffen. Das monatelange Reiseverbot und die dadurch geschlossenen Reisebüros führten zur massiven Kurzarbeit . Für 2020 kann ein maximaler Lohnzuwachs von 0,9 Prozent angesetzt werden. Für 2021 ist dann sogar von einer Stagnation bei der Lohnsteigerung auszugehen.
Beruf | 2020 | 2021 | 2022 |
(Kfz-) Mechatroniker*in | 32.112 € | + 1,3% | 32.947 € | + 0,1% | 32.980 € |
Tourismuskaufleute | 30.377 € | + 0,9% | 31.167 € | + 0,0% | 31.167 € |
Auch die ohnehin schon krisengeschüttelte Automobilindustrie wurde von der Coronakrise zusätzlich erschüttert. Nicht nur die stillgelegten Autowerke, auch der rückläufige Export von Neuwagen und die Entscheidung der Regierung gegen eine Kaufprämie haben die Branche hart getroffen. Da teilweise der IG-Metall-Tarifvertrag mit einem Zuwachs von 2,6 Prozent greift, kommt die durchschnittliche Gehaltserhöhung 2020 noch auf 1,3 Prozent. Im nächsten Jahr ist mit einem Fast-Stillstand bei den Gehältern zu rechnen.
Warum Gehälter theoretisch nicht sinken können
Löhne steigen üblicherweise und stützen sich langfristig auf drei Komponenten: reales Wirtschaftswachstum, Inflation bzw. Inflationsausgleich sowie die Veränderung im Verhältnis zwischen Arbeits- und Kapitaleinkommen.
Da Gehaltssteigerungen stark von der Konjunktur abhängen, brechen sie in Krisenzeiten üblicherweise ein. Doch können sie in einer Rezession eigentlich nicht sinken, sondern höchstens stagnieren. Zum Vergleich: Selbst während der Finanzkrise 2009 gab es noch Gehaltssteigerungen von 0,2 Prozent.
Gehaltserhöhungen sind das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten. Einer Lohnsenkung müssten Arbeitnehmer in Form eines Vertrags zustimmen.
Falls Unternehmen ihre Lohnkosten senken müssen, stehen ihnen daher gewöhnlich die Mittel der Kurzarbeit oder der Kündigung zur Verfügung.
Eine Stellschraube gibt es jedoch, durch die Gehälter ins Negative abrutschen können: die erfolgsbasierenden Auszahlungen am Jahresende. Auf diese hat das Unternehmen direkten Einfluss, kann sie einschränken oder ausfallen lassen. Macht der Arbeitgeber hier also einen Cut, sieht es für die Beschäftigten mau aus.
Mehr: Wie sich die Corona-Pandemie auf die Gehälter der Dax-Vorstände auswirkt