Chef, ich will über mein Gehalt sprechen

Mit der Wirtschaft geht es wieder bergauf, die Auftragsbücher füllen sich und viele Unternehmen fahren satte Gewinne ein. Es wird Zeit für das Gespräch mit dem Chef und eine Gehaltserhöhung. Experte Martin Wehrle erklärt im Interview, mit welcher Taktik man Erfolg hat und was die größten Fehler sind.

Gero Brandenburg | 11.09.2024

Herr Wehrle, viele Arbeitnehmer wollen den wirtschaftlichen Aufschwung nutzen und mehr Gehalt. Wann ist die Forderung gerechtfertigt? 
Das ist eine einfache Rechnung. Stellen Sie sich zwei Seiten einer Waage vor. Auf der einen Seite das Gehalt, auf der anderen Seite liegt die Arbeitsleistung. Als Arbeitnehmer muss ich bei der Arbeitsleistung seit der letzten Gehaltsabsprache nachgelegt haben. 

Wie?
Zum Beispiel dadurch, dass ich in der Zwischenzeit mehr Verantwortung im Unternehmen übernommen, Fortbildungen besucht oder der Firma zusätzliche Einnahmen gebracht habe. Wenn ich solche Argumente habe, kann ich gut in die Verhandlung reingehen. Am besten, Sie legen vorher eine Leistungsmappe an. Schreiben Sie sich detailliert auf, was Sie geleistet haben und nehmen die Liste mit ins Gespräch beim Chef. So haben Sie alle Argumente vor sich auf dem Blatt Papier und können sich an dem Leitfaden entlang arbeiten. Und auch Ihr Chef hat etwas in der Hand, wenn er Ihre Ansprüche seinem eigenen Vorgesetzten darlegen muss.

Man bereitet sich also über einen längeren Zeitraum vor.
Ja, man könnte auch sagen: Vor der Gehaltsverhandlung ist nach der Gehaltsverhandlung. Direkt nach einem Gespräch sollte ich meine Leistung wieder weiter ausbauen und das für mich auch schriftlich festhalten.

Viele gute Worte allein bringen offenbar nichts.
Nein, nur rhetorisch lassen sich solche Gehaltsverhandlungen in der heutigen Zeit kaum mehr gewinnen. Sie brauchen ein solides Fundament an Leistungen.

Was ist die richtige Taktik im Gespräch?
Gehen Sie vor, wie in der Werbung. Da wird auch erst gezeigt, wie gut das Waschmittel reinigt. Gezahlt wird dann später an der Kasse. Sagen Sie dem Chef im Vorfeld, dass Sie mit ihm über ihre Perspektiven in der Firma reden wollen. Führen Sie dann im Gespräch zunächst ihre Vorzüge auf, zeigen Sie, was Sie der Firma Gutes getan haben und wie Sie ihren Chef in seinen Zielen vorangebracht haben. Erst wenn Sie sich, also das Produkt, vorgestellt haben, sollten Sie auf das Gehalt zu sprechen kommen. Seien Sie aber sparsam mit den Worten „Gehalt“ oder „Gehaltsforderung“. Auf manchen Chef wirkt das wie ein rotes Tuch.  

Was halten Sie davon, sich vorab mit anderen Kollegen abzustimmen?
Das halte ich für sehr schlecht. Firmen hassen es, wenn Mitarbeiter sich über Gehälter austauschen. In vielen Arbeitsverträgen steht auch, dass das Gehalt vertraulich zu behandeln ist. Wenn der Chef solche Gespräche mitbekommt, wittert er oft revolutionäre Umtriebe unter den Arbeitnehmern und er macht die Luken dicht.

Was sollte ich noch vermeiden?
Eine Todsünde ist es, mehr Gehalt zu fordern und das mit dem Einkommen eines Kollegen zu begründen. Das ist keine Aussage über die eigene Leistung und weist – aus der Sicht des Chefs – auf eine Indiskretion hin. Das bringt den Chef gegen mich auf und ich will  ihn ja für mich einnehmen. Auch der Hinweis auf gestiegene Benzinpreise und die Kosten für das Eigenheim verbieten sich. Der Chef denkt dann, dass man mit Geld privat nicht umgehen kann und die Firma jetzt dafür einspringen soll. Sie sollten den Vorgesetzten auch nicht plötzlich mit der Forderung überfallen, etwa im Treppenhaus oder wenn man beim Bier zusammensitzt. Für ein solches Gespräch muss man einen Termin vereinbaren.

Ganz wichtig ist auch, dass man dem Chef nicht die verbale Pistole an den Kopf setzt. Wenn Sie sagen: „Entweder die Gehaltserhöhung oder ich bin weg“, dann verliert er sicher lieber einen guten Mitarbeiter als sein Gesicht.

Wie lange muss die letzte Gehaltserhöhung her sein, bevor ich das Thema wieder anspreche?
Es gibt eine Schamfrist von 18 bis 24 Monaten. Das gilt auch für jene Mitarbeiter, die sich in der Krise mit 100 Euro mehr haben abspeisen lassen, weil es der Firma nicht so gut ging. Man sollte also lieber erst mal verzichten und zu einem späteren Zeitpunkt neu verhandeln, wenn man eine angemessene Summe herausholen möchte. 

Was ist denn angemessen, wie viel mehr kann es denn sein?
Das hängt natürlich von der eigenen Leistung ab. Fünf Prozent sind drin, wenn es dem Unternehmen nicht so gut geht, die eigene Leistung aber sehr gut war. Und wer mehr Verantwortung trägt, etwa weil er als Fachkraft zum Gruppenleiter aufgestiegen ist, kann auch 15 Prozent fordern. In der Regel können Leistungsträger zwischen sieben und zwölf Prozent mehr rausholen.  

Eine Forderung von 25 Prozent ist zu dreist?
Ja, es sei denn, der persönliche Marktwert gibt das her. In einer solchen Verhandlung bin ich immer nur so stark wie meine Alternativen. Wenn ein anderes Unternehmen mir 25 Prozent mehr zahlen würde, kann ich auch mit dieser Forderung erfolgreich sein, wenn die Firma mich halten will.

Wenn der Chef nicht mehr Geld zahlen möchte, gibt es ja noch andere Möglichkeiten. 
Beliebt ist Fahrtgeld für den öffentlichen Nahverkehr oder den eigenen PKW, weil die Firma sich damit die höheren Sozialabgaben spart. Eine gute Sache sind auch gesponserte Fortbildungen, damit verbessern Sie ihren persönlichen Marktwert. Viele junge Arbeitnehmer wollen auch mehr Urlaubstage haben, dadurch steigt das relative Gehalt. Das ist bei vielen Mittelständlern ein gern gesehenes Modell.

Mit welchen Gegenargumente muss ich im Gehaltsgespräch rechnen – und wie kann ich diese kontern?
Das Standardargument, das man um die Ohren gehauen bekommt, ist: Der Firma geht es wirtschaftlich schlecht. Vor der Krise heißt es, wir müssen uns wappnen und sparen, in der Krise hört man, uns geht’s so schlecht, und nach der Krise muss sich das Unternehmen angeblich erst erholen. Der Arbeitnehmer muss zeigen, dass seine Leistung gerade in der schwierigen Situation wichtig ist und vorweisen, wie er der Firma in der Krise hilft oder geholfen hat. Weil er Kosten eingespart oder Kunden gewonnen hat.
 
Was ist, wenn ich auf Granit beiße und nichts raushole. Bald wieder den nächsten Versuch starten?
Es gibt die Zauberfrage: Lieber Chef, was müsste bis zu unserem nächsten Gespräch passieren, damit ich die Gehaltserhöhung bekomme? Entweder der Chef benennt jetzt die Voraussetzungen – das sollten Sie dann schriftlich festhalten – oder er sagt, egal was passiert, eine Gehaltserhöhung ist nicht drin. Dann sind Sie in einer finanziellen Sackgasse, aus der Sie raus müssen, haben aber eine klare Antwort.

Lesen Sie weitere Tipps für Ihr Arbeitsleben:
Work-Life-Balance: Auszeit für den Stand-by-Manager
Steuerrecht: Wie kann ich das private Arbeitszimmer absetzen?